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Vorrede.

Böckh schrieb im Jahre 1808 eine Abhandlung „Von dem Uebergange der Buchstaben in einander" (zuerst in den „Studien von C. Daub und Fr. Creuzer" Bd. IV kl. Schr. Bd. III), in welcher es heisst: „Jetzo kann man wohl sagen, dass diese Sprachlehre noch in den ersten Elementen stehe; nur ihre Mitte ist aufgeklärt, wir meinen das Gewöhnliche von Etymologie und Syntax; wie viele Bernhardi's werden aber noch erfordert, um die beiden Enden einigermaassen befriedigend zu bearbeiten, nemlich was diesseits der Etymologie und jenseits der Syntax liegt, letzteres die ethische Betrachtung der Sprache, ihr Werth, ihre Bedeutung, Wirksamkeit und verschiedener Gebrauch für das Gemüth nach ihren verschiedenen Elementen, eigentlich dasjenige, was in die Logik, Aesthetik, Rhetorik und Poetik gehört" cet.

In dieser Richtung, welche Böckh als „den künstlerischen Gebrauch der Sprache bezeichnet, „für welchen bis jetzt nichts Bedeutendes gethan worden, wiewohl der Aesthetiker und Poetitiker, der Logiker und Rhetoriker hunderte vorhanden sind" bewegt sich die vorliegende Arbeit.

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Nennt man die Tonkunst, so wird sogleich verstanden, wovon man spricht, und so sollte auch kein Zweifel sein, was Sprachkunst bedeutet. Indessen ist es zwar hergebracht, den Ton als Material der Tonkunst zu betrachten, wenn man aber an die Kunst dachte, welche sich des artikulirten Tons - also der Sprache

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V.I

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als Materiales bediente, so verstand man unter dieser die Dichtkunst. Man wird sehen, warum ich dies für unrichtig halte. Es klingt wunderlich, wenn versichert wird, es sei bis jetzt eine Kunst, welche doch jeder in ihren Hervorbringungen kennt, übersehen worden, wenn also eine solche Kunst gewissermaassen jetzt entdeckt wird; aber es ist andererseits nicht schwer zu bemerken, woher es kommen konnte, dass die Aesthetik über diese Kunst hinwegsah, deren Abgränzung die schwierigste ist und deren Werke nicht bedeutend auffallen, weil sie mehr der flüchtig vorüberrauschenden lebendigen Rede angehören, als der Literatur.

Man sah in der Sprache die Kunst nicht, weil Sprache sich zugleich immer als Bedürfniss zeigt, und weil sie dem Auge zu nahe lag, um in ihrem wahren Wesen angeschaut werden zu können. Man wagte nicht, sich in der wunderlichen Lage zu glauben, dass man unwissentlich unaufhörlich eine Kunst übe, etwa wie M. Jourdain in Molière's: le bourgeois gentilhomme (A. II, Sc. 4): „Par ma foi, il y a plus de quarante ans que je dis de la prose, sans que j'en sçeusse rien." Was man aber doch als Kind in den Hervorbringungen der Sprache erkannte, das sonderte man von den verwandten Künsten und Techniken wegen einer Unklarheit nicht, wie sie z. B. ihren Ausdruck fand in der Aufstellung jener, schönen Redekünste ", über welche sich schon Göthe (Gr. A. Bd. IV, p. 261) ärgert, „denn herkömmliche Ausdrücke, woran niemand mehr Arges hat, verüben doch einen schädlichen Einfluss, verdüstern Ansichten, entstellen den Begriff und geben ganzen Fächern eine falsche Richtung."

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Man wird finden, dass durch die Einführung des Begriffs der Kunst eine bisher vermisste Ordnung und Bestimmtheit in die Theorie von der Sprache und von den sogenannten redenden Künsten gebracht wird, eine Ordnung nicht bloss äusserlicher Art, so dass wir etwa nur Namen und Rubriken änderten, sondern so, wie sie aus Klarheit der Grundanschauung und aus befriedigender Einsicht in das Einzelne hervorgeht.

