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Autonomie des Einzelstaates wieder beschränken mußte. Bei Novalis war dieser Universalismus angeknüpft an den mittelalterlichen theokratischen Universalismus, bei Fried rich Schlegel an die weltbürgerlichen Ideen der Revo lution - aber eben nur angeknüpft, nicht entscheidend beeinflußt durch sie. Tiefer und stärker als Mittelalter und Rousseau wirkte hier doch der Grundcharakter der damaligen deutschen Bildung, ihre hochgespannte Geistigkeit, ihre auschließliche Wertschätzung der idealen Güter des Lebens, ihre energische Wendung ins Innere des menschlichen Geistes, ihre Neigung, nur das aus der Außenwelt auf sich wirken zu lassen, was die Innerlichkeit am besten und leichtesten nährte. Darin waren diese Frühromantiker noch die echten Söhne der Generation, die das Humanitätsideal geschaffen hatte, der Herder, Goethe, Schiller und Kant. Mochten sie auch schon Keime einer neuen, reicheren Auffassung vom Staatsleben und einer kräftigeren Hinwendung zur Wirklichkeit in sich tragen, so schlug doch noch die spirituelle Tendenz immer wieder durch. Man konnte sich in dem einen Augenblick vielleicht begeistern für den Staat, der den Menschen zum kraftvollen und handelnden Wesen mache, und im anderen Augenblick sich wieder zurückgestoßen fühlen. von dem Anblick, den das Leben der Staaten untereinander bot, von diesem wilden Ringen der politischen Egoismen untereinander, in dem man nichts von innerem Menschheitswert entdecken konnte. Während die anderen europäischen Länder, meinte Novalis, durch Krieg, Spekulation und Parteigeist beschäftigt sind, bildet sich der Deutsche mit allem Fleiß zum Genossen einer höheren Epoche der Kultur.1) Das geistige Neuland, um das doch auch, wie der Nachlebende leicht erkennt, in eben diesen Kriegen schon gestritten wurde, war noch verdeckt

1) Dilthey, Das Erlebnis und die Dichtung S. 224.

durch den Staub des Kampfes. Der politische Boden aber des eigenen Vaterlandes taugte noch zu wenig für die hohen Ideale, denen man diente. Da war es begreiflich, daß Novalis und Schlegel, wenn sie über einen wünschenswerten politischen Zustand der europäischen Menschheit nachsannen, ihren geistigen Universalismus in politischen Universalismus umsetzten und von Völkerfrieden, Völkerbund, Völkerstaat und Weltrepublik träumten.

Fünftes Kapitel.

Friedrich Schlegel im Übergange zur
politischen Romantik.

Novalis' Leben, Dichten und Denken gleicht einem wundervollen und in sich abgeschlossenen Traume, und sein früher Tod erscheint wie ein ästhetisch notwendiger Abschluß dieses Traumes. Friedrich Schlegels Los dagegen war es, seine Feuer- und Geniezeit um beinahe drei Jahrzehnte zu überleben. Es ist hier nicht der Ort, die Gründe für den Niedergang seines Geistes zu erörtern, sondern uns interessiert hier allein die Frage. nach der Weiterbildung seiner Gedanken über Nation und nationalen Staat in einer Periode, in der er selbst, durch seinen Übertritt zur katholischen Kirche (1808) und durch seinen Anschluß an Österreich, die individualistische und freie Romantik hinüberentwickelte zur politisch und kirchlich gebundenen Romantik.

Zweifel wirkte hier neben den vor allem treibenden inneren geistigen und individuellen Ursachen auch der politische Wandel der Zeiten mit, und insbesondere zeigt sich dieser in seiner veränderten Stellung zu den nationalen und internationalen Problemen. Die Üppigkeit und Ungebundenheit der Frühromantik hatte gutes Spiel in den Jahren nach dem Baseler Frieden, wo Norddeutschland zurückgezogen war aus der Region der Stürme, und ihre Träume von Völkerfrieden und Völkerbund hängen gewiß auch mit der optimistischen und doch nur aus Weltentfremdung optimistischen Stimmung dieser Jahre

