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Zweites Capitel.

Dom Gebete im engeren Sinne.

Erster Artikel.

Verschiedene Arten des Gebets.

§. 84. Eintheilungen des Gebets.

Das Gebet ist ein Erheben des Herzens zu Gott, ein Reden mit ihm, das theils Jeder für sich, theils im Vereine mit Anderen übt. Dadurch theilt sich das Gebet in ein privates und in ein gemeinschaftliches ab. Gemeinschaftlich ist das Gebet bereits dann, wenn es von Vielen, an Einem Orte versammelt, geübt wird. Doch legt man diesen Namen demselben gewöhnlich dann bei, wenn Viele laut dasselbe Gebet verrichten, oder Einer laut vorbetet, während die Uebrigen stille mitbeten.

Nach seinem allgemeinsten Inhalte ist das Gebet Bethätigung der Abhängigkeit. Der Ausdruck dieser Abhängigkeit wird zum Danke mit Rücksicht auf die Vergangenheit, zum Lobe mit Rücksicht auf die Gegenwart und zur Bitte mit Rücksicht auf die Zukunft, oder das Gebet theilt sich in Bitt- Lob- und Dankgebet ab.

Die Abhängigkeit von einem Andern kann eine absolute oder relative sein und demnach gestaltet sich das Gebet zur Anbetung oder Fürbitte1). Jene gebührt blos Gott, diese wird an die Geschöpf e gerichtet. Wie sich aber die Anbetung in Dank, Lob und Bitte äußert, so auch die Fürbitte. Soll dieser Dank zc. noch in die Kategorie des Gebetes gehören d. h. eine Erhebung des Herzens zu Gott enthalten, so muß ein Geschöpf für das andere Gott danken, loben und bitten, oder der Eine muß den Andern anrufen, für ihn und mit ihm Gott zu danken 2c.

Zu der Kirche gehören jedoch nicht nur die auf Erden Lebenden, sondern auch die Glieder der triumphirenden und leidenden Kirche, weßwegen die Fürbitte zu einer Fürbitte der Engel und Heiligen, zu einer Fürbitte der Gläubigen und zu einer Fürbitte der Verstorbenen

1) Vom Vater unser sprechend, sagt Tertullian: Neque enim propria tantum orationis officia complexa est, venerationem Dei, aut hominis petitionem, sed omnem pene sermonem Domini, omnem commemorationem disciplinae, ut revera in oratione breviarium totius Evangelii comprehendatur. Tert. de orat. c. 1. p. 3.

wird. Die Gläubigen sind hinzugetreten zum Berge Sion, zur Stadt des lebendigen Gottes, zum himmlischen Jerusalem, zu der Menge vieler tausend Engel, zu der Gemeinde der Erstlinge, welche in den Himmeln aufgezeichnet sind, zu Gott dem Richter Aller, zu den Geistern der vollendeten Gerechten und zu Jesus, dem Mittler des Neuen Bundes 2).

Ferner nimmt das Gebet einen anderen Charakter an, je nachdem der Beter durch die kirchliche Gemeinschaft mit Gott verbunden ist, oder nicht. Im letzten Falle wird das Gebet vorherrschend zum Buß- und Schuldgebet, im ersten Falle nimmt auch Dank- und Bittgebet den Charakter eines Lobgebetes an.

Endlich wird das Gebet durch Zeit und Umstände, unter welchen es verrichtet wird, influenzirt, und dadurch zu einem Morgen-Abendgebet 2c.

Das Folgende wird zeigen, daß diese verschiedene Arten des Gebetes in den ersten Jahrhunderten bekannt waren.

I. Bitten.

§. 85. Bitten im Unterschiede von den Gebeten.

