vermischen." Viel präziser äußert er sich in dem schon genannten Briefe an Venator, wo es nach der oben zitierten Stelle weiter heißt: „Et quoddam quasi Atticum apud Graecos genus, quod Lutheranum vocitare per me potes, hoc nisi sequaris, erres necesse est. Et ad Cancellarias, quas nominant, provoco, scriptionis nostrae, si Gallicae Italicaeque aut Latinae etiam nugae omittantur, magistras." Eine Sonderstellung nimmt auch hier wieder Gueinz ein. Er betont wieder die Sprachentwicklung (S. 4): „Wie man aber in allen sprachen nicht so sehr / auf was für art man vor tausent Jahren / sondern wie man | zu der Zeit geredet / da sie / die sprachen am höchsten gekommen zu seyn scheinen / acht zu haben: Also hat man bis anhero in der Meinung gelebet / daß die deutsche sprache von Luthere rein geredet / fast wolgeschrieben / und das sie in Reichs Abschieden am besten in acht genommen worden. Man mus gewis einen Zweck haben / oder zum wenigsten einen Satz machen / darnach man sich / wie auch in allen andern / richten sol und kan. Und weil die andern sprachen / wie der Horatius erinnert / sich nach dem gebrauche endern / wie solte solches der deutschen benommen seyn? Derowegen dieses zu setzen / und also eine gewisse Richtschnur zumachen: Was bis anhero bei den Deutschen gelobet und vernünftig beliebet worden / das sol man behalten." Also so unbedingt, wie die anderen ist Gueinz von der Autorität Luthers und der Reichstagsabschiede nicht überzeugt. Sein Gegner Schottel dagegen legt auf die Reichsabschiede größtes Gewicht: „Die Cantzleyen seynd die rechte Schulen / darinn die deutsche Sprache / so viel das Civil Wesen betrifft / ausgeübet / und auffs zierlichste oftmahls ausgeschmücket werden / wäre hoch zu wüntschen / daß auch in andern Künsten und Wissenschaften ein gleiches dieser Haupt Sprache wiederfahren möchte." Schottel war nun selbst nach dieser Richtung hin tätig, aber der Weg, den er dazu einschlug, führt zum Ketzertum. In seinem Entwurf zu einem Wörterbuch forderte er, ähnlich wie Harsdörffer, die Aufnahme von Ausdrücken aus Gewerken und Handwerken.27) Da nun einzelne Erwerbszweige auf bestimmte Landschaften beschränkt sind, so kommt seine Forderung dem Wunsche nach Aufnahme von mundartlichen Ausdrücken gleich, was unserem Freund Tscherning gänzlich fern liegt. - Enoch Hanmann weiß zu den bisher mitgeteilten Äußerungen kaum eine neue Variation zu prägen. (Vergl. Hanmann, 1690, S. 129.) Dagegen bietet Harsdörffers Forderung etwas Neues. Er verlangt die oberdeutsche Mundart, von ihren Schlacken gereinigt, als Grundlage. Sie sei zu lernen aus dem „deutschen Cicero" Luther, Aventin, Goldast, Lehmann, Hortleder und den Reichsabschieden, „wo die Reinheit der Sprache wieder zu finden wäre, wenn sie auch aller Orten verloren ginge."28) Ob unter Zugrundelegung aller dieser Schriftsteller wirklich ein fertiges Bild möglich wäre, dürfen wir wohl bezweifeln. So zeigt die Harsdörfferische Meinung wiederum deutlich, daß die Lehrsätze in der Theorie recht nett aussehen, daß sie aber schwerlich in die Praxis umzusetzen wären. Und das gilt auch von Tschernings Satze, zumal der Einblick, den er wenige Seiten später in seine eigene Praxis gibt, deutlich die Unmöglichkeit anzeigt. Jedoch nur durch Heranziehung der Ansichten der anderen Autoren des 17. Jahrhunderts war es möglich, Tscherning in seine Zeit einzustellen. Anmerkung 2. Alte und „verlegene" Worte sind zu vermeiden. Auch über diesen Punkt wurde in den Poetiken des 17. Jahrhunderts viel gestritten. Harsdörffer trat lebhaft für die Erhaltung der alten Worte ein, und noch Klay deckte seinen Bedarf an neuen Worten, die die Stelle der Fremdwörter ersetzen sollten, aus der älteren Literatur. 29) Darüber war aber schon Harsdörffer mit Gueinz in Streit geraten, der es als Armutszeugnis ansah, wenn wir nicht soviel „Zierlichkeit" besäßen, um neue Worte für unsere Bedürfnisse zu schaffen.30) Tscherning stellt sich nun auf Gueinz' Seite und führt sogleich ein praktisches Beispiel an: werlet für welt. Die Belege für das Vorkommen des alten Wortes stammen sämtlich mit Ausnahme des letzten aus Opitzens Noten zum Annolied (S. 368). Der „Winsbecke", den Tscherning am Schluß zitiert, war ihm wohl selbst bekannt durch den Abdruck in der von ihm auch sonst benutzten Paraeneticorum veterum Pars I von Goldast. Anmerkung 3. Volkstümliche Ausdrücke sind zu vermeiden. „Derer wörter / so nur bei den bauren und gemeinen Pöfel im brauche / zumal in einem wichtigen wercke / da nicht etwan bauren oder sonst ihres gleichen eingeführet werden / sol ein Poet sich nicht gebrauchen." Interessant ist hieran die Einschränkung, wonach die Volkssprache als Charakterisierungsmittel zugelassen wird. Anmerkung 4. Dialektwörter sind zu vermeiden. Eigentlich ist die Regel nur negativ aufgestellt. Tscherning weist nach, daß sich Opitz rheinländischer und meißner Worte bedient habe und daß in dem Kirchenliede „Komm, heilger Geist" der schweizer Ausdruck „Glast" zu finden sei. Zu alle dem bemerkt Tscherning unter Hinweis auf Buchners Poetik: „Mit solchen aber muß man behutsam umbgehen." Anmerkung 5. Alte Wörter, die aber noch bei den Gerichten üblich sind, können mit größerer Freiheit gebraucht werden. Zu diesen Wörtern rechnet Tscherning folgende Ausdrücke: Gifft und gaben, Fehde, frank und frey, Gwand und gläß (Fäll und gläß), Fron, Rügen, Rait, Raitung. 