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v. 1—2, 3—5), im Charlemagne (v. 226–228) und selbst in dem historischen Gedichte des Jordan Fantosme sind sie üblich. Spätere Dichter suchten sie von mehr verhältnismäßiger Långe einzurichten oder führten sie selbst, wie der Verfasser der Parise, fast durch das ganze Werk. Ob man die eingestreuten kurzen Tiraden als ein Merkmal höhern Alters betrachten dürfe, lasse ich dahingestellt.

Wir werfen noch einen Blick auf die fernere Geschichte der Tirade. Nach Einführung des weiblichen Reimes war der Wechsel zwischen diesem und dem männlichen überall willkürlich, bald aber strebten einzelne Dichter nach regelmäßiger Abwechslung. Adam de la Halle hat dies in einem historischen Gedichte auf das strengste durchgeführt (Ruteb. I. 428) und Adenez beobachtet in dem Roman Bertha das besondere Geseß, daß der weibliche Reim aus der Form des männlichen hervorgehen muß (männlich i, weiblich ie und so er ere, is ise, ai aie, ent ente u. dgl.). Daß diese Ländeleien den alten Epopöen fremd sind, versteht sich.

Wichtiger für das Kunstwesen ist ein andrer wohlbekannter, dem Boethius aber noch fremder Zug. Manche epische Werke sowohl in zehn- wie in zwölfsylbigen Versen schließen jede Tirade mit einer reimlosen sechssylbigen Zeile, die, wie Raynouard bemerkt (Journal des Sav. 1833 p. 390, vgl. Uhland über das franz. Epos p. 85), die Zuhörer benachrichtigen sollte, daß eine neue Tirade anfange. Dieser Schluß war also recht eigentlich für den Vortrag durch die Spielleute berechnet, aber augenscheinlich eine spåtere Erfindung; das Rolandslied braucht statt dessen einen eigenthümlichen Ausruf aoi, den man mit der kirchlichen Poesie in Verbindung bringt (s. Wolfs mehr erwähntes Werk p. 189 und Méril, poés. pop. p. 173). Auch historische Gedichte, z. B. der Albigenserkrieg, der ausdrücklich auf musicalischen Vortrag Anspruch macht, haben solche Schlußzeilen angenommen und selbst didactische, wie Izarns Bekehrung des Kezers, suchen sich vermittelst dieser Form unter die vielgesungenen Epopöen zu mischen. Den epischen Gesang nachahmend schuf auch die lyrische Poesie einreimige Strophen von zehnsylbigen Versen mit sechssylbiger Schlußzeile, die hier

als Refrån auftritt. Diese Form hat König Richards bekanntes Lied

Ja nuls hom pres non dira sa razon,

worin jede Strophe aus fünf Versen besteht mit dem Schlusse: soi sai dos yvers pres.

Hilarius, Abålards Schüler (vor der Mitte des 12. Jahrh.) bildete, wenn ich nicht irre, den zehnsylbigen romanischen Vers in lateinischer Sprache nach, ohne Beachtung der Quantitåt d. h. mit Beobachtung des Accentes nach der üblichen Aussprache und fast durchaus mit richtiger Cåsur hinter der vierten Sylbe. Vier Verse gestalten sich hier zu einer (einreimigen) Strophe, die mit sechssylbigem Refrån in französischer Sprache schließt, z. B. (Abael. opp. p. 243. 244; Hilarii versus et ludi p. 14-16):

Lingua serví | lingua perfidiae,
rixae motús semen discordiae,
quam sit pravá | sentimus hodie,
subjacendó gravi sententiae,

tort a vers nos li mestre.

Ein ähnliches Gedicht gleichfalls mit genauer Wahrnehmung der Cåsur hat F. Wolf bekannt gemacht (Über die Lais p. 433).

