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Die Absperrungsbestrebung und die Hemmnisse geistiger Freientwicklung im vormärzlichen Österreich schufen Ludwig Börnes gehässig übertreibendes, radikalliberales Schlagwort von Österreich, dem europäischen China, 18) politische Gegnerschaft Österreichs münzte das Wort aus Schillers Wallenstein Dank vom Hause Österreich in einem Sinne aus, der dem Dichter selbst ferne gelegen hatte, und wie Fortschritt und Reform dem „österreichischen Stabilitätssystem", der österreichischen Reaktion" feindlich entgegengestellt wurden, so meinte der ständischliberale Andrian-Werburg in seinem „Österreich und dessen Zukunft“, Österreich als rein imaginären Namen bezeichnen zu dürfen, eine „konventionelle Bezeichnung für einen Komplex von unter sich scharf abgesonderten Nationalitäten", denen ein gemeinsames österreichisches Staatsbewußtsein fehle. Dem liberalen und nationalen Oppositionsgeist gesellte sich der halb unbewußte, gährende Auflehnungstrieb des vierten, hinter dem Mittelstand stehenden Standes. Als die Stürme des, tollen Jahres 1848 Österreich zu zerreißen und zu vernichten drohten, sah Grillparzers altösterreichischer Sinn in Radetzkys Heer die einzige Rettung des bedrohten Vaterlandes: „In deinem Lager ist Österreich".

Aber es gab doch außer der Armee und der Dynastie noch geistige Kräfte, die nach dem Ende Altösterreichs dem Staat die Zukunft in geänderter Lebensform bescherten. Das irrationale Moment der Gefühlsverbundenheit mit dem Staat, den die Vorväter gebaut und erhalten hatten und der den Lebenden trotz allem eine bergende Heimstätte war, erhob ein anderes Wort aus Schillers, Wallenstein" zu einem Lieblingszitat des Patriotismus: „Der Österreicher hat ein Vaterland und liebts und hat auch Ursach es zu lieben". Und gerade von jener nationalen Seite, die das bisherige deutsche Gepräge des alten Staates auf das bitterste bekämpfte, gerade von slawischnationaler Seite ist im Todesjahr Altösterreichs ein neuer Gedanke vertreten worden, der Österreichs Lebensrecht mit aller Schärfe betont.

Es handelt sich um Franz Palackys berühmten Satz: „Wahrlich, existierte der österreichische Kaiserstaat nicht schon längst, man müßte im Interesse Europas, im Interesse der Humanität selbst sich beeilen, ihn zu schaffen". Wir wollen ein wenig länger bei diesem Ausspruch verweilen. Er ist in dem Schreiben zu lesen, das Palacky am 11. April 1848 an den Fünfzigerausschuß zu Frankfurt am Main zu Handen des Präsidenten Soiron

18) Ludwig Börnes gesammelte Schriften, hgg. v. A. Klaar I. 46.

