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EINLEITUNG.

Von dem werke, das mir in mehrfacher rücksicht eine ausgabe zu verdienen schien, hat zuerst Massmann in Haupt's zeitschrift 2, 130 nachricht gegeben. Die einzige handschrift befindet sich auf der stadtbibliothek zu Nürnberg (Ms. Solger. 15. fol.) und trägt auf einem dem deckel angeklebten pergamentblättchen die aufschrift. von der beschaffung diser werlt bis auf das jungst gericht gereymt. Die handschrift, papier, ist durchgängig von einer hand des fünfzehnten jahrhunderts geschrieben und enthält ausser der ‘erlösung' eine übersetzung der bücher Salomonis und des Seneca von den vier angeltugenden in prosa, so wie am schlusse ein alphabetisches verzeichniss von sünden. Die blätter des gedichtes, im ganzen 51, sind von Massmanns hand beziffert: drei blätter fehlen, eines nach bl. 20 (v. 2565), welches auf der zweiten spalte ein bild enthielt und wahrscheinlich eben deswegen herausgeschnitten wurde, wie noch an den spuren auf dem nächsten blatte zu erkennen ist. die darstellung des bildes wird Mariä verkündigung gewesen sein. Das zweite blatt fehlt nach bl. 21 (v. 2711), das dritte nach bl. 34 (v. 4415). Alle drei sind erst nach dem einbande, der mit der handschrift gleichzeitig ist, herausgeschnitten. Die schlussschrift dcs gedichtes lautet Finitum IIta feria post galli Anno domini M° CCCC LX quinto.

Auf die inneren einbanddeckel ist eine urkunde, in der Melchior vom Hirczhorn dem Jorg von Helmstat eine rente von 105 gulden zusichert, vom jahre 1466 geklebt. Beide familien, die vom Hirschhorn wie die von Helmstadt, gehören dem adel der Neckargegenden an. Da die urkunde nur um ein jahr später datiert als die handschrift, wenigstens das uns hier berührende gedicht, geschrieben ist, so geht daraus die heimat der handschrift hervor.

Die handschrift ist mit bildern geziert, die, in wasserfarben ausgeführt und nicht ungeschickt in der zeichnung, mit einem titelblatte eröffnet werden, das die vier elemente, mit bezug auf die einleitung des gedichtes, darstellt. die bilder unterscheiden sich von den meisten des fünfzehnten jahrhunderts wie des mittelalters überhaupt durch einen (XXXVII.]

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gewissen sinn für historisches costüm. Da der dichter, wie wir bald sehen werden, ein gelehrter und kunstverständiger mann war, so könnten die zeichnungen von ihm selbst herrühren oder unter seiner leitung gefertigt sein.

Das gedicht führt keine überschrift: aber der hauptgedanke geht aus den versen 65 ff.

sint wunders also vil då ist,

sô hôrt den wunderlichen list,
wie got unser herre Crist
geboren wart in zîtes frist

von einer keiserlichen maget

waz sache in hie zû hât getriben,
daz ist niht underwegen bliben,

man fint an disem bûch geschriben.

klar hervor, mir schien daher die aufschrift erlösung' nicht unpassend. genauer wäre 'sündenfall und erlösung'; aber jener ist mit v. 332 bereits abgethan. an ihn schliesst sich die himmlische rathsversammlung und die messianischen weissagungen des alten testaments, bis mit v. 2478 die lösung der eigentlichen aufgabe beginnt.

Von der grossen aufgabe durchdrungen, fühlt der dichter zugleich seine unzulänglichkeit sie auszuführen. er klagt v. 81 ff., wie wenig er vermöge, seine rede in würdiger weise zu schmücken. an einer andern stelle (v. 3140 ff.) bittet er um entschuldigung, dass er des heilands geburt so kurz beschrieben und so viel ausgelassen habe: er sei leider nicht genug vorbereitet gewesen, und habe darüber nicht so viel gelesen, als es sich gebührt hätte. Namentlich in der zweiten hälfte, von der geburt Christi an, ist ein eilen nach dem schlusse bemerkbar. das leben des erlösers wird kurz und summarisch behandelt, während der dichter im anfang zu einer breiten darstellung anlauf nimmt. Ausdrücklich wird an mehreren stellen gesagt, er kürze absichtlich, s. anmerk. zu v. 5328.

