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Zweiter Abschnitt.

Der heilige Gral und sein Reich.

Das Wort Gral over Graal wird bei den alten Schriftstellern, so wie von Raynouard, Lexique Roman (Provenz. grasal, grazal, grazaus), Roquefort, Gloss. de la langue romane (altsrz. graal, gréal, plur. graaux, gréas, gréaux), Adelung, Glossar. Latinitatis medii aevi (grasala, grasale, graletus, gradella, gradalis), Diez, Etymolog. Wörterb. der roman. Sprachen, S. 647 (altcatal. gresal, altspan. grial, altvenez. graellino) in der Bedeutung als Gefäß nachgewiesen, mögen wir es als Kelch, Vase, Schüffel oder Terrine, von Thon, Gold, Silber oder andrem Metall uns denken, und es sind alle andern Ableitungen, wie Sang real oder royal aus den jüngern Gralromanen, vom ebräischen garalah (Vorhaut) und die Bedeutung von Höhle oder Kreis zurückzuweisen (San Marte, Leben u. Dichten Wolfr. v. Eschenbach B. II., S. 362, 363). Frauenlob 130, 19 hat sogar ein Zeitwort: grâlen, d. H. wie der Gral strahlen, gebildet. Der besondre Nachweis hierüber bleibt meinem Fremdwörterbuch zu Wolframs Werken" vorbehalten. Bei unserer Untersuchung darf uns nur das leitend sein, was unser Dichter selbst über dieses geheimnißvolle Gefäß berichtet.

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Seinem Wesen nach ist der Gral das Höchste, was auf Erden nur gewünscht werden kann, ja, das über allen wunsch noch weit hinausreicht, das dem Himmelreich selbst gleichkommt, ein Gefäß, so schwer, daß die ganze sündige Menschheit es nicht von der Stelle zu bewegen vermöchte *), und gleichwohl doch auch so leicht, daß es müh

*) T. 12: der wunsch ob irdischem P. 235, 21: der wunsch von pardîs,

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los von der Hand Urepansens sich tragen läßt, deren hohe Reinheit sie zu ihrem Amte als Gralträgerin heiligt. Es wiederholt sich in vielen Legenden, daß die Körper verstorbner Heiliger oder Märtyrer durch keine Kraft sich von der Stelle bewegen lassen, wenn etwas mit ihnen vorgenommen werden soll, was ihrem Willen nicht entspricht, oder Ungeweihte sich ihrer bemächtigen wollen. Der Stein, aus welchem der Gral besteht (man kann nicht wohl sagen: gefertigt; vielmehr : geschaffen ist) ist des geslähtes vil reine; er heizet lapsit exillîs (P. 469, 7). Unter den mannigfachen Varianten: lapsit, D, Gg; iaspis, gg; lapis, d; exillis, Dg; erillis, G; exilis, g; exillix, g; exilix, dg; scheint die einzig richtige nicht aufgeführt, doch korrumpirt in erillis enthalten zu sein, u. z. als das von herus abgeleitete Ad= jectiv herilis, zum Herrn gehörig *). Da in lapsit unzweifelhaft ein entstelltes lapis steckt, so wäre der Stein ein lapis herilis oder dominicus, ein Stein des Herrn; und ein solcher ist er auch in der That. Weder Plinius noch Albertus Magnus lassen aus ihren Verzeichnissen von Edelsteinen einen errathen, der mit dem lapis exillis irgend in Beziehung stehn könnte, und scheint daher die Bezeichnung lediglich vom Dichter herzurühren und gerade dieser Name dem Stein absichtlich, seinem Wesen entsprechend, beigelegt zu sein.

Mit diesem Stein verbrennt nach Wolfram 1. c. sich der Vogel Phönix, um schöner zu einem neuen Leben wiedergeboren zu werden.

P. 235, 24: erden wunsches überwal.

P. 238, 21: der grâl was der saelden

fruht.

der werlde süeze ein sölh genuht, er wac vil nâch gelîche

als man saget von himelrîche.

P. 769, 24: Parcival suochet einen hôhen funt, sc. den h. Gral.

P. 330, 27: swaz iemen wunders hât

gesagt,

dennoch pflît es mêr der grâl.

P. 472, 2: Wer den Gral erringt, gewinnt der sêle pardîs.

P. 781, 13-30: Kundrie bei Verkündigung des Gralfönigthums an Parcival: wol dich des hôhen teiles,

du krône menschen heiles

wâ wart an saelde ie dîn genôz? P. 477, 16: der sô swaere wigt, daz in diu valschlich menscheit nimmer von der stat getreit.

