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beide stehen in demselben Gegensatze zur dichterischen Sprache. Wer denkt überhaupt z. B. daran, dass irgend eine Mittheilung geschäftlicher Art in „gebundener Rede" nicht erfolgen könne? Wenn gesagt wird, die Sprache der Poesie sei älter, als die Prosa, meint man dann etwa, dass die aus dem Bedürfniss hervorgehende Mittheilung unter den Menschen zuerst in gebundener Rede stattgefunden habe? - Prosa ist vielmehr ein Ausdruck, welcher die auf einem gewissen Standpunkt der Völker sich erzeugende Entgegensetzung gegen die Sprache der Poesie bezeichnet; er gehört in die Geschichte der Literatur. So ist es gemeint, wenn Plinius hist. nat. VII, 56 erzählt: „Prosam orationem condere Phercydes Syrius instituit, Cyri regis aetate; historiam Cadmus Milesius". oder V, 29: „Cadmus primus prosam orationem condere instituit, oder Suidas v. Εκαταῖος: „πρῶτος ἱστορίαν πεζῶς ἐξήνεγκε, συγγραφὴν δὲ Φερεκύδης" und Strabo I, 18, der dies am deutlichsten ausspricht: „ πεζός λόγος, ὅγε κατεσκευα σμένος, μίμημα τοῦ ποιητικοῦ ἐστι. πρώτιστα γὰρ ἡ ποιητικὴ κατασκευὰ παρῆλθεν εἰς τὸ μέσον καὶ εὐδοκίμησεν. εἶτα ἐκείνην μιμούμενοι, λύσαντες τὸ μέτρου (τἆλλα) δὲ φυλάξαντες τά ποιητικά, συνέγραψαν οἱ περὶ Κάδμου καὶ Φερεκύδη καὶ Ἑκαταῖον.“ Zu dem xαTEσxevaouevos bemerkt Casaubonus: „Non dicit, omnem orationem solutam esse poëtica posteriorem: sed artem oratoriam post poëticam esse natam. Eos autem, qui poëticam omni oratione soluta priorem esse putant, eleganter irridet Aristides in oratione de laudibus Serapis." Es ist also die Prosa, wenn nicht eine Kunst, doch Sache einer Technik, und Molière's Maistre de philosophie ist also nicht völlig im Rechte: „Tout ce qui n'est point prose, est vers; et tout ce qui n'est point vers, est prose", so dass auch de la prose wäre: „Nicole apportez-moy mes pantoufles" cet. Prosa nämlich würden wir dies

nur in jenem weiteren Sinne nennen, in welchem es den Gegensatz zur Kunst überhaupt bezeichnet. Diese Kunst aber im Besonderen, welcher die gewöhnliche Rede der Bedürfnisse gegenübersteht, ist eben die Sprachkunst.

Die Prosa im Gegensatz zur sogenannten dichterischen Sprache ist kein zufällig, d. h. nach beliebigen, wechselnden Zwecken zusammengebrachtes und beliebig verwandtes Material, sie ist xατεoxevaouevos, dient den verschiedenen Gattungen der Prosadar

stellungen ebenso, wie die dichterische Sprache den verschiedenen Gattungen der Dichtkunst, so dass von einer allgemeinen Dichtersprache, welche gleich gut auf Epos, Lyrik, Drama; Idyll und Heldengedicht; Posse und Tragödie cet. passte, ebensowenig die Rede sein kann, wie von einer guten Prosa überhaupt, die nämlich gut wäre z. B. für den historischen Styl wie für den der Beredsamkeit oder der Wissenschaft u. d. m. Die Sprache ist nicht das Material, in welchem die Poesie arbeitet, denn dies ist die menschliche Vorstellung selbst; sondern ist nur die Aussenseite dieses Materials, nach welcher es auch ein hörbares ist, also der Erscheinungswelt sich einreiht. Und ebenso ist die prosaische Sprache nicht das Material, welches z. B. die Geschichte, die Beredsamkeit, die Wissenschaft bearbeitet, denn auch deren Arbeiten liegen im Gebiete des Geistes; sondern sie ist dienend, bedingt in ihrer Formirung, im Stil, durch den Inhalt, welchen sie zur Erscheinung bringen soll. Die dichterische Sprache ist nun allerdings stets die Darstellung des schönen Scheins einer Kunst, die prosaische ist meistens die Darstellung eines Begreifens, des Begriffs, aber es hindert nichts, dass auch die Poesie sich der prosaischen d. h. ungebundenen Rede zu ihrer Darstellung bediene, wie z. B. im Roman, im Idyll, dem Mährchen etc. und es ist in der That ein weiterer fester Unterschied zwischen poetischer und prosaischer Darstellung nicht vorhanden, als der von den Alten angegebene zwischen gebundener und gelöster Rede, von welchem freilich richtig ist, dass er nicht das Wesen der Poesie trifft, was er aber gar nicht kann, und dass er nicht alle Darstellungsweisen der Poesie umfasst, was er aber auch gar nicht sollte. Diejenige Behandlung der Sprache ist, auch bei der Dichtkunst, die beste, welche deren Eigenthümlichkeit am meisten Freiheit lässt, sie benutzt, aber nicht zwingt und unterdrückt, welche weder mit der licentia poëtica, den Fesseln des Metrums, der Einengung durch den Reim Gewaltthätigkeiten gegen die Sprache entschuldigt, noch die Gebilde der Sprachkunst in Uebermaass verbraucht, um durch Schmuck, einer anderen Kunst entlehnt, zu ersetzen, was bei ihr selbst an geistigem Gehalt vermisst wird.

