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31., vielleicht auch in anderen Büchern gegebenen Andeutungen zur leichteren Handhabung des Werkes jene Abtheilung von den Buchhändlern eingeführt worden. So zweckmässig diese für den Gebrauch war, so verderblich ist sie für die Geschichte des Livius selbst geworden, da so einzelne Partien leichter verloren gehen konnten, ein Schicksal, welches die zweite Decade und alle Bücher vom 46. an betroffen hat, so dass wir nur 35 Bücher, und von diesen das 41. und 43. nicht vollständig, besitzen. Wann diese grosse Anzahl von Büchern verschwunden sei, lässt sich nicht bestimmen. Noch nach Priscian bis in das siebente Jahrhundert finden sich einzelne Anführungen aus Büchern, die jetzt nicht mehr existiren; aber schon im Mittelalter scheint man keine anderen als die auch uns erhaltenen gekannt zu haben. Doch ist die Hoffnung, dass hier oder dort die fehlenden Bücher sich finden würden, oft angeregt, aber bis jetzt immer getäuscht worden, und es lässt sich wol kaum erwarten, dass wir je in den Besitz des ganzen Livius kommen werden, wenn auch kleinere Stücke, wie es namentlich 1772 und mehrfach in den letzten Jahren geschehen ist, entdeckt werden mögen. Einen dürftigen Ersatz für den unersetzlichen Verlust bieten die bereits erwähnten Periochae, die gewöhnlich Epitomae oder Argumenta genannt, und lange, aber ohne Grund, dem Florus, wahrscheinlich weil dessen Werk Epitomae de Livio betitelt war, beigelegt wurden. Diese Periochae sind kurze Inhaltsangaben, in welche für rhetorische Zwecke angelegte Verzeichnisse von hervorragenden Tugenden und Lastern verwebt sind, und erstrecken sich bis zum 142. Buche, doch ist der Auszug des 136. und 137. verloren gegangen. Neben diesen scheint noch ein zweiter Auszug mehr chronologischer Art vorhanden gewesen und von Iulius Obsequens bei der Aufzählung der prodigia, von Cassiodor für seine Liste der Consuln benutzt worden zu sein.

Der grosse Umfang des Werkes lässt vermuthen, dass Livius einen grossen Theil seiner Lebenszeit demselben gewidmet haben werde. Schon deshalb ist es nicht wahrscheinlich, dass, wie Niebuhr Vortr. ü. röm. Gesch. 1, 45 annimmt, die erste Decade nicht vor 745 herausgegeben worden sei. Er bezieht nämlich die Worte 9, 36: silva erat Ciminia magis tum invia atque horrenda, quam nuper fuere Germanici saltus auf die Feldzüge des Drusus 742 bis 745, durch welche die Germanischen Gebirge zugänglich gemacht wurden. Allein schon der Zusatz a. a. O.: nulli ad eam diem ne mercatorum quidem adita deutet nur auf eine allgemeine Kenntniss der Wälder Germaniens hin, wie

Flor.

sie schon durch die Nachrichten Caesars B. G. 6, 24 ff., vgl. 1, 45 (3, 10), 14, gegeben, wahrscheinlich durch Agrippa, der 716 über den Rhein gieng, durch Caius Carinas, s. Dio Cass.51, 21, durch die Kriege mit den Germanien benachbarten Völkern in Pannonien und auf den Alpen vielfach erweitert war. Dionysius von Halikarnassus, welcher 747 seine Geschichte herausgab, scheint den Livius nicht gekannt zu haben, wenigstens erwähnt er denselben nicht. Die Andeutungen aber, dass Livius im 8.-10. Buche Dionysius benutzt habe, sind so wenig sicher, dass sie bestimmtere Angaben nicht zweifelhaft machen können. Es heisst nämlich 1, 19: bis deinde post Numae regnum (Ianus) clausus fuit, semel iterum, quod nostrae aetati di dederunt ut videremus, post bellum Actiacum ab imperatore Caesare Augusto pace terra marique parta, wie Livius, weil er hier blos die erste durch Octavianus im J. 725 erfolgte Schliessung des Ianus berührt, nur vor 729 schreiben konnte, da in diesem Jahre der Ianus zum vierten-, von Augustus zum zweitenmale geschlossen wurde, was er, wenn es schon eingetreten gewesen wäre, nicht hätte übergehen können. Dagegen weist der Titel Augustus, der hier und sonst dem Octavianus beigelegt wird, darauf hin, dass erst nach 727, wo ihm derselbe gegeben wurde, Periocha 134, das Werk begonnen sein kann. Auf dieselbe Zeit führt 4, 20, wo Augustus als Hersteller des Tempels des Iuppiter Feretrius, welchen er wahrscheinlich 723 a. u. neu gebaut hat, und als conditor ac restitutor templorum omnium, ein Verdienst, das sich Augustus nach dem Mon. Ancyr. IV, 17; Dio Cass. 53, 2 schon 726 erwarb, gepriesen wird. Damit stimmt ferner überein, dass Livius, als er diesen Theil bearbeitete, die Bürgerkriege in frischem Andenken hatte, s. praef.; 7, 40, 2; 9, 19, 15 und deren Folgen noch keineswegs verwischt waren, s. 2, 44; 3, 66f.; 6, 12; 7, 25. Das neunte Buch muss vor 734 geschrieben sein, weil Livius sonst 9, 18, 9 nicht verfehlt haben würde den Gegnern der Römer die Auslieferung der römischen Fahnen durch die Parther, Periocha 141, welche in dem genannten Jahre erfolgte, entgegenzuhalten. An der dritten Decade mag er im vierten Jahrzehend des 8. Jahrhunderts gearbeitet haben, wenigstens scheint 28, 12, 12: (Hispania) prima Romanis inita pro̟vinciarum, quae quidem continentis sint, postrema omnium nostra demum aetate ductu auspicioque Augusti Caesaris perdomita est nicht allein auf den Krieg des Augustus 727-729, sondern auch auf den Sieg des Agrippa über die Cantabrer im Jahre 735 bezogen werden zu müssen, der als so bedeutend angesehen wurde,