zusammen. Aber als zu Anfang des neuen Jahrhunderts das alte Reich zusammenbrach, war es aus mit diesem Optimismus. Jetzt, wo die politische Selbständigkeit der Staaten und Nationen bedroht war, erhob sich die bange Frage, wie es mit der bisher so unbefangen genossenen geistigen Freiheit und Selbständigkeit der eigenen Nation gehen würde. So war die Lage dieser Jahre von 1801 ab das stärkste äußere Reizmittel für die Weiterentwicklung der nationalen Idee, und Friedrich Schlegel ließ es vielleicht um so bereitwilliger auf sich einwirken, weil er neuer Zufuhr an Stoffen für seinen allmählich nachlassenden Geist bedurfte. Denn wenn er jetzt vor allem in den philosophischen und politischen Vorlesungen der Jahre 1804 bis 18061) und dann in den. Wiener Vorlesungen über neuere Geschichte von 18102)

in den Kampf für die Sache der freien Nationalität gegen die Übermacht Frankreichs eintrat, so spürt man zwar überall einen lebhaft interessierten Kopf und zuweilen auch den Hauch einer warmen Gesinnung, aber nicht eigentlichen Kämpfergeist, nicht jenen inneren übermächtigen Drang wie bei Fichte und Arndt. Es fehlt eben doch jenes Ethos bei ihm, das uns von der inneren Notwendigkeit des Neuen, was er jetzt vorzutragen hatte, zu überzeugen vermöchte. Überzeugend und ganz echt berührt eigentlich nur das in diesem Neuen, was unmittelbar aus seiner früheren Gedankenrichtung hervorgeht, und das war der entschiedene Sinn für den unvergleichlichen geistigen Wert eigentümlicher und freier Nationalentwicklung und die Meinung, daß der Reichtum und die Lebendigkeit der europäischen Kultur ge

1) Philosoph. Vorlesungen aus den Jahren 1804 bis 1806, herausgegeben von Windischmann, 1836/37, 2 Bände, vgl. namentlich 2, 385.

2) Über die neuere Geschichte. Vorlesungen gchalten i. J. 1810, < Wien 1811.

rade auf ihr beruhe. 1) Indem er jetzt aber weitergeht und auch die politische Seite des Nationallebens genauer betrachtet als früher, wird man bald gewahr, daß er unsicher umhertastet und seinen Halt schließlich bei derjenigen politischen Verfassungsform sucht, die mit der kirchlichen Gebundenheit des katholischen Systems am besten zusammenstimmte.

Er wirft zunächst die höchst radikale Idee hin, daß das würdigste Prinzip für die Einteilung der Staaten die Sprache sei, nicht nur, weil sie das geistige Verbindungsmittel sei, sondern auch weil sie den Beweis des ähnlichen Ursprunges liefere; Einheit der Sprache beweise gemeinschaftliche Abstammung, und »je älter, reiner und unvermischter der Stamm, desto mehr Sitten, und je mehr Sitten und wahre Beharrlichkeit und Anhänglichkeit an diese, desto mehr wird es eine Nation sein. <2) Dieser Nationalbegriff sollte hochgeschichtlich sein und litt doch an dem schweren geschichtlichen Irrtum, daß die Nation immer in erster Linie auf Blutsverwandtschaft beruhe. Und was wurde nun dabei aus der von ihm so hoch gepriesenen Freiheit und Eigentümlichkeit des Nationallebens. Die Freiheit wurde nativistisch vergröbert zur Fernhaltung alles fremden Blutes, die Eigentümlichkeit lief hier hinaus auf möglichste Erhaltung des Überlieferten, auf Stagnation und Altertümlichkeit der Nationalcharak

1) Vgl. seine Vorlesungen von 1810, S. 11: > Wäre es den deutschen Völkern nicht gelungen, das römische Joch aufzulösen, wäre vielmehr auch der noch übrige Norden von Europa Rom einverleibt, auch hier die Freiheit und Eigentümlichkeit der Nationen vertilgt ... so würde jener herrliche Wettkampf, jene reiche Entwicklung des menschlichen Geistes bei den neueren Nationen gar nicht stattgefunden haben. Und doch ist es eben dieser Reichtum, diese Mannigfaltigkeit, was Europa zu dem macht, was es ist, was ihm den Vorzug gibt, der vorzüglichste Sitz des Lebens und der Bildung der Menschheit zu sein.< Ähnlich S. 116; vgl. auch die Vorlesungen von 1804/6 2, 358.

*) Vorlesungen von 1804/6 2, 357, 359.

Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat.

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