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Drittes Kapitel.

Im Zeichen der Gegenreformation.

m 20. Januar 1629 war die Stadt Bunzlau überrumpelt worden. Bereits am 13. Februar wurde Tscherning in die Prima des Görlitzer Gymnasiums aufgenommen, das sich seit 1565 im ehemaligen Minoritenkloster befand.1)

Rektor der Anstalt war M. Elias Küchler oder Cüchler, ein gekrönter Dichter und Notarius publicus (geb. 1568). Er war früher auch der Lehrer Martin Opitzens gewesen, der in seinem Hause den Winter 1618/19 verbracht hatte. Küchlers Verdienst war es nicht zuletzt, den jungen Opitz auf die griechische Anthologie hingewiesen zu haben. Zu diesem Manne trat Tscherning in nahe Beziehungen und wohnte wohl auch bei ihm. Sein Leben lang hatte er diesem Lehrer aufrichtige Verehrung bewahrt. Vielleicht hat er ihm die genauere Kenntnis der griechischen Sprache zu verdanken.2)

Als Lehrer fungierten ferner an der Anstalt Martin Moller, M. Johannes Ludovici, Gregorius Schneider, Paul Gerhard, Johannes Major und Friedrich Rhenisch. Im Unterricht des Lateinischen zielte man darauf hin, in den gelesenen Autoren die geeigneten Muster zu eigener schriftstellerischer, oratorischer und dichterischer Tätigkeit ausfindig zu machen; davon ging man bei der Wahl der Lektüre aus. Im Griechischen begnügte man sich mit der Lektüre solcher Schriften, die den Charakter bilden konnten.)

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Das wenige, was wir über Tschernings Aufenthalt in Görlitz wissen, ergibt sich aus seiner Selbstbiographie.*) Darin finden wir außer den Beziehungen zu Küchler, nur noch den Umstand erwähnt, daß dem Jüngling ein Ratsmann Franciscus Beverus den Unterricht seiner Kinder anvertraute.')

Tschernings Besuch der einst so berühmten Görlitzer Schule fiel in eine Zeit unaufhaltsamen Niederganges der Anstalt. Die Schülerzahl war in den letzten Jahren erheblich gesunken, besonders seitdem das Gymnasium in Beuthen geschaffen worden war, das auch Martin Opitz besucht hatte. Nun waren die Kriegsnöte hinzugekommen. Die Schule wurde immer leerer; die Schuld daran wurde auf Küchler geschoben. 1632, als die Schule wegen der Pest geschlossen werden mußte, hatte sie nur noch 24 Schüler. Bald darauf, am 10. Oktober 1632, erlag auch Küchler der verheerenden Krankheit.

Diese trüben Zustände mögen Tschernings Eltern dazu bestimmt haben, ihren Sohn zurückzuberufen. Wann dies geschehen ist, ließ sich nicht ermitteln. Wahrscheinlich erfolgte es noch im Jahre 1630. Mit einem Zeugnis über seine Führung und seine Leistungen, wie es an der Görlitzer Schule üblich war, konnte Tscherning die Anstalt verlassen, vielleicht auch mit Empfehlungsschreiben von Professoren

versehen.

Währenddessen hatte in Bunzlau die Gegenreformation ungehindert ihren Fortgang genommen. Bereits im März 1629 war die Bedrückung derartig, daß Martin Opitz für seinen Vater zu fürchten begann und für ihn beim Grafen Dohna Fürbitte einlegte.") Man hatte sich schließlich dazu bequemt, einen katholischen Pfarrer in Bunzlau anzunehmen. Im Frühjahr 1630 wurde endlich durch den Landeshauptmann der bisherige Rat, in dem Johann III. und Andreas II. Tscherning saßen, abgesetzt und katholische Leute an ihre Stelle gewählt. Johann III. Tscherning schreibt hierzu in seiner Selbstbiographie: „In einer ansehnlichen Stadt hat man die Ratsherren, welche verständige und weise Leute gewesen, ab und andere ins Ambt gesetzet, welche sich gar wenig aufs Regiment verstünden, außer einer so Bürgermeister ward. Dieser als er den ungleichen Wechsel vermerket, hat er über seine Tür auf der Gaßen einen schönen Baum malen, darauf Esel geseßen, darunter aber schöne Vogel, und diesen Reim darbey schreiben laßen:

„Ist das nicht Wunder über Wunder,
Esel aufm Baum und Vogel drunder."

Neue Bedrückungen durch Soldaten begannen. Auch die Schule erhielt wieder eine andere Besetzung. Zum Schulrektor wurde ein früherer Naumburgischer Zolleinnehmer ernannt. Aber niemand wollte seine Kinder in die Schule schicken. Man hatte anfangs nur acht arme Spittelkinder zu unterrichten. Nach dem ersten Überfall waren zwar die Soldaten abgezogen. Dadurch wurde aber die Bewegung nicht aufgehalten. Denn bereits am 13. September wurden die neuen protestantischen Schöppen abgesetzt. Den Protestanten wurde verboten, zu backen, zu schlachten, zu brauen; Erbschaften und Legate sollten nur dann gültig sein, wenn der Erblasser katholisch kommuniziert und seine Kinder in die katholische Schule geschickt hatte. Auswanderung wurde nur dann gestattet, wenn der Betreffende sich verpflichtete, 10% seines Vermögens abzugeben, sowie seine Kinder zurückzulassen.

