Obrazy na stronie
PDF
ePub

Auch

Wie wenig der Dorfmarkaner sich eine Veränderung seiner Lage wünscht, vielmehr in dieser Beschränkung ganz glücklich ist, sprechen Str. 4-6 aus. Statt seines Sandes wünscht er sich keinen fruchtbarern Boden; dieser Sand bedeckt hinlänglich den Samen und auf dem Kirchhof die Leichen, wobei wohl dem Pfarrer die biblische Vorstellung vorschwebt, daß die Leichen eine Saat sind, und auch die Wissenschaft gedeiht hier, wenn auch freilich, wie alles, was hier wächst, viel trockener. Und welch Glück bietet ihm der Hof mit den Hennen und Gänsen!*) die einförmige ländliche Abendunterhaltung gefällt ihm so ausnehmend, da man es nur mit einfältigen, treuen Naturen zu thun hat. Vetter Michel ist gangbare Bezeichnung eines einfachen, beschränkten Menschen, wie ähnlich die Namen Hans, Peter u. a. gebraucht werden, ja man verbindet die Hänse und die Vetter Micheln. Dem Dichter schwebte aber, wie die Bezeichnung ein deutscher Mann zeigt, auch der deutsche Michel vor, wie man den in behaglichster Beschränkung keine andere Sprache und Weise kennenden gewöhnlichen deutschen Philister nennt. In Wahrheit und Dichtung sagt Goethe, zu Straßburg habe ihn und seine Freunde bei ihren geselligen Gelagen oft Vetter Michel in seiner wohlbekannten Deutschheit besucht.*)

*) In dem Gedichte Liebe auf dem Lande erinnert sich Schmidt mit Luft, daß sie ihren Müttern so gern im Hofe zugesehen hätten, wie sie die jungen Butter fütterten, Schaf und Kuh melkten; ein andermal gedenkt er des freundlichen Gebrumme der Kuh und des Lustgeschnatters des Enterichs. Bei deu Gänsen schwebt wohl das Wiegenlied für belesene und empfindsame Personen von Claudius vor:,,Meine Mutter hat Gänse, Fünf blaue, sechs graue. Sind das nicht Gänse ?“ dessen Goethe 1787 bei Gelegenheit von Claudius gedenkt. Simrock hat den Spruch mit dem zwischengeschobenen „oho! ho! ho!“ im deutschen Kinderbuch 621.

**) Das von Kretschmer gegebene Volkslied,,Gestern Abend war Vetter Michel da“ muß aus unserm Gedichte geflossen sein.

Se stages há um púðinter Gumor in der Schlußfurgie, we de Loterete neš muaminiden Candlebens sei1er beinider Areude an seiner le notitle Rd ergießenden, Hier kunt bezen 2-átung gedent, mecei dieses ganze leere 36an muftinende Gereme letne glise Abfertigung *ridis, in solen Gegering zu der azimuternden ublandischen Yurtis, „menné con allen Zweigen Shar“. Goethe hatte sich ma 26th ur lege einer mit nitroler Bsionnenheit schaffrire Zehrung vereinigt, und war is in den entschiedensten wing tu düler bebagliden Serielei und Reimerei, zu jeder sal bem Gelbe der Dichtung sich breit machenden Mittelmäßigut guten. So mußte er sich auch um io mehr gegen den mittelmartiden Pfarrer wenden, der gewagt hatte, solchen, jeder shera Anisaaung und reinen Anmuth entbehrenden Singlarg ben Musen und Grazien zuzuschreiben, als dieser von ter Rritif als ein wahrer Dichter begrüßt und ihm selbst und Stiller und dem wenigstens gehaltvollern, wenn auch zu derfelben Aleinmalerei und alltäglicher Nüchternheit hinneigenden Bok entgegengestellt worden war. Daß hierbei dem guten @chmidt in gewisser Weise Unrecht geschah, da derselbe wirklich in seiner beschränkten Weise eine große Gewandtheit besaß, konnte vie gegen alle Mittelmäßigkeit sich erhebenden verbündeten Dichter nicht fümmern, ja sie erkannten ihn eben durch ihren Spott als ben bedeutendsten Vertreter dieser Richtung. Schon zwei Jahre später rühmte Goethe zu Schillers Aerger Grübels Ge= bichte, der einen außerordentlichen Vorsprung dadurch vor andern feines Gleichen habe, daß er mit Bewußtsein ein nürnberger Philister sei, aber Grübel hatte sich auch der heimischen Mundart bedient und sich dadurch von der kunstvollen Dichtung aus: Beschlossen, nicht die Musen und Grazien zu Gevattern gebeten.

Goethe hat sich hier mit ungemeinem Geschick in den Ton der schmidtschen Muse versezt, welche alle mit guter Beobachtungsgabe aufgelesenen Züge unbedenklich zu ihrer Darstellung verwendet und sich in dem ärmlichsten Abschreiben derselben gefällt, ohne ein wirklich schönes menschliches Gefühl zu erwecken, die Seele rein erklingen zu lassen; es ist die barste Beschränkung eines hausbackenen Sinnes, der sich behaglich in seinem Kreise herumdreht und nur darin aus dem gewöhnlichen Geleise tritt, daß sie auf ungewohnte Reimworte ausgeht, worin ihm denn hier auch Goethe gefolgt ist..*) Goethe hat selbst in der Parodie die charakteristischen Züge dieser zu ihrer Zeit im Gegensatz zu so manchen verzärtelten Dichteleien und bodenlosen Reimereien nicht ganz unberechtigten Weise, um nicht ins Unschöne zu gerathen, noch veredelt, wenn er auch das verliebte Paar durch den Quark waten läßt. Ein herrliches Beispiel der Idealisirung des Landlebens gab er selbst sieben Jahre später in den glücklichen Gatten (oben 4).