Selbstverständlich werden die verschiedenen Gebetsarten nicht gleich anfänglich durch bestimmte Worte unterschieden, sondern, wenn auch eine Verschiedenheit in der Sache anerkannt wird, so dient doch nicht immer dasselbe Wort zur Bezeichnung dieser oder jener Gebetsart. Im Verlaufe der Zeit hingegen erhalten bestimmte Gebetsarten auch eigenthümliche Bezeichnungen. Am meisten ist dieses mit den Worten δέησις (Bitte) μηδ εὐχή δεν προσευχή (Gebet) her fall. Sm 2lbens= lande hat sich der Sprachgebrauch weniger fixirt. Die Worte petitiones, preces, orationes werden meistens unterschiedslos zur Bezeichnung aller Gebetsarten gebraucht, weßwegen wir uns im Folgenden auf die griechischen Worte beschränken müssen.

Die bekannte Stelle I. Tim. 2. 1 zählt vier verschiedene Gebetsarten, Bitten (denoɛs), Gebete (πооσενɣαí), Fürbitten (¿vtevžeis) und Danksagungen (evɣaqıoria) auf. Nach Mack hat der Apostel diese Ausdrücke verbuuden, um alle Weisen und Zwecke zu umfassen, in denen man sich wegen Anderer im Gebete an Gott wenden kann. Eine absolute Synonymität dieser Ausdrücke wird nicht behauptet. Eine solche gibt es überhaupt nicht; so ruht auch hier die Bedeutung des Gebetes auf verschiedenen Grundbegriffen: bei déŋois auf dem der

2) Hebr. 12. 22-24.

Hilfsbedürftigkeit, bei лooσενxy auf dem des Wünschens, bei Evtevžų auf dem der Einkehr zu Gott und der empfundenen Nähe desselben 1).

Vorerst beschäftigen uns die zwei ersten Worte und ihr Verhältniß zu einander. Willibald Grimm gibt dasselbe in seinem griechisch latei= nischen Lexikon in die Bücher des N. T. dahin an: déŋois sei vorherrschend Bittgebet für Andere, oоσεvý Gebet überhaupt. Den allgemeinen Begriff des Bittgebetes drückt auch ɑitɛīv aus und wie das Folgende zeigt, wurden dérois und citrois häufig unterschiedslos gebraucht. Mit Fasten und Thränen verbunden kommt die déŋois vor Luc. 2. 37. Hebr. 5. 7. Nach n. t. Sprachgebrauche ist dieses jedoch kein constantes Merkmal der déŋois, denn Paulus verrichtet es auch mit Frohlocken. Philipp. 1. 4. Etwas bestimmteres läßt sich nicht eruiren, nur sei noch bemerkt, daß durch ɛvxý Gebet 2) und Gelübde 3) bezeichnet wird. Clemens R. gebraucht die Worte zvxwμeda xai aitwμɛda 1), ohne daß auf verschiedene Arten des Gebetes geschlossen werden könnte.

Des Wortes лоoεvɣý bedient sich Ignatius, um das gemeinfame und öffentliche Gebet der Gläubigen zu bezeichnen; denn in dem Briefe an die Epheser c. 5 bezieht sich лgooɛvý jedenfalls auch auf das Gebet der Gemeinde und des Bischofes. In dem Briefe an die Magnesier c. 7 unterscheidet er von der лọoσɛvýý die déŋois, ohne daß man jedoch erkennen könnte, welche Gebetsart er meint. Sofern sich von der verwandten ɑiryoɩs auf die déŋois schließen läßt, war sie ein flehentliches Bittgebet. Bestätigt wird dieses durch seine Martyrakten, in welchen jenes Gebet déŋois genannt wird, das die Gläubigen nach dem Tode desselben während der Nacht mit gebogenen Knien und mit Chränen verrideten 5). 2lußer προσευχή της δέησις (αἴτησις) und kennt er noch Lob- (dóğa) und Dankgebet (ɛvyɑqıría). Er faßt sie als Unterarten der лoоσεvý; denn wie er auf der einen Seite sagt, die Häretiker enthalten sich der Eucharistie und der π90σεν×ý, auf der anderen aber: kommet öfters zur Eucharistie Gottes und zum Preise (dósa) zusammen 6), so begriff die лoоoεvý auch das Lob Gottes in sich. Kurz, im Allgemeinen versteht der Bischof von Antiochien unter πoоσενуý das öffentliche Gebet der Gläubigen in allen seinen Arten, sofern es Bitt-, Lob- und Dankgebet ist. Im besonderen bezeichnet er mit diesem Worte das Gebet der Gläubigen für eine andere

1) Mack, Pastoralbriefe S. 232. 2) Jacob. 5. 15.