Diese Bedrückungen scheinen besonders tief in das Herz des Jünglings gedrungen zu sein. Noch vier Jahre später klingen sie in einem Gedichte an David Rhenisch nach:7)

„Wann ich auff jene Zeiten /

das Feindes Vbermuth vnd strenge grausamkeiten zurück gedenken wil / was ich nur angeschawt so werd' ich ganz bestürzt, mir schüttert Haar vnd Haut. Der Freyheit wurden Band vnd Ketten angeleget / so sich von dieser last ein wenig kaum noch reget / Der weg zum Tempel stund mit Waffen gantz verhüllt / mit Ruthen außgefegt / mit Menschentand' erfüllt / Durch vngehirntes Volck. Wo vor der zarten Jugend so rühmlich ward gezeugt die Straffe zu der Tugend / Da stund ein wildes Pferd, der Lehrer ward verjagt / Der Ratsherr abgedankt / der Bürgersmann geplagt mit trutzen vnd Gewalt. Die solten nachmals Väter Deß Vaterlandes sein / so bei dem rawen Wetter / vnd sonder einen zwang / wo falscher Wind geweht / vmb hoheit vnd gewinn den Mantel hingedreht / Da kann man recht vnd wol gewüntschtes Leben führen / wo weise Leute sind die eine Stadt regieren.

O freylich! solte der beherrschen eine Stadt /
der über seine Fraw das Regiment nicht hat?
Sol der wol ander Volck zu einer Lehre zwingen /
der selber keinen Grund deß Glaubens vor kan bringen /
deß Glaubens den er führt? Er schreyet etwas an /
Das weder Ihm vor sich / noch andern helffen kan.
Heist dieses seinen Gott von gantzem Hertzen lieben /
den Nechsten als sich selbst? Ja wol / es heist betrüben.
Was mit gewalt geschieht macht keinen Christen nicht.
Ein Bogen / der zu sehr gespannt ist / der zerbricht.
Zu falschem Gottesdienst der Menschen Seelen treiben
heißt gut Gigantisch sein. Laß einen jeden bleiben.
Vnd sagt er was auß Noth / das Hertz ist weit davon.
Fromm von sich selber sein das heist Religion.

Aus diesen Versen spricht eine tolerante Auffassung heraus, wie sie in jenen Zeiten selten war, und aus diesen Worten, die aus tiefstem Herzen kommen, zeigt sich uns der Jammer des dreißigjährigen Krieges kräftiger ausgedrückt, als ihn andere Dichter jener Zeit wiedergeben. Tscherning fährt dann fort3):

„Ich sprach / ist Buntzlau dann der gantze kreis der erden?
Wil Gott nur hier allein / sonst nicht gefunden werden?
Ist nicht noch raum genug / so weit von Osten West /
So weit der sonnen gold die strahlen fallen lässt?
Muß einer haus und hof gleich mit dem Rücken sehen /
Es ist ein schöner hohn umb Gott sich lassen schmähen.
Es schäme sich / wer blos umb grober Ubelthat /
Verrätherey und gifft / muß meiden eine Stadt."

Das war auch Tschernings eigenes Schicksal. Unter den gegebenen Bedingungen konnte er nicht in Bunzlau bleiben. Eine Existenzmöglichkeit gab es nicht für ihn. Nach Absolvierung des Görlitzer Gymnasiums hätte er eine Universität beziehen sollen, aber die Eltern hatten wohl nicht das nötige Geld dazu. So sandten sie ihren Sohn nach kurzem Aufenthalt in Bunzlau nach Breslau.) Entscheidend für die Wahl dieses Ortes mag gewesen sein, daß Martin Opitz in seiner einflußreichen Stellung dem Verwandten einen Halt bieten konnte. Zu diesem Entschlusse mögen aber auch Empfehlungsschreiben an Breslauer Professoren beigetragen haben. Am Görlitzer Gymnasium hatte Friedrich Rhenisch unterrichtet, der wahrscheinlich ein Verwandter des Breslauer Professors David Rhenisch war. So mag unser Andreas an jenen empfohlen worden sein. Ebenso befand sich ein Johannes Major als Lehrer in Görlitz, ein Namensverwandter des Breslauer Rektors Elias Major.

Im Jahre 1632 besserten sich übrigens die Verhältnisse für die Protestanten in Bunzlau, da die Sachsen als Verbündete Gustav Adolfs der bedrängten Bevölkerung Luft machten. Ein protestantischer Rat wurde wieder eingesetzt, dem auch wieder Andreas II. Tscherning als neuverordneter Stadtvogt angehörte. Auch Johann III. von Tscherning wurde zur Rückkehr eingeladen, konnte jedoch erst später dem Rufe Folge leisten. Aber noch schwere Zeiten standen dem freundlichen Städtchen am Bober bevor..

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