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Druck von C. R. Schurich.

MILIUKOV LIBRARY

Vorwort.

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Die bayerische Schulordnung weist der mittelhochdeutschen Literatur den ihr an Gymnasien gebührenden Rang durch die Bestimmung (§ 57) an, daß „in der dritten und vierten Klasse des Gymnasiums passend gewählte Stücke aus den vorzüglicheren Dichtungen des Mittelalters, namentlich dem Nibelungenliede, der Kudrun, dem Parzival, Walther von der Vogelweide, Freidank, erklärt werden sollen.“ Das Verzeichniß der zum Gebrauche an den Studienanstalten genehmigten Lehrmittel enthält aber kein obiger Bestimmung der Schulordnung entsprechendes Lesebuch, wohl darum weil von den vorhandenen Büchern der Art keines zweckmäßig befunden worden ist. Und allerdings lassen diese, soweit sie mir bekannt sind, das eine und andere zu wünschen übrig. Das eine enthält keine mittelhochdeutsche Grammatik — ohne die nothwendigsten Kenntnisse hierin ist aber die Lectüre nicht möglich; das andere hat kein Wörterbuch — ohne ein solches kann sich der Schüler nicht vorbereiten. Wenn der Lectüre nicht die Kenntniß der nothwendigen Wörter und Sprachgesetze des Mittelhochdeutschen vorausgeht, so ist dieser ganze Unterricht ohne bleibenden Erfolg und sind die darauf verwendeten Stunden reiner Zeitverlust. Weiter kommt zu bemerken, daß viele solcher Sammlungen fast von jedem Schriftwerk des Mittelalters ein oder einige Stücke und daher aus den besten zu wenig geben, statt sich, wie es unsere Schulordnung und die Sache verlangt, auf das Vorzügliche zu beschränken und daraus mehr zu bieten; die meisten endlich haben in den Abschnitten aus dem Nibelungenlied den Text der Handschrift A — diesem aber wird jezt wohl von den meisten Fachmännern der Text von C vorgezogen.

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Den Anforderungen nun, die ich an ein solches Werk stelle, suchte ich selber in vorliegendem Lesebuche zu entsprechen. Was die Auswahl insbesondere betrifft, so hielt ich mich an die Schulordnung; doch begnügte ich mich nicht mit Bruchstücken des Nibelungenliedes und der Kudrun, sondern bei ersterem ergänzte ich das Ausgelassene durch Vilmars trefflichen Auszug, so daß der Schüler das ganze Gedicht kennen lernt; die Kudrun aber habe ich nach Müllenhofs Kritik ganz aufgenommen. Auch fügte ich noch Hartmanns armen Heinrich und einen Abschnitt aus einer Predigt Bertholds von Regensburg, des vorzüglichsten Prosaisten und Kanzelredners jener Zeit, hinzu. Simrock, einer der competentesten Richter hierin, neunt den armen Heinrich „ein in sich vollendetes, Geist, Herz und Gemüth befriedigendes Kunstwerk, das nicht nur die Krone aller Werke Hartmanns von Aue bildet, sondern auch überhaupt ein Edelstein ist, der seines Gleichen kaum hat und so an den Waisen in der Krone der deutschen Könige erinnert.“ „Niemand," sagt Simrock weiter, „wird dieses Gedicht ohne jenes süße Gefühl inniger Befriedigung lesen, die ein vollendetes Kunstwerk in der Seele zurückzulassen pflegt. Ich verhehle nicht, daß ich den armen Heinrich für das beste christliche Gedicht halte, das wir besiyen.“

Das Glossar zu diesem Lesebuch wird im November d. I. erscheinen; ich gebe es getrennt aus, weil so das Nachschlagen erleichtert wird.

Möge diese Sammlung geeignet befunden werden, unsere studirende Jugend mit den schönsten Werken der ersten Glanzperiode unserer Literatur bekannt zu machen und zu befreunden!

München, den 1. Mai 1863.

Englmann.

Grammatik.

§ 1. Die Vocale.

Des Umlauts

1. Die kurzen Vocale sind a, e, i, o, u, die langen â, ê, î, ô, û; die Diphthonge sind ei, ie, iu [ü], ou [au], uo. fähig sind a, o, u, â, ô, û, ou, uo.

a lautet um zu e, o zu ö, u zu ü

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"" " æ, ô 99
ôn, uo, üe.

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û iu [ü]

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Beispiele: hand hende, mohte möhte, hunt gehünde, wân wænen, grôz grozer, hûs hiuser, loup löuber, huot hüete.

Anm. 1. e ist in zweisilbigen Wörtern nach kurzer Wurzelsilbe stumm, nach langer Wurzelsilbe tonlos, z. B. sagen sprich sagn, dagegen frâgen. 2. Folgen in einem dreisilbigen Worte auf eine kurze Wurzelsilbe zwei Silben mit e, so ist das Bildungs-e stumm, das Beugungs-e tonlos; ist aber die Wurzelsilbe lang, so ist das Bildungs-e tonlos, das Beugungs-e stumm, 3. B. sagete spr. sagte, frâgete spr. fraget. 3. Das stumme e wird häufig syncopirt oder apocopirt, und zwar nach 1 und r regelmäßig, oft auch nach m und n, daher kils, kil, var, varn, varnde statt kiles, kile, vare, varen, varende.

2. Wurzelhaftes i wurde im Althochdeutschen in e gebrochen (gebrochenes e), wenn in der Ableitung oder Beugung ein a folgte, ebenso iu in ie; diese Brechung dauerte auch im Mittelhochdeutschen fort, als das a in e abgeschwächt war, z. B. ich gibe, wir geben, ich verliuse, wir verliesen.

Anm. 1. i und e wechseln auch sonst oft, besonders in Endsilben, z. B. kunic und kunec, gewaltic und gewaltec, irtwingen und ertwingen, grozist und grozest, muosin und muosen (mußten).

2. Dem Mittelhochdeutschen î entspricht neuhochdeutsch meist ei, dem û au, dem iu cu und ie, dem ou au, dem uo langes u, dem u u, o und ö, z. B. lip Leib, hûs Haus, hiute heute, troum Traum, ruoder Ruder.

§ 2. Die Consonanten.

1. c und k haben die gleiche Aussprache und wechseln; im Auslaut wird c, im An- und Inlaut k geschrieben.

2. Für f steht oft pf und ph, z. B. kafen, kapfen, kaphen. 3. g und k vor t werden h, z. B. mugen, mohte; denken, dâhte. 4. Anlautendes j wird vor i zu g, 3. B. jehen, ich gihe, ich jach.

Englmann, Lesebuch.

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