Über die person des dichters erfahren wir nichts näheres. aber dass er ein mann von gelehrter bildung war, geht aus den zahlreichen citaten der bibel in lateinischer sprache hervor. kenntniss des hebräischen wird aus v. 4888 ff. noch nicht zu folgern sein, weil die dort gegebene übersetzung der vulgata entnommen sein kann. aber des lateinischen war er mächtig, ja es ist anzunehmen, dass er lateinisch sprach, weil er mehrere undeutsche wortstellungen braucht, die dem latein angemessen sind. Virgil, dessen vierte ecloge er benutzt, hat er im original gekannt: seine umschreibung schliesst sich an den lateinischen text an, wenn auch die reihenfolge der verse nicht genau stimmt. Er kannte ferner die weissagungen der Sybille über Christus und folgte in seiner übersetzung dem lateinischen gedichte der erythräischen Sybille, das Gottfrieds von Viterbo Pantheon, lib. IX (Pistor. u. Struve

2, 134) citiert. seine kenntniss des alterthums überhaupt ist nicht geringe: wenn auch die zahlreichen edelsteine, die er nennt (402–419), aus einem mittelalterlichen lapidarius stammen können, so nennt er an andrer stelle (6506—14) viele persönlichkeiten der griechischen und römischen geschichte und mythologie, aber nur mit römischen namen, Venus Pallas Hercules Olixes. Ausserdem sind seine Quellen die Bibel, die historia scholastica des Petrus Comestor, das apocryphische Leben der Maria und das sogenannte evangelium Nicodemi.

Wahrscheinlich war der dichter ein geistlicher. er braucht mehrere wörter, die unmittelbar aus dem lateinischen entnommen sind und sonst in deutschen dichtungen nicht vorkommen. êvent 28. pinâkel 434. sustentåkel 2213. principâtum 4612. concilium, consilium, daz in dûtschem ist ein rât 4225. convent 4223. corper öfter für lip 4942. 4954. 6274. 5187. auch rôså: zîtlósa 2528 gehört hierher. er spricht von den decrêten der heilegen schrift 2690. noch sind anzuführen contempliere, visitiere 975. 976. disputieren, allegieren 3762. 63, die nicht etwa durch vermittelung einer französischen quelle zu erklären sind. Noch mehr für seine theologische bildung und den geistlichen stand sprechen einige stellen über das wesen der dreieinigkeit, in denen er den scheinbaren widerspruch von dreiheit und einheit zu erklären sucht und sich dabei mehrerer eigens gebildeter philosophischer worte bedient. vgl. 1138-1140 und besonders 5576-5613. ein kleiner zug bleibe nicht unbemerkt. die zweimal angewendete anrede lieben 6469 hie merkent, lieben, alle bi und 6593 nu sprechent, lieben, âmen deutet gleichfalls auf den geistlichen und prediger. denn gerade in predigten ist diese anrede häufig.

Aber nicht nur theologische kenntnisse zeigt der dichter, sondern er ist auch in den künsten bewandert. für seine kenntnisse in der musik spricht die vergleichung der harfe und des psalteriums mit Christus (v. 5213—5225) weniger als die ausführliche beschreibung des tabernakels (v. 433-464) specielle kunde der baukunst verräth. Diese stelle, die auch von interesse für die kunstgeschichte ist, weil sie die technischen ausdrücke, die sonst nur aus späteren quellen bekannt sind, in einem deutschen gedichte des dreizehnten jahrhunderts aufführt, steht einzig da. Ich will hier eine erklärung einschalten, die zugleich zeigen wird, dass der dichter in lebendiger anschauung dichtete.

Nach der beschreibung des thrones, dessen flächen in vier und zwanzig mit gold silber elfenbein und verschiedenen edelsteinen ausgelegte felder getheilt sind (393-419), schildert der dichter den über dem throne emporstrebenden baldachin (tabernakel 433). derselbe hatte eine rothgoldene decke (pinåkel 434. mittellat. pignaculum, culmen domus, franz. pignon de maison, Du Cange s. v.). diese war ein polygon, welches als decke, zugleich als grundfläche des baldachins, sich über dem haupte des unter dem baldachin sitzenden befand. so viel seiten dies pinakel hatte, ebenso viel latten (436) strebten von den win

