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Condorcet macht wie Godwin den Staat für alle
In seinem Esquisse

Übel der Welt verantwortlich.
d'un Tableau Historique des Progrès de l'Esprit
Humain hat er den Fortschritt der Menschheit an ihrer
politischen und geistigen Entwickelung gezeigt und
dem Glauben an eine unbegrenzte Vervollkommnungs-
fähigkeit Ausdruck gegeben. Während sich Condorcets
Hoffnungen hauptsächlich auf die Wissenschaft und
ihre Anwendung auf das Leben gründen, legen God-
win und Shelley den Hauptwert auf die Moralisierung
der Menschen, die den ungeahnten Fortschritt in erster
Linie möglich machen wird.

Rousseau hat auf Shelley den stärksten Eindruck gemacht. Der Dichter hält ihn neben Montesquieu für den größten Schriftsteller der Franzosen. Der Enthusiasmus für die Freiheit, das Losmachen von Vorurteil und Herkommen, der Apell, zur Einfachheit und zur Natur zurückzukehren, die Invektiven gegen Luxus, Besitz und Krieg, die Rousseaus Schriften durchziehen, müssen Shelleys Denken stärker aufgerüttelt haben als Godwins PJ. Trotzdem welche Welt trennt Shelley und Rousseau!

Der Dichter legt an Rousseau den moralischen Maßstab an. Er habe die Leidenschaften erregt und daher die Menschen von neuem in die Arme der Despotie getrieben (Proposals 1812, V 383). Der französische Denker gehört zu der betörten Schar, über die der Wagen des Lebens dahingehen wird (Triumph of Life 200 ff).

Rousseau sieht in der Vergangenheit, in dem Zwischenzustand von Natur und Kultur, sein Ideal: für Godwin und Shelley erfüllt es sich in der Zukunft und ist verfeinerte menschliche Zivilisation. Rousseau sieht sein Vorbild in Sparta, Godwin und Shelley sehen es in Athen. Die Kultur verdirbt den Menschen nicht, wie Rousseau meint, sie erzieht ihn und voll

endet ihn. Der Franzose sieht in der Gründung einer Republik, welcher die einzelnen ihre Freiheit opfern müssen, um dem ,,Allgemein-Willen" dienstbar zu sein, das Heil; die Grundlage dieser Republik bleibt Nationalität und Ehe. In diesen sehen Godwin und Shelley nur Schranken und Vorurteile; die Republik aber, die sie empfehlen, ist nur ein Zwischenzustand für die staatlose Zukunft.

VIII. Erweiterung und Vertiefung der Godwinschen Ideen durch die Lektüre von Spinoza,

Mary Wollstonecraft und Plato.

Hatte Shelley den Rahmen, den ihm das Godwinsche Denken steckte, trotz Rousseau nicht verlassen, so machten sich doch von früh an Einwirkungen geltend, die den Dichter allmählich dem Einfluß der Aufklärung zu entziehen strebten.

Während für Hume und Godwin die Idee der Nezessität ein abstraktes und totes Schema war, wurde sie für Shelley die Seele und die Kraft des Universums (Q. Mab VI 1978) Die unabhängige Gesinnung gilt Godwin wohl für das heiligste des Menschen; sie ist ihm aber nur eine Summe von Ideen. Für den Dichter wird sie zu einem Teile des Geistes in der Natur (Q. Mab III 214/25). Die Liebe, die für den erstern nichts mehr als eine selbstlose Hingabe an den Nächsten bedeutet, wird für Shelley das die Welt durchdringende Prinzip. In allen diesen Punkten ist der Dichter ein Schüler Spinozas (vgl. S. Bernthsen, Der Spinozismus in Shelleys Weltanschauung).

Während PJ die Frage der Frauenemanzipation durch die Abschaffung der Ehe zu lösen sucht, gibt Shelley der Frau, als Genossin des Mannes, ihre Stelle im Streite gegen die Tyrannei. Cythna ist nicht nur

die Befreierin ihres Geschlechts, sie kämpft auch an der Seite Laons für die Befreiuung ihres Landes und der Menschheit (Laon a. C. II 37 ff). Die Frau ist nicht dazu geschaffen, dem Manne als Sklavin zu dienen (Laon a. C. II 42, 43). Sie ist ihm ebenbürtig und hat dasselbe Recht auf die Entfaltung ihrer Anlagen wie der Mann (Prom. Unb. III 4, 153 ff). Mary Wollstonecrafts Vindication of the Rights of Woman haben auf diese Anschauungen des Dichters am kräftigsten gewirkt.

Shelley ist indes nicht der Meinung, daß die politische Gleichstellung der Frau mit dem Manne schon jetzt durchführbar sei. Sie sei ein Ideal, nach dessen Verwirklichung gestrebt werden müsse (Phil. View of Reform).