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gerichtet hat. Der nationale Historiker hat diesen Absagebrief, in dem er die Mitarbeit an der Vorbereitung eines deutschen Parlaments ablehnt, 1860 als Beilage zu seinem Buch „Österreichs Staatsidee" veröffentlicht. 19) Frei von aller Feindseligkeit gegen das deutsche Volk, voll Achtung vor dem deutschen Einheitsstreben und Nationalgefühl erklärt er, als Böhme slawischen Stammes, der sich ganz und für immer dem Dienst seines eigenen Volkes gewidmet habe, und als grundsätzlicher Gegner jeder Schwächung oder Vernichtung des selbständigen Staates Österreich seine Mithilfe an dem Frankfurter Werk versagen zu müssen. Denn Österreichs Erhaltung, Integrität und Kräftigung ist und muß sein eine hohe und wichtige Angelegenheit nicht meines Volkes allein, sondern ganz Europas, ja der Humanität und Zivilisation selbst". Die Interessen der Humanität und Wissenschaft stehen ihm über jenen der Nationalität. Fällt Österreich hinweg, so droht das unabsehbare und unnennbare Übel einer Universalmonarchie Rußlands, eine Kalamität ohne Ende. Keines der Völker des Südostens Europas ist für sich mächtig genug, dem übermächtigen Nachbarn im Osten in alle Zukunft erfolgreichen Widerstand zu leisten; nur wenn ein einiges und festes Band den notwendigen Völkerverein, dessen Lebensader die Donau ist, umschlingt, kann dieser Staat seinem natürlichen und geschichtlichen Beruf nachkommen, Europas Hort und Schild gegen asiatische Elemente aller Art zu werden. Seine so lange verkannte Grundlage muß die vollständige Gleichberechtigung und Gleichbeachtung der unter seinem Zepter vereinigten Nationalitäten und Konfessionen bilden, Wien als Zentrum soll Völkerfrieden, Freiheit und Recht sichern und schützen, um des Heiles von Europa willen darf Wien nicht zu einer Provinzialstadt herabsinken. Denken Sie sich Österreich in eine Menge Republiken und Republikchen aufgelöst, welch ein willkommener Grundbau zur russischen Universalmonarchie"! Das Verlangen nach einem volkstümlichen Anschluß Österreichs (und mit ihm Böhmens) an Deutschland ist eine Zumutung des Selbstmordes; viel eher wäre der Beitritt Deutschlands zu Österreich gerechtfertigt, in der Tat ist nur ein ewiges Schutz- und Trutzbündnis zweier selbständiger Staaten Österreich und Deutschland möglich.

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Als Slawe an Leib und Seele" hat Palacky in diesem Sendschreiben dem tschechischen Machtgedanken verschleierten Ausdruck gegeben. Der Front gegen die russische Universalmonarchie entspricht die weniger klar ersichtliche Front des Tschechentums gegen das Deutschtum. Das Bekenntnis zu Österreichs Unentbehrlichkeit im Interesse Europas und der Humanität war gewiß nicht geheuchelt, aber 19) Prag 1866, S. 79 ff.

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der erste Beweggrund war doch wohl die Überzeugung, daß nur im Rahmen der Monarchie das Slawentum eine freie Entwicklung nehmen könne, und die Sehnsucht, auf dem Wege der vollständigen Gleichberechtigung und Gleichbeachtung" die Vorherrschaft der Slawen im Kaiserreich herbeizuführen. Das staatsrechtliche Prinzip, die Lehre, daß Böhmen niemals ein Bestandteil des Deutschen Reiches und Deutschen Bundes war, wird, wie sehr zutreffend bemerkt wurde, in dieser pro foro externo bestimmten Erklärung nicht als Ziel, sondern nur als Verteidigungmittel behandelt.20) Der Austroslawismus, zu dessen bedeutendsten Dokumenten dieses Schreiben gehört, wertet Österreich politisch in seinem Interesse als die große Trennungsmacht zwischen russischer und deutscher Universalmonarchie" und als den Staat des künftigen slawischen Übergewichtes, dessen kräftigste Verteidigung gegen den Westen das vorgeschobene Tschechentum zu führen hat.

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Der Ausdruck Universalmonarchie" weist schon ganz klar darauf hin, daß Palacky ein Schüler der alten Gleichgewichtslehre war, die einstens im Kampf gegen die habsburgische und dann gegen die französische Universalmonarchie" voll ausgebildet worden war und die der tschechische Historiker und Patriot zugunsten Österreichs und seines eigenen Volkes gegen Russentum und Germanentum wendet. Das geistige Erdreich, in dem er wurzelt, ist ebenso aus seiner Argumentation mit dem Humanitätsideal Herders, des großen Erweckers slavischen Nationalbewußtseins, zu erkennen; mit jenem Ideal, das schon Kollar ergriffen und mit slawischem Nationalismus zu vereinen verstanden hatte. Das achtzehnte Jahrhundert, die deutsche Aufklärungsphilosophie, hat gemeinsam mit der Gleichgewichtstheorie bei Palackys geflügeltem Wort Pate gestanden. 21)