Zehn- und zwölffylbige Verse wurden in epischen Gedichten, wie vorhin angemerkt ward, immer zu Tiraden verbunden; erst in spåtern Umarbeitungen, wie in der französischen des Gerard von Roussillon, reimte man paarweise. Dasselbe war früher schon in Legenden geschehen, z. B. in den provenzalischen vom heil. Trophimus und vom heil. Honoratus, desglei chen in Merlins Weissagungen. Das Aleriuslied so wie das Leben des heil. Thomas von Canterbury wählten fünfzeilige Strophen auf denselben Reim. Weit üblicher war die vierzeilige einreimige Strophe vorzüglich für geistliche und moralische Gegenstände, gewöhnlich aus zwölfsylbigen, selten aus zehnsylbigen Versen gebaut (letteres in einer Legende vom heil. Eustachius, s. Journ. d. Sav. 1833 p. 393 und Ger. de Nev. p. LXII, desgleichen in der Vie du monde s. I. c. p. LX). Seit lange hatte die mittellateinische Poesie solche vierzeilige Strophen mit Vorliebe gebraucht und die verschiedensten Vers

arten darin zusammengereimt; kein Wunder, wenn spanische Cleriker des 13. und 14. Jahrh. sie für jede Art der Erzählung geeignet fanden. Eben so weit wie durch eine bestimmte Reimzahl entfernte sich der französische oder provenzalische Dichter von der altromanischen Einrichtung, wenn er denselben Reim durch ein ganzes Gedicht von größerm Umfange führte. Diese Form steht mit dem musicalischen Vortrag natürlich in keinem Zusammenhange; man wählte sie in didactischen Werken um dem Gedächtnisse zu Hülfe zu kommen. Das wiss senschaftliche Lehrgedicht Peires von Corbiac besteht aus 840 zwölffylbigen Versen, alle auf denselben Reim enz (Galvani p. 321-336).

Nach diesen Erörterungen über Vers, Reim und Tirade in unserm Denkmal wenden wir uns nochmals zu ersterem, um seine weitern Schicksale in der romanischen Litteratur zu verfolgen. Sie sind mannigfaltig genug, wiewohl sie sich einzig und allein an die Cåsur knüpfen.

Schon auf epischem Gebiete läßt sich ein Beispiel bedeu tender Abweichung von der üblichen Einrichtung entdecken, woraus denn folgt, daß mehr als eine Sangweise auf jenen Vers angewandt wurde. Im Girart von Roussillon, einem auch durch Styl und Sprachform merkwürdigen ja einzigen Gedichte, befindet sich die Cåsur, die auch hier månnlich oder weiblich sein kaun, hinter der sechsten Sylbe; den Hauptaccent der vierten zuzuweisen, würde hier nnd da nur zufällig gelingen. In den von Raynouard bekannt gemachten bedeutenden Bruchstücken kommen nicht wenige überladene oder unvollståndige Verse vor, allein das Princip wird nur sehr selten vers Letzt. Zur Probe eine Stelle (p. 177):

*

*) Dies geschieht, abgesehen von ganz unrhythmischen Zeilen, nur vier: mal: Pons e Richartz e Coines e Otis p. 192 que anc non aguem a paren cavalier p. 201 est sacramens fo aitant atendutz p. 207 la reina pres Girart per lo col p. 215.

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Don, cavalgua a bando e nos aculh,
e quer onor e terra e dona e tulh,
not guerisca tesaurs | tors ni capdulh.
vos mi donatz coselh | tal cum ieu vulh.
no n'i a un tan paubre | s'am mi s'aculh,
no'lh done quan volra | de cor ni dulh.'
I
Entro a Rosilho | no tenc sa regna,

e fan lor cavals corre per la varena.

Säße pflegen auch hier mit dem zweiten Hemistich zu beginnen. Dieses zweite, kürzere Hemistich stimmt mit seiner scharfen Abtrennung trefflich zu dem rauhen troßigen Lone, der un verkennbar in der ganzen Dichtung sich ausspricht. Eine andre Recension, die sich mehr zur französischen Sprachform neigt (Proben s. Rapports p. 174-185) zeigt dieselbe Cåsur: dex lor mostre miracle | qui fu castiz.

flambe lor chiet del ciel | qui es enbrunitz.