Spricht man aber von Prosa in jenem weiteren Sinne, in welchem sie den Gegensatz zur Kunst überhaupt, also auch zur Poesie als einer solchen bezeichnet, so ist zu bedenken, dass mit

dieser zwar die ungebundene Rede - Prosa

verknüpft ist, weil

die gebundene einfach zweckwidrig wäre, aber dass desshalb nicht umgekehrt die Poesie von dem Gebrauch der ungebundenen Rede ausgeschlossen wird. Man wirre also die Begriffe nicht durch einander.

Nicht in der Sprache, dem gemeinsamen Vehikel der Darstellung für Kunst und Nicht-Kunst, ist der Unterschied zwischen Poesie und Prosa (in weiterer Bedeutung) zu suchen, sondern in der verschiedenen Weltanschauung. Bestimmter tritt dieser Unterschied erst hervor in der Literatur eines Volkes, als welche einerseits das Sein der Dinge wiederzugeben sich bemüht, soweit es als wirklich bestehend betrachtet wird: Prosa andererseits auch das Sein, soweit es durch die Wirklichkeit nur zu einem Schein gebracht wird, also nur Symbol ist eines vorausgesetzten höheren Seins: Poesie. Literatur aber, Prosa wie Poesie, entsteht erst dann, wenn ein Volk zum Bewusstsein seiner selbst gelangt, eine Gedankenwelt sich erbaut; ihr Reichthum ist nur Gradmesser und Folge des sich ausbreitenden und vertiefenden Bewusstseins, hebt sich und sinkt mit diesem in Wechselwirkung, wie denn die Literatur z. B. steigt, wenn ein Volk durch grosse Thaten in höherem Grade selbstbewusst wird.

Was nun poetischer und prosaischer Ausdruck genannt wird, ist lediglich Folge jener Grundverschiedenheit in der Auffassung, denn das Sein, als letzte Wirklichkeit betrachtet, verlangt eigentliche, wirkliche, den Dingen nachgehende Darstellung; das Sein aber als blosser Schein wird nur dann angemessen dargestellt, wenn auch die Darstellung selbst als Schein wirkt, was aber durch allerlei Sprachkunstmittel, überhaupt durch Einzelnes nicht mit Sicherheit zu gewinnen ist, zum Theil freilich z. B. durch Vers, Reim, Bildsprache erreicht wird, aber auch der ungebundenen und einfachen Rede gelingen kann. Die Sprachkunst hat es mit diesem Gegensatz als solchem nicht zu thun, obwohl natürlich der Unterschied der Weltanschauung sich auch in ihr geltend macht, so dass sich die Sprache des Bedürfnisses und die der freien Darstellung, Darstellung um ihrer selbst willen, d. h. Kunst gegenüberstehn. Diese Sprache des Bedürfnisses, die Prosa der Sprachkunst, gehört aber gar nicht in die Literatur; sie wird, wenn nicht scharf, doch ge

nügend, als Sprache des gewöhnlichen Lebens bezeichnet. Wie aber steht es mit den Werken der Sprachkunst? Wo findet man sie? Und wie verhält sich die Sprache der Sprachkunst zu der sogenannten Sprache der Poesie?