19. Epiphanias.

In Thüringen, im Erzgebirge, in Schwaben und an andern Orten, auch in Goethes Geburtsstadt, war es Sitte, daß am Dreikönigsabend drei vermummte Knaben in den Häusern umherzogen, von denen einer einen großen Stern auf einer Stange trug; sie stellten sich als die Dreikönige dar, deren Geschichte sie in herkömmlichem Sange vortrugen, und zum Schluffe baten sie den Hausherrn um eine Gabe. **) Goethe, der an solchen alten Volksscherzen große Freude hatte, verdroß es, daß die Polizei dieselben

*) Man beachte die Reimworte wenig König, tödten Poeten, bist Mist, Promenaden waden, start Quart, verlieret vegetiret, Hofe Zofe, zu glu, Pfauen grauen, besticheln Micheln.

*) Vgl. Hoffmann von Fallersleben Horæ Belgicæ II, 69 ff.

unterdrückte. Das war auch in Weimar der Fall. So lesen wir im weimarischen Wochenblatt in einem polizeilichen Verbote vom 24. Dezember 1777: „Demnach das Neujahrs-Singen und Herumlaufen mit Sternen und Heiligendreikönigsbildern von Kindern und andern Personen, deren dieserhalb bereits ergangenen Pönalverordnungen ohngeachtet, noch nicht gänzlich unterlassen worden, sondern sich dergleichen auch im vergangenen Jahre beigehn lassen, diesem Unwesen ein vor allemal nicht länger nachzusehn. Kinder und Handwerksburschen, welche dieses thun, sollen durch den Gassenvogt mit Schlägen nach Hause gewiesen und die Eltern oder Lehrherrn mit nachdrücklicher Geld- oder nach Befinden Gefängnißstrafen belegt werden."*) Goethe machte sich nun den Spaß, dieses so streng verbotene sogenannte Sternsingen bei Hofe einzuführen. Sein in freier Weise dem Volkssang nachgebildetes Lied ward 1781 am Vorabend des Dreikönigstages (Epiphanias), einem Sonnabend, am Hofe in Gegenwart des Prinzen von Meiningen und anderer Gäste aufgeführt. „Unser Spaß ist gestern sehr glücklich ausgeführt worden“, schreibt Goethe den folgenden Morgen an Frau von Stein. Den ersten der Dreikönige, den weißen und schönen, der mit allen Spezereien kein Mädchen erfreuen wird, **) stellte die schon vor mehrern Jahren nach Weimar gezogene Kammersängerin Corona Schröter dar, die die außerordentliche Schönheit ihrer Züge und ihres hohen Wuchses durch

*) In Weißes Kinderfreund wird am Anfange des Jahres 1778, wie schon in der ersten Auflage (I, 316 f.) bemerkt ist, dieser ,,Bettelei” im Erzgebirge gedacht, die wegen des damit verbundenen Unfugs von der Obrigfeit verboten worden.

**) Der Scherz wird durch das ohne Zweifel erst später nach Mädchen eingefügte mehr entstellt. Statt sein Tag erwartet man mein' Tag' wie im Göt, mein' Tage im Faust und sonst, wie sein' Tage im Egmont und in Jery und Bätely nach der dritten Person.

die sorgfältigste Auswahl ihrer Kleidung zu erhöhen wußte. Die beiden andern hatten „zwei Sänger“ übernommen, wahrscheinlich dieselben, welche im Sommer 1782 neben Corona Schröter die Hauptrolle in Goethes Fischerin spielten, der Hoftanzmeister Aulhorn (der braune und der lange) und der Oberconsistorialsekretär Seidler (der schwarze und der kleine).

Den Anfang gibt Weiße also:

.Die heiligen drei Könige mit ihrem Stern

Essen, trinken, bezahlen nicht gern. *)

Goethe gab die ihm geläufige Volksform, nur mußte er auch mit der gangbaren Freiheit trink'n schreiben, wie er auch wohl ursprünglich that. In Schwaben heißen die Verse:

De heilige Dreikünnig mit ihrem Stearn,

Se suchet de Herren, se hättet ihn gern.

Anderswo beginnt das Lied:

Gott so wolln wir lobn und ehrn

Die heiligen Dreikönige mit ihrem Stern. **)

Alles folgende ist durchaus abweichend. Nach der einen Fassung spricht der Mohrenkönig allein, nach einer andern fragt Herodes, wer der schwarze König sei. Wie so häufig, entnahm Goethe nur den Anfang und das in diesem gegebene Versmaß dem zu Grunde liegenden Liede. Irrig hat man behauptet, die Verse hätten, wie in der ältern deutschen Dichtung, keine feste Anzahl von Silben, nur von Accenten. Es sind Verse aus vier Jamben, von denen aber die drei lezten meist anapästisch lauten. Nur in der leßten

Aus Süddeutschland wird die Fassung berichtet:

Sie stiefla, sie weidla, sie fülla de Bauch,

Sie springa wie d'Schelm zum Städle hinaus.

**) Wenig abweichend beginnt das Dreikönigslied in Simrocks deutschem Kinderbuch (889). Vgl. auch Scheibles Schaltjahr unter dem 6. Januar.

« PoprzedniaDalej »