So auch eine dritte, eigentlich französische (das. p. 202). Außer dem Girart von Roussillon kommt diese Modification des zehnsylbigen Verses, so viel mir bekannt ist, nur noch in dem burlesken Gedichte Audigier vor, einer spaßhaften Anwendung epischer Form und Ausdrucksweise auf einen platten zwerghaf ten Gegenstand (Fabl. et contes IV. p. 217, vgl. Uhlands altfr. Epos p. 81), weniger bemerkenswerth an und für sich als eben durch die Wahl jener Nebengattung des epischen Verses: Le vallet amenerent | sor un fumier,

ses armes li aportent | en un pannier.
haubert li ont vestu | blanc et legier,
quinze sols de marcheis costa l'autrier.

Minder einfach als in der epischen ist die Geschichte des zehnsylbigen Verses in der lyrischen Poesie. Der Grund ist in dem verschiedenen Character beider Gattungen zu suchen. Dem epischen Dichter in dem älteren Sinne des Wortes wird die Form von außen gegeben, sie ist gewissermaßen das Eigenthum der Nation und er kann nichts daran åndern ohne dem Styl zu schaden. Inhalt und Form sollen auf überlieferung ruhen und haben nur unter dieser Bedingung Anspruch auf

Urkundlichkeit, welche die Phantasie des Hörers auch im Wunderbaren und Unglaublichen verlangte. Wir haben so eben in dem Girart von Roussillon eine Ausnahme von dem Herkoms men bemerkt. Allein es ist ungewiß, ob in dem Landestheile, dem das Gedicht angehört (ohne Zweifel eine nördliche Ges gend des provenzalischen Sprachgebietes), die Epik nicht eine besondre Fårbung hatte; seine ihm ganz eigne Mundart låßt das abgeschlossene Dasein einer provinciellen Poesie, wovon es selbst eine Probe ist, vermuthen. Ist nun aber der epische Dichter, da wo eine nationale Epik blüht, in der Wahl und dem Gebrauche der Form beschränkt, so bewegt sich der lyrische, der seine Persönlichkeit, seine Neigungen und Ansichten aussprechen will, im Gegentheil mit Freiheit, die allerdings eine gewisse Gränze nicht überschreiten darf. Diese Freiheit wird sich auch in dem Gebrauche einer Versart nicht verläugnen, die schon in Ansehung ihrer Sylbenzahl mancherlei Modificationen fähig war. Ich habe zunächst die provenzalische Lyrik im Sinne, unläugbar die älteste im romanischen Europa, von welcher schon Dante sagt: vulgares eloquentes in ea (lingua provinciali) primitus poetati sunt (de vulg. eloq. 1, 10). Sie beginnt urkundlich um das Ende des 11. Jahrh. und schon damals gab es eine conventionelle Sprache wenigstens für das lyrische Gedicht, da der Graf von Poitiers, der älteste Troubadour, sich nicht seiner poitevinischen Mundart, von der man alte Proben besißt, sondern jener von allen Kunstdichtern anerkannten Sprachform bediente, lo dreg proensal genannt. Ohne Zweifel war das Liederwesen gleich nach dem Grafen von Poitiers in vollem Zuge, denn schon er kennt das Geleit und den Liederbotendienst und einer der nächsten, Cercamon, der Lehrer Marcabruns, klagt über gewisse Misbräuche seiner Kunstgenossen, wie auch leßterer sich gegen das Entstellen der Gedichte durch audre verwahrt.

Die provenzalische Lyrik beginnt nicht mit dem zehnsylbigen, sondern mit dem achtsylbigen Vers und dem männlichen Reim. Letterer ist der Reim der Volkspoesie; der weibliche, wie F. Wolf treffend bemerkt (Lais p. 171), das Product der Kunstpoesie; in ihrem ersten Auftreten also kann diese ihre

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