keln nach einer gemeinsamen spitze empor und bildeten das eigentliche gerüst des baldachins, welcher einem thürmchen glich. diese latten waren von sechen (436), was wol eine holzart bedeutet. da es ein festes holz sein muss, das den ganzen baldachin trägt, so schlage ich in ermangelung eines besseren vor, von eichen zu lesen. zwischen den latten waren cederne querhölzer eingefügt, an welche die ziegel aufgehängt wurden. daher heissen diese querstäbe hengelrûden (437). die ziegel (438), welche das dach bekleideten, glühten von arabischem golde (439). um das dach stand eine dolde von posten und fialen (440. 441). dolde (der ausdruck ist vom blumenkelche hergenommen) bezeichnet einen büschel, eine grössere anzahl. von jedem winkel des pinakels (434) strebte eine kleine säule empor, das sind die posten: wenn dieselben spitz ausliefen, hiessen sie fialen (griech. phiale). zwischen diesen posten und fialen befanden sich die wintburgelin (442), gewöhnlich wimberge genannt. wimberge heisst nach Otte's handbuch der kirchl. kunstarchäol. die übersetzung eines bogens mit einem giebel oder einem geschweiften spitzbogen. dieser giebel, gewöhnlich in form eines dreieckes, bildet also mit dem dach einen spitzen winkel und steht mit je zwei posten oder fialen in einer ebene. demnächst werden die gargôlen (442) genannt, eine mir fremde bezeichnung. das wort könnte romanischen ursprunges und von cargare belasten' abzuleiten sein. in der altdeutschen baukunst nennt man ‘lasten' aufgesetzte pfeiler, die das gewicht, welches das schrägliegende dach auf die wände ausübt, auszugleichen bestimmt sind. diese gargôlen fielen demnach in der lage mit den posten und fialen in diesem falle zusammen, waren aber natürlich hier nur wegen der analogie mit einem gebäude angebracht, weil der baldachin von holz an sich keinen so schweren druck ausübte, um ‘lasten' nöthig zu machen. Am untern rande des tabernakels befanden sich die gesimse (443), die ihre schwellen, gewöhnlich rundstäbe genannt (445), und ihre kehlen d. h. hohlkehlen (445) hatten, also nach innen und aussen geschweift waren. aus der rückenwand und ebenso aus den seitenwänden des thrones, den lehnen, traten pfeiler heraus (447), von denen jeder seine basis und sein capital (449) hatte. sie waren theils eckig, theils gerundet (450) und in laubwerk ausgehauen (451). an den obern theilen, also den capitälern, waren thiere angebracht, theils eingegraben (gestempfet 452), theils herausgearbeitet, hervorspringend (erhaben 452): besonders werden lindwürmer und adler (453), so wie verschiedene arten von sperlingen (spar 454) angeführt. zwischen diesen pfeilern, ebenfalls aus der rückenwand und den seitenwänden hervortretend (ûz gewassen 455), waren nun verschiedene formen (456), d. h. theils eckige, theils runde figuren, wol auch aus verschiedenen metallen, gold, silber, elfenbein (vgl. 395 ff.); und ebenso trîpassen (so ist zu schreiben 456), jetzt dreipasse genannt, d. h. von drei gleichen zweidrittelskreisen begrenzte figuren. dieselben waren entweder schon innerhalb der wimberge angebracht (442) und dienten zur verzierung der

selben oder traten selbständig aus den flächen heraus. alles war in rechtem grössenverhältniss (in rehtem parepâne 458). aber zwei zeilen sind dunkel: was heisst mit vor und ouch mit gâne 457 und was bedeutet dinster 459? es muss ein substantivum sein, das subjekt zu 455. 'dienste' nennt man einen säulenbündel: das würde dem sinne nach passen, aber das er macht schwierigkeit. alles übrige ist klar.

Aus dieser beschreibung folgt, da im mittelalter häufig geistliche zugleich ausübende künstler waren, noch mehr die gewissheit geistlichen standes für den dichter: und somit haben wir in ihm den einzigen fall eines dichtenden künstlers in der höfischen zeit. Bei der sonstigen kürze des gedichtes würde diese an sich nicht nothwendige beschreibung des tabernakels auffallen, wenn sie nicht eben durch den beruf des dichters zu erklären wäre. wir werden daher über manche schwache stellen des gedichtes hinwegsehen, wenn wir bedenken, dass es nicht ein dichter von profession, sondern ein künstler war, der sich hier wahrscheinlich zum ersten mal auf das gebiet der dichtkunst wagte. Nur in einem geistlichen findet diese vereinigung gelehrter und künstlerischer kenntnisse ihre erklärung.

Aber noch auf einem dritten gebiete finden wir den dichter heimisch. neben der kirchlichen ist ihm die weltliche literatur nicht fremd. Er kennt die meisterwerke höfischer dichtung des dreizehnten jahrhunderts, er nennt v. 89 ff. den Gral, Iwein, Parcival, Tristan und Isot. letztere erwähnung ist die ausführlichste, nur ist dem dichter eine verwechselung der namen begegnet, denn v. 95 wird mit Riwalîne zu lesen sein. Rewal v. 92 ist Rûâl und so schrieb wohl der dichter auch. Dass Gottfrieds Tristan gemeint ist, hat schon Massmann bemerkt. darauf würden schon die worte heim zu Parmente führen; denn nach Gottfried, der Thomas folgte, war Riwalin, Tristans vater, von Parmenie, während andere ihn zum könige von Lohnoys machten (Tristan 322-328). Gottfried nachgebildet sind die vierreimigen eingangsstrophen. von ihm hat der dichter ausserdem die gleitenden reime, worüber anm. zu 5418, so wie eine gewisse vorliebe für rhetorische wiederholungen. namentlich die umkehrung zweier vershälften, wie 1116 ff. âne maz und âne zal, âne zal und âne maz, êwicliche an underlâz, stêticliche ân ende,

ån alle missewende,

von denen zwei verse kurz vorher (1091. 92) schon vorkamen. ebenso 3439. 40

uber lant und uber mer,

1138-40

uber mer und uber lant.

einlich und drîvaltec,

drilich unde ouch einvalt,

àne maz und ungezalt.

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