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Dies buch, das nicht beziehungslos die erlösung' heisst, mit Ihrem namen zu schmücken hätte ich nie wohlgegründetern anluss finden können, als gerade jetzt, wo ich aus beengenden verhältnissen mich in einen schönen heiteren wirkungskreis versetzt sehe. denn Ihnen verdanke ich ja zumeist diese wendung meines schicksals, und was ich etwa besseres in zukunft der deutschen wissenschaft zu leisten vermöchte, wird so auch Ihr werk sein. Nehmen Sie die gabe, die ich Ihnen bringe, freundlich an, so unvollkommen sie auch bei den ungünstigen verhältnissen geworden ist.

Der dichter, dessen werk ich hier zum erstenmale herausgebe, war der geschichte der geschichte deutscher dichtung bisher fremd. wenn auch die erlösung im auszuge schon bekannt war, so hat doch meines wissens noch niemand darin einen höfischen dichter

des dreizehnten jahrhunderts gesucht. Ist nun ein neuaufgefundener dichter jener zeit auch nicht grund genug, ihn herauszugeben, so tritt in diesem falle das sprachliche interesse hinzu. er vertritt eine bestimmte mundart in einer zeit, wo die quellen derselben, mit ausnahme eines einzigen dichters, sehr dürftig sind. Des poetischen werthes wegen hätte das gedicht füglich ungedruckt bleiben können, wiewohl er nicht geringer ist, als der vieler andern höfischen dichtungen. Dies zur entschuldigung für die existenz meines buches und als abwehr gegen den vorwurf, die zahl mittelhochdeutscher werthloser texte um einen neuen bereichert zu haben.

Was dem dichter fehlte, um unser interesse zu gewinnen, habe ich durch die ausgabe möglichst zu ergänzen gesucht. fleiss und mühe habe ich nicht gespart und bin den schwierigkeiten, die dieser, wie die meisten mitteldeutschen dichter, in grammatischer und lexicalischer beziehung bietet, nicht aus dem wege gegangen. habe ich sie nicht überall genügend gelöst, so habe ich mich doch auch nicht in ein vornehmes schweigen gehüllt, hinter dem sich manches verbirgt. die anmerkungen, hoffe ich, werden darüber rechenschaft geben.

Die auswahl geistlicher dichtungen' wird nie

die ge

mand eine überflüssige beigabe scheinen. dichte sind fast alle ungedruckt und stammen zum theil noch aus guter zeit. am reichsten wird man das vierzehnte jahrhundert vertreten finden, eine zeit also, für deren literaturgeschichte, im vergleich zu der nächstvorhergehenden, erst wenig geschehen ist. hier also bedarf es keiner entschuldigung, ebensowenig für die stücke aus dem fünfzehnten jahrhundert. im werthe sind die dichtungen sehr ungleich, aber es fehlt nicht an solchen, die eine wirkliche bereicherung unserer älteren literatur sind. solche tiefe innigkeit, wie sie sich in dem gedichte 'Gott und die Seele' (s. 214) ausspricht, überwiegt den schimmernden glanz der meisten geistlichen lieder aus der höfischen zeit und ganze bände voll gemachter frömmigkeit aus unserm jahr

hundert.

Die meisten dichtungen dieser auswahl stammen aus Nürnberger handschriften und sind im Katharinenkloster geschrieben. hier herrschte im fünfzehnten jahrhundert ein reger sinn für deutsche sprache und dichtung: manche in den hss. vorkommenden lieder mögen von frommen schwestern verfasst worden sein. was die fast noch ganz unbenützte Nürnberger stadtbibliothek an

geistlichen dichtungen bietet, findet man in meiner sammlung entweder abgedruckt oder in der einleitung verzeichnet. diese betreffend, habe ich nur über die mangelhaftigkeit meiner hilfsmittel zu klagen, für die auch die benachbarte Erlanger bibliothek nicht immer ausreichte. was daher an literarischen nachweisungen fehlt, wird man diesem umstande zu gute halten.

Nürnberg, im merz 1858.

Karl Bartsch.

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