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Wir haben dabei mit Sorgfalt die Traditionen verfolgt, und man wird sich vielleicht wundern, dass wir auch bei vielfach schwachen und dürftigen Figuren- und Tropensammlern, Rhetoren cet. uns aufhalten. Zunächst ist darüber zu bemerken, dass im Ganzen doch viel mehr Genauigkeit, Scharfsinn, Liebe in der Betrachtung der Sprache von jenen Alten bewiesen wird, als man nach den geringschätzigen Reden- mancher Neueren erwarten sollte. Ferner aber ist zu bedenken, dass nur ein möglichst gehauer Anschluss an die alte Ueberlieferung uns vor völliger Verwirrung in diesen Dingen bewahren kann., Achtung vor den Alten, grössere Genauigkeit und Vorsicht würden manche neuere Lehrbücher, in welchen diese Dinge behandelt werden, vor Verkehrtheiten und Missverständnissen bewahrt haben, und obwohl die Terminologie der Alten an Unbestimmtheit, Ueberfülle, Schwanken u. dgl. leidet, wird doch kein neueres Volk sie durch eigen Erdachtes ersetzen können. Die Rhetorik, wie die Logik, Metaphysik, Medizin u. A. ist nicht von uns erfunden, und die Continuität der Tradition kann für ihre Termini nicht aufgegeben werden. Dass eine Menge des Ueberlieferten in Wegfall kommen kann, dass Anderes genauer zu bestimmen ist, versteht sich von selbst aber auch das wird erwünscht sein, dass sich hier in genügender Vollständigkeit bei einander findet, was festzuhalten und was aufzugeben räthlich erscheint.

In welchem Sinne wir übrigens die Sprache dèm Begriff der Kunst einordnen, wird aus dem Werke selbst zu entnehmen sein. Vom Aberglauben an die Kraft von Titeln, Rubriken, wissenschaftlichen Kunstausdrücken wissen wir uns frei. Das Wort „Kunst“ ist, eben als Wort, lediglich ein Bild, und wir wissen, dass es vergebliche Mühe wäre, mit Bildern Kunstmitteln schärfer bestimmen und abgränzen zu wollen, als es eben möglich ist. Wir sagen nur etwa Dies, dass es für die Erkenntniss sowohl des Wesens wie der Formen der Sprache von, wie uns scheint, entscheidender Wichtigkeit ist, wenn wir ihren Begriff in die Sphäre

des Sprachbildes „Kunst“ hineinsetzen, in dem Sinne, dass Kunst vor Allem ein freies Können bezeichnet, wie réxn auf dem TiXTEL beruht, ars ein dprúe ist, von dem Cicero treffend sagt (de nat. Deor. II, 22): „, artis maxime proprium est creare et gignere;" wir verzichten aber, durch diese Einordnung eine Bestimmtheit zu erreichen, welche das System zwar abrundet, der Natur der Dinge aber Gewalt anthut.

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Der Verfasser muss befürchten, dass die Entwickelung desselben Gedankens bei seiner Anwendung auf verschiedene Fälle öfter, wenn auch in anderer Form, wiederkehrt, als es nöthig ist. Es liegt dies daran, dass seine amtliche Thätigkeit ein stätiges Arbeiten nicht erlaubte, so dass Spuren des öfteren Wieder-Anfangens und Sich-Hineindenkens entstehen mussten. Vielleicht ist indess bei der ersten consequenten Entwickelung einer neuen Auffassung, und da auch der Leser nach der Natur des Abgehandelten mehr nach Abschnitten sich mit der Sache beschäftigen wird, als mit der Darstellung des ganzen Gebietes, der angegebene Uebelstand nicht ohne Nutzen.

Den zweiten Band, welcher das Werk abschliesst, hofft der Verfasser in Jahresfrist vorlegen zu können; es wird demselben ein vollständiger Index terminorum beigegeben werden.

Bromberg, den 18. März 1871.

G. G.

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