dass Agrippa der Triumph zuerkannt werden sollte, s. Dio Cass. 54, 11; vgl. 53, 25; Tac. Ann. 4, 5. Das 59. Buch ist nach 736 geschrieben, da in demselben das von Augustus in jenem Jahre gegebene Gesetz de maritandis ordinibus erwähnt war. Aus einigen Andeutungen, wie 34, 9; 40, 34, 13 u. a. ist für die Zeit der Abfassung der einzelnen Bücher nichts zu entnehmen; aber diejenigen, in welchen von Pompeius die Rede war, scheint nach Tacitus Ann. 4, 34 Augustus noch gelesen zu haben; was auch dadurch bestätigt wird, dass nach einer Bemerkung in der ältesten Handschrift der Periochae das 121. und vielleicht auch die folgenden Bücher nach dem Tode des Augustus, also in dem kurzen Zeitraum von 4 Jahren wenn nicht verfasst, doch herausgegeben sein sollen. Livius hat also wenigstens 40 Jahre und bis an seinen Tod unermüdlich an seiner Geschichte gearbeitet, was auch in der bereits erwähnten Stelle aus der praefatio des Plinius angedeutet wird.

Dass er ein so umfangreiches Werk nach und nach herausgegeben, nicht bis zur Vollendung zurückbehalten habe, ist schon an sich wahrscheinlich, besonders da er vielleicht nicht einmal zum Abschluss desselben gelangte. Es sprechen aber dafür auch die Einleitungen zu mehreren Büchern, welche voraussetzen, dass die vorhergehenden Bücher bereits in den Händen Vieler sich befanden, indem wahrscheinlich jedesmal mehrere Bücher, die ein kleineres Ganze bildeten, veröffentlicht wurden; ferner der Vorwurf der Patavinität, welcher Livius von Asinius Pollio gemacht wurde; die Kenntniss des Augustus von dem Inhalt mehrerer Bücher; besonders aber der Ruhm, welcher Livius schon bei seinen Lebzeiten zu Theil wurde, wol nicht wegen seiner rhetorischen oder philosophischen Werke, sondern wegen seiner alle Vorgänger weit überragenden Geschichte. Bekannt ist, was Plin. der Jüngere erzählt Epist. 2, 3: numquamne legisti Gaditanum quendam T. Livi nomine gloriaque commotum ad visendum eum ab ultimo terrarum orbe venisse statimque ut viderat abiïsse? Dasselbe bezeugt Plin. der ältere in der angeführten Stelle der Vorrede profiteor mirari T. Livium quodam volumine sic orsum: satis iam sibi gloriae quaesitum et potuisse se desidere, ni animus in quiete pasceretur opere. Je günstiger aber die Aufnahme war, welche die bereits vollendeten Theile fanden, um so mehr musste sich Livius aufgefordert fühlen die folgenden, sobald es geschehen konnte, zu veröffentlichen. Nach der zuletzt angeführten Stelle könnte es leicht den Schein gewinnen, als ob Livius nur aus Ruhmsucht und um den unruhigen Drang seines