Die Ideen des Austroslawismus treten schon vor Palackys Sendschreiben auf. Ende 1842 erschien in Leipzig eine anonyme Schrift „Slawen, Russen, Germanen, lhre gegenseitigen Verhältnisse in der Gegenwart und Zukunft".22) Sie wendet sich gegen die Fabel von einer

20) Boemus, Die Entwicklung des tschechischen staatsrechtlichen Programms im Jahre 1848, in der Zeitschrift „Österreich“ I. (1918/19), S. 429. Derselbe, Der tschechische Panslawismus im Jahre 1848, ebenda, S. 515 u. 521; ferner J. Pfitzner, a. a. O. S. 373 ff.

21) Vgl. auch M. Murko, Deutsche Einflüsse auf die Anfänge der böhmischen Romantik. Graz 1897, S. 118. Zd. V. Tobolka, Das böhmische Volk, Prag 1916, S. 64, 68 u. ö.; derselbe in den Süddeutschen Monatsheften, Mai 1917, S. 284 f. über Hegels Einwirkung auf Palacky.

22) Bei Wilhelm Engelmann. Österreichische Berichte aus Leipzig vom 15. Dezember 1842 und 3. Januar 1843 nennen den russischen Agenten Kuhninge als Verfasser (Vgl. Glossy, Literar. Geheimberichte aus dem Vormärz, Jahrbuch der

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slawischen Universalmonarchie, sie will nur von einem literarischen Panslavismus der Westslawen, nicht von einer Hinneigung zu einem politischen, östlichen, russischen wissen. Den slawischen Völkerschaften liegt vor allem daran, ihre nationale Existenz rein zu erhalten, und sollten sie da wohl hoffen können, daß in Rußland ihre Wünsche befriedigt werden, in Rußland, welches als Staatsgrundsatz aufstellt die Einheit der Nation, mithin Unterdrückung und Vernichtung jeder nichtrussischen Indvidiualität? Den Slawen liegt daran, in geistiger Kultur, in freier Entwicklung sich heranzubilden zu einem europäischen Volke, zur Humanität, zur Intelligenz. Sollte da Rußland der Staat sein, nach welchem man mit besonderer Sehnsucht hinblickte? Wir zweifeln. Ganz anders dagegen ist es mit Österreich. Österreich ist kein deutscher Staat, die Slawen sind die Hauptnation des Staates, denn nahe die Hälfte der Gesamtbevölkerung gehört ihnen an. Darum wenden wir uns mit vertrauensvollem Herzen an die österreichische Regierung und flüchten uns unter ihren Schutz". Nur Österreich, meint dieser frühe Vertreter des Austroslawismus, kann uns bewahren vor dem Untergang, der uns von Osten droht. Unsere Bildung, unsere Sprache, unsere Nationalität, unser Glaube steht in Gefahr und nur Österreich allein kann uns retten, was uns das Größte, das Erhabenste, das Heiligste ist". Österreich wird seine treuen Slawen nicht im Stich lassen. Gebe Gott, daß Österreich unter den Rädern des Wagens des Zeitgeistes nicht zermalmt werde, sondern den Kommenden wohl vorbereitet als ersehnten Gast empfange und freundschaftlich in sein Haus ihn aufnehme". Es soll nicht gesagt sein, daß sich Palacky im Gedankengang des Sendschreibens unmittelbar an diese Flugschrift angelehnt hat, aber der Gleichklang ist erwiesen und es ist dargetan, daß nicht erst „Havliček und Palacky in den Jahren 1843 bis 1846 die Reaktion gegen den Panrussismus hervorgerufen haben«.28)