Am sichtbarsten geht Shelley über die Anschauungen Godwins unter dem Einflusse Platos hinaus. Daran allerdings muß festgehalten werden, daß er die moralischen und politischen Überzeugungen desselben nicht kritiklos übernimmt. Die Politeia ersheint ihm als ein Buch, daß trotz der bedeutenden Wahrheiten, die es enthalte, voll Irrtümer sei (Vorrede zum Symposion VII 158). Im Ess. on Chr. spielt der Dichter Diogenes gegenüber Plato aus, der einen besseren Plan entworfen habe, die Ungleichheit des Besitzes und der Macht unter den Menschen auszugleichen (VI 361). Was ihn an Plato fesselt, ist der dichterische Gehalt seiner Philosophie (Vorrede zum Symposion VII 158).

Shelley stimmt mit Godwin überein, wenn er in der Wirklichkeit nur eine Kette von Erscheinungen sieht. Über diesen Skeptizismus des Philosophen geht der Dichter hinaus, er konstruiert sich wie Plato eine Welt jenseits dieser Erscheinungen, eine Welt der ewigen und unveränderlichen Ideen (vgl. Leslie Stephen, Cornhill Magazine 1879).

Godwin sieht die Vollendung des geistigen Menschen in seiner Vernünftigkeit. Die Verknüpfung des geistigen Ideals mit dem Schönheitsideal ist dem Philosophen fremd. Shelley aber folgt den Spuren Platos und Spensers. Die Schönheit wohnt nicht auf der Erde, nur ihr matter Schimmer schwebt darüber. Hätte sie hier unten ihre Stätte, der Mensch wäre unsterblich und allmächtig (Hymn to Intellectual Beauty).

Wie der Geist erreicht auch die Liebe erst ihr hohes Ziel, wenn diese sich mit der Schönheit vermählt. Die Sehnsucht nach der Liebe ist daher zugleich eine Sehnsucht nach der Schönheit (Ode to Naples 149 ff, Adonais 54, Epipsychidion 28 ff).

Das Ideal des zukünftigen Menschentums verwirklicht sich noch nicht, wie Godwin meinte, wenn Gerechtigkeit geübt wird. Das ethisch-politische Ideal muß sich mit Schönheitsideal vereinigen. Erst dann erreicht die Menschheit wahre Vollendung. In den poetischen Bildern von Laon a. C. und Prom. Unb. schwebt den Dichter dieses Ideal vor. Er sagt selbst in der Widmung der Cenci an L. Hunt: „,Those writings which I have hitherto published have been little else than visions which impersonate my own apprehensions of the beautiful and the just".

Als Shelley die Spec. on Metaphysics schreibt, steht er in der Auffassung der Poesie auf dem Standpunkte der Aufklärungsphilosophie. Dichtungen erscheinen ihm nichts anderes als combinations which the intellect makes of sensations according to its own laws". In A Defence of Poetry aber glaubt Shelley, daß sich in der Poesie eine schöpferische Kraft offenbare. Der Dichter bildet eine neue Welt aus seinem Innern; Gott und Dichter seien Schöpfer (VII 140).

Sieht Shelley noch 1819 in der Wissenschaft und besonders der politischen, die Vollkommenheit menschlichen Strebens (Brief an Peacock vom 26. 1. 1819),

erscheint ihm die Poesie in A Defence of Poetry als Mittel und Ende alles Wissens,,,it is that which comprehends all science, and that to which all science. must be referred".

In allen diesen Punkten entfernt sich Shelley von den Auffassungen Godwins und der Aufklärung. Je mehr er sich als Dichter fühlt, macht er sich von der rein abstrakten Philosophie frei. Die Philosophie ist ihm nur wert, sofern sie zugleich Poesie ist; er wendet sich daher mehr und mehr Plato zu.

IX. Die Vorbildung der ethisch-politischen Ideen Shelleys im Hauptstrom der englischen Poesie.

Wir haben Shelley bisher nur im Zusammenhange mit der Philosophie betrachtet. Dazu gab uns ein Recht: das eifrige Studium des Dichters in der Philosophie, die ethischen und politischen Gedankenreihen seiner Prosaarbeiten, die einen systematischen Zusammenhang ergaben, und schließlich der abstrakte Charakter der Shelleyschen Dichtungen. Es bleibt die Frage zu beantworten, inwiefern die wichtigsten politischen Ideen in dem Hauptstrom der englischen Poesie ein Vorbild haben.

Thomas Morus hat in seiner Utopia einen Idealstaat gezeichnet, in dem es als Weisheit gilt, nach persönlichem Glücke zu streben; die Natur, die uns lehre, die Nächsten zu lieben, befehle nicht, grausam gegen uns selbst zu sein. Eine unmittelbare Wirkung seiner eudämonistischen Sitten- und Staatslehre ist in der englischen Poesie nicht zu verspüren. Die Reformation nahm die Geister in Anspruch. Die Regierung aber der Königin Elisabeth gab ihrer Epoche einen nationalen und patriotischen Schwung. Die Zeit um 1600 ist durchaus royalistisch.

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