3) Act. 18. 18; 21. 23. 4) Clem. R. ad Cor. I. c. 50. p. 96.

5) Καὶ πολλὰ μετὰ γονυκλυσίας καὶ δεήσεως παρακαλέσαντες τὸν κύριον. Ignat. Martyr. c. 7. p. 191.

6) Ignat. ad ephes. c. 13. p. 127.

Gemeinde und für sich selbst, wobei aber nicht zu vergessen ist, daß Ignatius Bischof war. Dasselbe findet bezüglich dieses Gebetes, bei dem Freunde des Ignatius, Polycarp, statt 7). Um so mehr fällt es ins Gewicht, daß er die dénois auf das Gebet um Nachlassung der Sünden ) und die Phrase deyoɛow aitovμevoi auf die Bitte bezieht, Gott möge uns nicht in Versuchung führen ") und dabei von Büßern redet.

Justin nennt die nach der Predigt vorkommenden, wie die vom Vorsteher gesprochenen Gebete ɛvyai 10). Das Wort dénois haben wir bei ihm nicht getroffen, wohl aber airrois, das er in unmittelbare Verbindung mit dem liturgischen Dankgebet bringt 11). Obwohl er für die verschiedenen Gebetsarten keine bestimmte Worte gebraucht, so kennt er doch den Unterschied derselben, weil er von einem Gebete der Katechumenen, das von dem der Gläubigen verschieden war, redet.

Um so entschiedener macht ein Zeitgenosse desselben, der Häretiker Ifidor, ein Sohn des Gnostiker Basilides, den Unterschied zwischen αἴτησις, δέησις της προσευχή geltens. Frage, fagt Sisor, ein 3äntisches Weib, daß du nicht von der Gnade Gottes abfällst und wenn du die Begierlichkeit durch eheliche Beiwohnung ausgelöscht hast, so bete (πooσεvyn) mit gutem Gewissen. Wenn aber deine Danksagung (evxaquoría) zum Bitten (altŋow) herabgefallen ist und du stehest (wieder), die übrige Lebenszeit vor dem Falle jedoch nicht sicher bist, so heirathe 12). Wenn der Ehemann mit seiner Frau geordnet lebt, kann er das Gebet (πooσεʊx) mit gutem Gewissen verrichten. Hat sich aber Einer durch Ehebruch versündigt, denn das ist zu ergänzen, so fällt er von der Danksagung zu den Bitten herab. Danksagung und Bitten sind zwei verschiedene Gebetsarten und zwar involvirt die legte, gegenüber der ersten eine niedrigere Stufe. Sie war ein Gebet, zu dem man in Folge schwerer Versündigung herabsank, während zur Eucharistie die Reinen zugelassen wurden.

Ehe wir diese Worte mit denen des Clemens A. in Verbindung bringen und ihr Ergebniß feststellen, sind zuerst die Begriffe, die Clemens mit aïrnois (dénois) und evɣý verbindet, zu entwickeln. Dazu dient

7) Polyc. epist. ad Phil. c. 5. p. 207. c. 7. p. 209. c. 8. c. 15.
8) 1. c. c. 6. p. 197. 9) 1. c. c. 7.

p. 198.

10) Just. apol. c. 65 u. 67.