*),, Herilis (erilis). Heriles, Principium seu dominorum filii, quasi minores heri, quos sequior aetas Domicellos, dixit. Erilis, filius, dominicus. Eriles, domini. Erilis, dominicus. Gloss. Ms. Eccl. Paris. Eruli, domini, domnuli; Gloss. Pithoeanae. Papias: Heri, domini: inde Herilis velut heri filius, vel ut quidam dicunt, minor filius, i. domicellus. In zweiter Bedeutung wird es in Glossulis ad Statuta Canonic. Regul. S. August. metrice scripta ap. R. Duellium, T. I, Miscell. p. 56 für clarus erklärt:

Major ut est humilis, gratus sit plus et Herilis.

(Adel. Gloss.-lat. md. aevi.)

Auch diese Verbindung des Steines mit dem Vogel ist neu und kommt meines Wissens hier zuerst vor; denn nach Herodot, Plinius, Isidorus und nach ihnen bei Gervasius von Tilburg, Otia imperialia u. f. w. ist es wohlriechendes Reisig, womit der Phönix sich sein Nest baut und worin er sich zur Wiederverjüngung verbrennt. So ward nach uralter Fabel der Scheiterhaufen seines Nestes zugleich das Grab und die Geburtsstätte des Phönix und er verwirklichte, was sonst bei sterblichen Erdenwesen nirgend vorkam, Unsterblichkeit und ewige Dauer, stete Erneuung und Verjüngung. Als ein Sinnbild dieser zwiefachen Idee hat die Kunst ihn schon zu Hadrians Zeit aufgefaßt, zunächst zwar nur in Beziehung auf den Kaiser und die Dauer seiner Dynastie; sodann aber faßte das Christenthum die Idee auf, um den Heiden gegenüber durch ein von ihnen anerkanntes Beispiel eine dem Christenthum eigenthümliche Wahrheit, die Lehre von der Auferstehung, zu beweisen. So zuerst Clemens Rom. gegen Ende des ersten Jahrhunderts; ebenso in den Apostolischen Konstitutionen, und von Chrillus von Jerusalem, Epiphanius, Tertullian, Zeno, Ambrosius und selbst, wenn auch zweifelnd über die Wahrheit der Thatsache, Augustinus. — Aber auch bei der Lehre von dem Ausgehn des h. Geistes vom Vater, im Unterschied von der Erzeugung des Sohnes, beruft sich Gregor von Nazianz unter den verschiednen Arten der Erzeugung auf den Phönix als ein Beispiel, daß ein Wesen von sich selbst untergehn und erzeugt werden könne. Die lateinische Kirche machte die wunderbare Fortpflanzung des Phönix als Analogie für die übernatürliche Erzeugung Christi geltend, und im zwölften Jahrhundert berichtet der althd. Physiologus: Der Phönix, der sich in seinem Neste verbrennt und aus der Asche am dritten Tage hervorgeht wie er gewesen, der ist ein Bild Christi nach den Worten des Herrn (Joh. 10, 18): „Ich habe Gewalt, mein Leben zu lassen und es wieder zu nehmen; kein Andrer vermag es mir zu nehmen.“*) Diese christlich mythologischen Anschauungen und Deutungen vom Phönix sind.in unsrer Dichtung von dem Vogel hinweggenommen und auf den Stein des Grales übertragen und ist ihm so höchst sinnig die Kraft beigelegt, Zerstörung, Wiedergeburt und Auferstehung zu bewirken, wie nach älterer Sage sie sich im Phönig bethätigte. So wird also in diesem Steine zur Erfüllung gebracht, was der Heiland (Joh. 11, 25) von sich selbst sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben;“ und im Hinblick

*) Piper, Mythologie der christl. Kunst, I. S. 446–471. Weimar, 1847.

auf die folgende Lehre vom Gral dürfen wir mit dem Evangelisten fortfahren: „Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe, und wer da lebet und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“