31) Anmerkung 6. Anstößige Wörter sind zu vermeiden. Hier erscheint wieder Buchner als Autorität: „Man sol sich / lehret H. Buchner in seiner Einleitung / derer wörter enthalten / die etwas bedeuten / das zwar für sich nicht unehrlich und schandbar / doch aber also beschaffen ist / darob ein reinlicher und schamhaffter Mensch einen ekel und unwillen faßen könte. Dann indem wir die wörter sezen / stellen wir dem gemühte zugleich auch für das jenige thun / weßen zeichen sie seyn." Dabei geht aber die Prüderie recht weit. „Schmieren", „Mist" sind für Tscherning anstößige Wörter, und die von ihm empfohlenen Umschreibungen zeigen eine ebensolche Engherzigkeit wie die Buchnerische Poetik. 32) Berechtigter sind seine Klagen über die Unsittlichkeit der Hochzeitsgedichte, die in der Tat meistens argen Schmutz enthalten. 88) Zu der Meinung, „Im leben keusch zu sein gebühret den Poeten Was ihren Vers betrifft / da ist es nicht von nöhten.“ bekennt sich Tscherning nicht, vielmehr ist er der Meinung, daß auch die Verse sittlich sein sollen. Anmerkung 7. Wörter mit doppeltem Sinn sind nur mit Vorsicht zu gebrauchen. Als Beispiel gibt Tscherning das Wort „gemach" an, „welches Wort zugleich ein Zimmer / und etwas anders bedeutet." Anmerkung 8. Fremdwörter sind zu vermeiden. Die Regel wird unter Berufung auf Opitzens „Aristarch" entschieden. Aber auch in der Poeterey (1690 S. 29), in Buchners Poetik, bei Schottel u. a. war dieses Prinzip der Sprachreinigung ausgesprochen. Als Gegenbeispiele werden Ambrosius Lobwasser und Fleming herangezogen. Anmerkung 9. Eingebürgerte Wörter aus dem Lateinischen sind zugelassen. Tscherning denkt dabei vor allem an Bibelwörter, wie Firmament, Engel. Der Verfasser beruft sich auf einen Brief Buchners, aber schon im „Nürnberger Trichter" ist die Regel zu finden.84) Anmerkung 10. Zuzulassen sindauch eingebürgerte Wörter aus dem Französischen, sowie Kunstaus drücke jener Sprache. Der Verfasser klagt, daß während des Krieges viele französische Wörter herübergenommen worden seien, da sie aber allgemein verstanden wurden, sollte man sie behalten. Die Verwendung der Wörter in der Dichtung wird an Beispielen von Opitz, Fleming und Rist gezeigt. Die Regel steht im schärfsten Gegensatze zu Zesen, der auch kein lateinisches, griechisches oder hebräisches Wort dulden, noch viel weniger gestatten wollte, daß aus den modernen Sprachen ein und das ander Wort so vermessentlich in unsere allervollkommenste Haupt- und Grundsprache eingeflickt werde. "85) Mit seinen gemäßigten Ansichten über diesen Punkt steht Tscherning dem Schottel am nächsten. Anmerkung 11. Über den Gebrauch des Wortes „Prinz." „Es kam einsmal ein fürnehmer Mann auf die gedanken / ob solte man das wort Prinz von Fürsten und Herren in Versen nicht gebrauchen / weil es nunmehr so gemein worden were / daß auch ein iedweder Barbirer einen Prinz sich nennen ließe; aber es ist unrecht." Also getrost, nach Tschernings und Buchners Ansicht hat das Wort noch nichts von seinem vornehmen Charakter eingebüßt. Anmerkung 12. Über die Verwendung griechischer Wörter. Hier bezieht sich Tscherning lediglich auf die Poetiken von Opitz und Buchner, zu denen er nur als Beispiel ein unbekanntes lateinisches Epigramm des Opitz mitteilt, worin dieser ein griechisches Wort eingeflochten hatte. Anmerkung 13. Über den Gebrauch derlateinischen Eigennamen. Im Einklang mit Opitzens „Poeterey" verlangt Tscherning, daß bei lateinischen Eigennamen die deutsche Deklination einzutreten habe. Dagegen ist es nach Tscherning berechtigt, die lateinischen Endungen zu verwenden, wenn ein Zusammenstoßen gleicher Konsonanten oder Mißverständnisse dadurch vermieden werden. Damit stellt sich Tscherning in einen Gegensatz zu Harsdörffer, der für die ausländischen Worte die in ihrer Heimat übliche Schreibweise verlangte.86) Gueinz (S. 12) dagegen stellt die lateinischen und deutschen Endungen als gleichberechtigt hin. Anmerkung 14. Diese Nummer fehlt im Tscherningischen Werke. Anmerkung 15. Über die Erfindung neuer Worte. Im Einklange und auch nahen Anklange an Opitzens Poeterey (S. 31) sagt Tscherning: „Newe oder schöngedoppelte 13 Borcherdt, Tscherning. 193 |