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Doch hiemit ist wohl der ideengeschichtliche, nicht aber der wortgeschichtliche Ursprung des berühmten Ausspruches Palackys einigermaßen aufgeklärt. Die Frage ist noch nicht gelöst, ob seine Formel für Österreichs Unentbehrlichkeit von ihm geschaffen oder einem älteren Muster Grillparzer Gesellschaft, 21. Bd. S. 89, 22. Bd. S. 360, 23. Bd. S. 9). Holzmann und Bohatta, Deutsches Anonymenlexikon IV. 91 vermuten nach Bibliographia Hungarica 1717 bis 1860 hgg. v. G. Petrik, II. 861, in dem Autor einen gewissen Nemeth. Über das historisch-staatsrechtliche und das Unterrichtsprogramm des Buches vgl. auch Jan Heidler, Čechy a Rakouska v politickych brožurách předbřeznovych (Böhmen und Österreich in den politischen Broschüren des Vormärz) in: Novočeska biblioteka 34., Bd., 1920, S. 117 und S. 152 (freundlicher Hinweis von Prof. Wilhelm Wostry in Prag).

28) Boemus a. a. O. S. 512.

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nachgebildet worden ist. Sie ist so wenig original wie der Gedanken-
inhalt. Einen Fingerzeig gewährt die Tatsache, daß eine ähnliche
Formel für Österreichs Bedeutung auch von ganz anderen politischen
Faktoren, gewiß unabhängig von Palacky, geprägt worden ist. „Jel-
lačić“, so lesen wir in den Aufzeichnungen des sächsischen Diplomaten
Grafen Vitzthum von Eckstädt, traf einmal wieder den Nagel auf
den Kopf, als er Voltaires Si le bon Dieu n'existait pas, il faudrait
l'inventer parodierend, am 28. Oktober (1848) den Wienern, welche
den siegreichen Feldherrn in der Goldenen Birn" jubelnd begrüßten,
die zukunftsschweren Worte zurief: Vor allem bleiben wir Österreicher!
Wenn es kein Österreich gäbe, wahrlich, jetzt müßten wir's schaffen ".24)
Neben dem austroslawischen Preiswort des Tschechen Palacky steht also
das nahezu gleich lautende Wort des kroatischen Patrioten und be-
geisterten Großösterreichers, des Generals, dessen Ideal ein starkes ein-
heitliches Altösterreich war. Und wie Palacky die slawischen mit den
europäischen Werten Österreichs vereinte und verbrämte, während für
Jellačić Österreich allein beherrschendes Moment ist, so wurde auch
von deutschgesinnten Männern das Schlagwort in einer dritten Aus-
prägung für die europäische und deutsche Notwendigkeit des Bestehens
Österreichs verwendet: Gäbe es nicht zum Heile für Europa und ins-
besondere für Deutschland ein österreichisches Kaisertum, man müßte
es in jedem Augenblick neu schaffen".
16.25)

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Diese Unentbehrlichkeit Österreichs für Deutschland hat schon der vormärzliche Liberalismus in seinem starken Drang nach der Südostausdehnung deutscher Kultur und deutscher Wirtschaftsgeltung oft betont. Und als in der Frankfurter Paulskirche die erste gesamtdeutsche Volksvertretung die künftige Lebensform der deutschen Nation in Einheit und Stärke zu schaffen dachte und nationalstaatliche und mitteleuropäische Idee miteinander rangen, da führten besonders deutsche Abgeordnete aus Osterreich die unermeßliche Bedeutung des Kaiserstaats für die deutschen Weltinteressen den kleindeutschen Gegnern vor Augen. Da verwies am 21. Oktober 1848 Fritsch aus Ried auf das Wort eines Staatmannes: wenn Österreich nicht bestünde, müßte man es schaffen, damit es der Vermittler der Bildung und Kultur nach Osten sei und das Gleichgewicht Europas aufrecht halte. 26) Da glaubte ein anderer Beidtel aus Brünn die sechs Millionen österreichischer

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24) Berlin und Wien 1845 bis 1852, Stuttgart 1886, S. 188.

26) Vgl. A. Springer, Geschichte Österreichs seit dem Wiener Frieden I. 1. 26) Stenograph. Bericht über die Verhandlungen der konstit. deutschen Nationalversammlung hgg. v. Wigard IV. 2274.

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