Ist der Gral schon nach Obigem das Höchste und Heiligste, über allen wunsch (f. oben Kap. XXI.) hinausreichend, so tritt zur Vollendung seiner Herrlichkeit noch hinzu, daß am Karfreitage, diesem heiligsten Tage der Christenheit, den sie stets in Zerknirschung feiern soll, sich eine weiße Taube vom Himmel herabschwingt, eine kleine weiße Oblate auf das Gefäß legt und dann wieder empor zum Himmel zurückfliegt, und in dieser Botschaft der Taube an diesem Tage dar an lit des grâles hôhste kraft (P. 469, 30.). Durch dieses Mysterium erhält der Gral alle die göttlichen Wundergaben, die weit über alle menschliche Kraft und irdische Herrlichkeit hinausgehn und unendliche Wonne und unaussprechliches Heil wirken. In der Taube müssen wir das Symbol des heiligen Geistes erkennen (Matth. 3, 16. Joh. 1, 32. Marc. 1, 10. Luc. 3, 21); in der Oblate, dem licham Christi (W. 68, 4, 23) den darin gegenwärtigen Heiland, den Sohn Gottes (f. oben §. 64.); und in dem Himmel, woher die Taube mit der Oblate niederfliegt und wohin sie zurückkehrt, da steht der Thron Gottes des Vaters, von dem Sohn und Geist ausgehn und welche also die Drei in Einheit ihre Kraft dem Gefäße mittheilen, durch welches die von ihm, also von Gott, Berufnen seinter Gnadengaben theilhaftig werden. So ist der dreieinige Gott der Christenheit in dem heiligen Gefäße gegenwärtig und wirksam, und denken wir den Gral uns als Trinkschaale oder Kelch und in ihm das Blut Christi, daneben den Leib des Heilandes, beides, Wein und Brot geweiht von dem H. Geist durch Priestermund, so steht das Allerheiligste vor uns, vor dem noch jetzt die gesammte katholische Christenheit anbetend niedersinkt *).

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‚Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbige war im Anfang bei Gott“ (Joh. 1, 1, 2.). Ursprünglich war der Gral im Himmel bei Gott und von Engeln bedient. Nach dem Sündenfall der Engel und Lucifers Empörung wurden die im Kampf mit Trinitas theilnahmlos gebliebnen Engel aus dem Himmel verstoßen und verurtheilt, dem Gral

*) Diesem heiltuom wurde jedoch erst seit 1264 von Pabst Urban IV. in dem Fronleichnamsfest auf Betreiben der h. Juliana, Priorin von Korneliberg bei Lüttich eine besondre Feier eingesetzt.

auf Erden zu dienen, bis Gott sie in die ewige Verdammniß verstieß und nun das Heiligthum den durch kiusche und triwe ausgezeichneten Auserwählten der Menschen anvertraute (s. oben §. 38.). Man begreift, wie wenig hier Wolframs Erzählung mit der Sage im Wartburgkrieg, nach welcher der Stein des Grals aus Lucifers Krone gesprungen und zur Erde gekommen, wie sie §. 37. mitgetheilt ward, vereinbar ist. Flegetanis, vaterhalb Jude, mutterhalb Heide, tief in geheimer Wissenschaft eingeweiht und Astrolog, las in den Sternen verholenbaeriu tougen (tiefverborgnes Geheimniß), las den Namen des Grals, daß Engel ihn auf Erden getauftem Volk hätten zurücklassen müssen (P. 454, 17, 24; 471, 5; 798, 11); er schrieb in heidnischer Sprache und Kyot fand die Schrift zu Toledo in einem entlegenen Winkel. Ohne Zauberkunst konnte er die Schrift des Flegetanis (möge sie ebräisch oder arabisch gewesen sein) lesen; was indeß dieser nicht vermochte, das durfte Kyot, kraft der ihm zu Theil gewordnen christlichen Taufe gelingen, das eigentliche Geheimniß des Grals in der Chronik von Anjou zu ergründen und dessen Verständniß mit der Geschichte seiner Hüter uns weiter zu verkündigen. *) Es muß dahin gestellt bleiben, ob diese Erzählung vom heidnischen Manuscript in der Chronik von Anjou factisch richtig oder fingirt ist; die Bemerkung aber, daß dem Flegetanis das eigentliche Verständniß über den Gral abging, er nur ganz Allgemeines darüber erkunden konnte, und nur mit Scheu, schüchtern (blûweclîche) darüber niederschrieb, was er in den Sternen gelesen (P. 454.) und andrer Seits, daß nur die Taufe das ganze Verständniß desselben zu erschließen vermag: deutet uns an, daß der fisîôn Flegetânîs und seine heidnische Schrift hier in der Dichtung analog dieselbe Stelle einnimmt, wie in der christlichen Kirchengeschichte die heiligen Schriften des alten Bundes und der Propheten, welche den Heiland gleichfalls vorher verkündigten und auf ihn hinwiesen, ohne daß sie jedoch das Geheimniß und Heil des neuen Bundes näher zu begründen vermochten und die ohne die Taufe Christi nicht völlig verstanden werden konnten, vielmehr durch des Heilands Erscheinung erst ihre Bestätigung und fortwirkende Bedeutung erhielten. Die specifisch christliche Natur des Grals zeigt sich wie bei Flegetanis, auch bei Feirefiß und jedem Heiden, daß ihm überhaupt der Anblick des Grals ver

*) P. 453, 18: ez half, daz im der kein heidensch list möht uns gefrumn ze künden umbes grâles art: anders waer diz maer noch unvernumn. wie man sîner tougen innen wart.

touf was bî,

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