Wir können an dieser Stelle hierauf nur im Allgemeinen antworten. Das der Sprachkunst eigenthümliche Gebiet wird deutlicher hervortreten, wenn wir in den folgenden Abschnitten es genauer gegen die Dichtkunst und Rhetorik abgränzen, wir bemerken hier nur dies, dass die Bildung der Sprache selbst als Kunst vor jeder Literatur liegt, und zwar begrifflich: durchaus, zeitlich: im Wesentlichen, dass diese also von dem Gegensatz der Poesie und Prosa (im engeren Sinne, wie im weiteren) nicht berührt wird, sie vielmehr durch ihre Hervorbringungen erst die Mittel liefert zur Ausbildung der verschiedenen Stilgattungen; dass ferner die Sprachkunst neben jenem Gegensatz sich hält und ihn für sich nicht beachtet. Wie weit aber die Sprachkunst ihre Werke zur Literatur stellt, wird sich später ergeben. In wie fern nun dennoch die Werke der Sprachkunst auf die Darstellung der Poesie Einfluss haben, darüber bemerken wir an dieser Stelle nur das Folgende.

Die Werke der Sprachkunst sind theils der Art, dass sie selbstständig für sich fortleben, wie z. B. Epigramme, Parabeln, Räthsel, Gnomen u. a. theils sind sie geringeren Umfangs, weil sie den einzelnen Lebensmoment nur abbilden, aber nicht entfalten, und dann reihen sie sich von selbst wie im Anfang der Sprachbildung die Wörter und Wortformationen dem vorhandenen Sprachschatz ein und werden so ebenfalls zu Sprachmitteln, welche jedoch als Schmuck erscheinen, so lange sie noch als Figurationen der gewöhnlichen Rede gefühlt und erkannt werden. Diese Ornamente, welche unter dem Namen der Redefiguren bekannt sind, verfallen ferner sogleich, nachdem die Sprache sie in sich aufgenommen, dem Gesetz der Analogie, welches die Sprachbildung beherrscht, und bei ihrer flüchtigen Natur verlieren sie bald ihren bestimmten sprachlichen Ausdruck, in welchem sie der Sprachkünstler ursprünglich niederlegte, und werden zu blossen Formen, zu Schablonen, nach denen dann die weiteren Verzierungen ausgeführt werden. Dabei ist zu bemerken, dass die Sprache immer neu geschaffen wird, dass sie immer Sprechen ist, dass also in

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diesem Flusse des Sprachlebens jeder neue Ornamentist ebensowohl Original-Künstler sein kann, wie er, von seinem Sprachgefühl geleitet, vielleicht nur und zwar meist unbewusst Nachahmer ist. - Diese letzteren, dem gewöhnlichen Sprachgebrauch bereits anheimgefallenen Werke der Sprachkunst werden allerdings dann auch in den Dienst der Poesie treten, und, wie ja natürlich ein Werk der Kunst auch äusserlich den schönen Schein gern um sich breitet, etwa den kunstvoll geschnitzten Rahmen um das herrliche Bild, die Arabesken an den Wandflächen in Kunstbauten, so wird die Poesie auch mit Vorliebe sich dieser Ornamente der Rede bedienen; aber ebenso bedient sich derselben jede affectvolle, feierliche, gehobene, scherzende Rede, um sich eine Färbung zu geben, namentlich z. B. die der Beredsamkeit, und eine besondere dichterische Sprache wird also durch diese Benutzung der unselbständig gewordenen Werke der Sprachkunst nicht constituirt. Aristoteles (Rhet III, 1) spricht z. B. von einer dichterischen Sprache (nointin Mégis), welche sich die Rhetorik ebenfalls angeeignet habe, womit eine Sprache bezeichnet wird, wie sie in Dichtungen vorzugsweise gebraucht wird, nicht aber der Poesie eine besondere, ihr eigenthümliche Sprache zugeschrieben ist. Es tritt ja z. B. auch bei gothischen Bauwerken der Bildhauer als Steinmetz vielfach an die Stelle des Maurers; sein Werk wird von dem Architekten als Theil des Mauerwerks mit Vorliebe denn das Einzelne verstärkt bei Anwendung solcher Technik den Eindruck des Ganzen zum Bau benutzt, darum aber giebt es doch kein plastisches, oder überhaupt künstlerisches Mauerwerk denn von ähnlichen Ornamenten könnte jedes prosaische Ding, ein Spiegel, ein Stuhl cet. Gebrauch machen; und ebensowenig giebt es etwa eine Sprachkunst, welche im Besonderen Sprache der Dichtkunst" wäre.

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3. Poesie und Sprachkunst.

Wir kommen dazu, das Gebiet der Sprachkunst genauer zu bezeichnen und gränzen es zunächst gegen die Poesie ab.

Poesie war von uns gefasst worden als die Kunst des Gedankens. Damit soll nicht nur gesagt sein, sie stelle irgendwie Gedanken dar, denn jede Kunst offenbart den Menschengeist, son

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