Gemüthes zu stillen die Geschichte geschrieben habe, und den von Plinius ausgesprochenen Tadel verdiene: profecto populi gentium victoris et Romani nominis gloriae non suae composuisse illa decuit. maius meritum esset operis amore non animi causa perseverasse, et hoc populo Romano praestitisse non sibi. Indess kann es auf der andern Seite einem Geschichtschreiber nur zum Ruhme gereichen, und ein Beweis liebevoller Hingebung an seinen Gegenstand und unermüdlicher Ausdauer sein, wenn er gesteht, dass er ohne für ein einmal begonnenes Werk thätig zu sein nicht ruhen, nicht leben könne. Dass diese Hingebung und eine innige Freude an seinem Werke das Gemüth des Livius erfüllt, dass er in einer in vieler Beziehung trüben und trostlosen Gegenwart durch die Betrachtung der Vorzeit sich gestärkt und aufgerichtet habe, spricht er in der Vorrede und an vielen anderen Stellen aus. Aber dass sein Zweck noch ein höherer, seine Beweggründe noch reinere und edlere waren, davon giebt das Werk selbst den klaren Beweis, und er hat sich, wenn auch weniger vollständig, darüber in der Vorrede ausgesprochen. Gerade die Verherrlichung seines Volkes und Vaterlandes, die Plinius vermisste, betrachtet er als seine Aufgabe: iuvabit rerum gestarum memoriae principis terrarum populi pro virili parte et ipsum consuluisse. Er will den bewundernswürdigen Thatenreichthum der Vorfahren, der bis dahin nur dürftig und in veralteter oder gesuchter Form vorgetragen war, durch gewissenhafte Treue und klare, schöne, der Grösse des Gegenstandes angemessene Darstellung der Mit- und Nachwelt zugänglich machen; durch die Beseitigung des Trockenen, Schwierigen, Unbegründeten seinen Lesern einen reinen und ungestörten Genuss bereiten, s. 6, 12; 10, 31. Wenn er sich aber nur dieses Ziel gesetzt hätte, so würde er einen für den Geschichtschreiber zwar nicht zu vernachlässigenden, aber doch nur einen untergeordneten Zweck verfolgt, eine unterhaltende Lectüre geschaffen, aber keine tieferen Erfolge gesucht und erlangt haben. Allein gerade auf eine nachhaltige geistige Wirkung auf seine Zeit und eine Beziehung der Vergangenheit auf die Gegenwart war das Streben des Livius gerichtet. Selbst erfüllt von dem Bewusstsein der Grösse seines Volkes, seiner hohen Vorzüge und ruhmvollen Thaten will er seinen gesunkenen und erschlafften Zeitgenossen in einem lebendigen Bilde die Wahrheit vorhalten, dass nur durch Tugend und Mannhaftigkeit, durch Gerechtigkeit und Frömmigkeit der römische Staat sich emporgeschwungen und die Weltherrschaft errungen hat, s. praef. 9. Es ist die religiös-sittliche Bedeutung

und Würde der Geschichte, welche Livius auf das Tiefste fühlt und zur Anerkennung zu bringen strebt, nicht, durch moralische Betrachtungen und Ermahnungen, sondern indem er durch lebensvolle Schilderung von Personen und Zuständen für die Tugend begeistert, durch die Hinweisung auf die Wege des Schicksals die Ahnung des göttlichen Waltens erweckt und dadurch seiner Darstellung die Wärme, Kraft und Weihe verleiht, von der er selbst durchdrungen und gehoben war.

Ausgestattet mit einem reichen, poetischen Gemüthe und einer blühenden Phantasie, mit einer glänzenden Gabe der Rede und Darstellung, mit Sinn für Wahrheit, einem feinen Gefühle für das Edle und Reine, einem sicheren Tacte für das Angemessene und Schöne war er im Stande das zu erreichen, was die Alten von der Geschichte und ihrer Darstellung forderten, s. Quintil. 10, 1, 31: est enim (historia) proxima poetis et quodam modo carmen solutum—ideoque et verbis remotioribus et liberioribus figuris narrandi taedium evitat. Jener dichterische Sinn tritt am deutlichsten hervor in der Art, wie Livius die Volkssage aufgefasst und das mythische Zeitalter seiner Nation dargestellt hat. Ueberzeugt, dass es den Völkern gestattet sei ihre Urzeit dichterisch auszuschmücken, s. praef. 7: datur haec venia antiquitati, ut miscendo humana divinis primordia urbium augustiora faciat, sucht er in derselben nicht, wie manche frühere Historiker, wirkliche Geschichte, sondern erzählt das Wunderbare, ohne es mit nüchterner Berechnung seines Schmuckes zu berauben, in poetischem Sinne, in edler Einfachheit, Frische und Lebendigkeit. Aber auch in der wirklichen Geschichte ist dieses dichterische Talent sichtbar, sobald sich würdige Gegenstände finden, in den Gemälden grosser Ereignisse, in den Schilderungen bedeutungsvoller Situationen, der Charakteristik ausgezeichneter Männer. Hiermit steht in enger Verbindung, dass Livius mit offenem Sinne für Menschengrösse und Menschenschicksale und mit wohlwollendem Gemüthe das in irgend einer Beziehung Wichtige oder Anziehende begleitet und hervorhebt und dadurch eine Frische über das Ganze verbreitet, die dem Leser wohlthut und ihn immer mit neuem Interesse erfüllt. Schon die Alten erkennen es an, dass Keiner wie er die zarteren Motive der Handlung, die feineren Gefühle der Liebe, Pietät, Freundschaft, Trauer und Begeisterung mit solcher Innigkeit und Zartheit aufgefasst und geschildert habe, s. Quint. 10, 1, 101: neque indignetur sibi Herodotus aequari T. Livium, cum in narrando mirae iucunditatis clarrissimique candoris, tum in contionibus supra quam enarrari

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