11) 1. c. c. 13. p. 163. 12) cf. Clem. Α. strom. 1. 3. c. 1. p. 510. Αντέχου τοίνυν, φησὶ κατὰ λέξιν ὁ Ἰσέδωρος ἐν τοῖς ἠθικοῖς, μαχίμης γυναικὸς, ἵνα μὴ ἀποσπασθῆς τῆς χάριτος τοῦ θεοῦ, τὸ τε πῦρ ἀποσπερματίσας εὐσυνειδήτως προσεύχῃ· ὅταν δὲ ἡ εὐχαριστία σου, φησὶν, εἰς αἴτησιν ὑποπέση καὶ στῆς τὸ λοιπὸν οὐ κατορθῶσαι, ἀλλὰ μὴ σφαλῆναι, γάμησον.

befonders die Stelle strom. 1. 7. c. 7, in der er vom Gebete handelt. Wenn der Vorsteher der Katechetenschule von den Gebeten der NichtGläubigen redet, gebraucht er vorherrschend das Wort arrois, wäh rend er das Gebet des Gerechten und Gnostiker æyy nennt. Durch die Bitte (arrois) sucht der Nicht-Gläubige egoistisch zeitliche Güter zu erlangen; der Gnostiker begehrt nichts als Verharren im Guten 13). Verrichtet er die aïvrois, so geschieht es zur Bekehrung des Nächsten 14). Sein Gebet ist hauptsächlich die ein, durch die er mit Gott verkehrt, ihn lobt und ihm dankt 15). Ferner wendet Clemens ev3Ý auf das gemeinschaftliche, öffentliche, von den Gläubigen zu bestimmten Stunden des Tages verrichtete Gebet an 16). Beachtenswerth ist, wie er besonders das Moment, es werde mit den Gläubigen verrichtet, hervorhebt. Der Gnostiker ehrt Gott, auch wenn er allein ist, oder wenn er Andere, die denselben Glauben bekennen, bei sich hat 17). Dieses Gebet, bei dem man Haupt und Hände zum Himmel erhebt 18), war Anbetung. Darum gereicht das Gebet der ɛvyai lasterhaften Menschen zum Verderben 19), weil sie das Erlangte schlecht anwenden und Gott nicht die Ehre geben; denn die ɛvxɑí und alvoɩ der Gnostiker sind auch ihre Opfer 20). Sie senden dieses beste und heiligste Lobopfer durch den Logos zu Gott empor, so daß die Versammlung derer, welche diese Gebete (evxai) verrichten, den Altar bilden 21).

Die ɛvyai sind demnach die Gebete der Gläubigen, die öffentlichen und gemeinschaftlichen Gebete der Gläubigen, und die Gebete der Anbetung und des Opfers. Als der umfassendste und allgemeinste Begriff schließt die evyn die übrigen Gebetsarten als Unterarten in sich. Selbst die Bitte (airyois) um Abwendung von Uebeln ist eine Species derselben. Man darf sich aber derselben nicht zum Schaden der Menschen bedienen; der Gnostiker verrichtet sie daher für die, welche das böse Sinnen und Trachten ausgezogen haben 22).

Weil er das Verhältniß von evzý und aïtyois auf diese Weise faßt, kann er ebenso sagen dử ɛvyñs aiteitai 23), als, der Gnostiker betet auch mit den Katechumenen (ovveúšetaι 24). Daß nämlich, nach Clemens, eine Zulassung der Katechumenen zu den eigentlichen „Gebeten“ der Gläubigen nicht stattfand, zeigt seine Lehre von der Arcandisciplin.

Als weitere Species der Euchä erscheint die Danksagung für Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges 25). Lob und Preis er

13) Clem. strom. 1. 7. c. 7. p. 857. 14) 1. c. p. 855.

15) 1. c. p. 855 u. 875.

16) 1. c. p. 854 u. 856.

17) 1. c. 1. 7. c. 7. p. 851. 18) 1. c. p. 854. 19) 1. c. p. 857.
20) 1. c. p. 860.

23) 1. c. p. 856.

21) 1. c. p. 848 cf. 850. 22) 1. 7. c. 7. p. 853. 24) 1. c. p. 860. 25) Strom. 1. 7. c. 12. p. 879.

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