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Reichstage ausgeübt werden. Im Fürstenkolleg aber hatte Preußen nur eine unter sechs, oder wie es zuletzt geplant wurde, unter fünf Stimmen, und es war nach dem Wortlaute des Radowitzschen Entwurfes durchaus fraglich, ob Preußen daneben noch ein besonderes Vetorecht gegen ihm nicht genehme Reichsbeschlüsse haben sollte. 1) Wenn es sich gegenüber seinen Genossen im Fürstenkolleg behaupten wollte, so mußte es seinen Rückhalt im Parlamente des Bundesstaates suchen, lief dann aber auch Gefahr, sich von diesem in das Schlepptau nehmen zu lassen. So war die preußische Selbständigkeit hier wie dort bedroht, - hier durch die im Fürstenkolleg vertretenen föderalistischen Elemente, dort durch die im Parlamente vertretenen unitarischen und populären Elemente des geplanten Bundesstaates.

Da hat dann Bismarck am 15. April 1850 im Erfurter Volkshause einen denkwürdigen Antrag gestellt2): Das Fürstenkolleg, schlug er vor, sollte zu einem bloßen konsultativen Kollegium, dem »>Vereinsrate « des Reichsvorstandes (d. h. des Königs von Preußen) umgebildet werden, aber durch beständige Orientierung über alle Ge genstände auch einen gewissen, jedoch nicht bedeutenden Anteil an der von Preußen geführten Exekutive des Bundesstaates erhalten. Das Staatenhaus des Parlamentes aber, das von Radowitz nach dem Muster der Frankfurter Reichsverfassung konstruiert und demnach dem Einflusse der einzelstaatlichen Regierungen fast ganz entrückt war3), sollte ersetzt werden durch ein Fürstenhaus, aus den Fürsten per

1) Wie man sich aus einer Vergleichung der §§ 76, 77, 82 und 99 überzeugen kann. Das Erfurter Parlament beseitigte die Unklarheit, indem es durch andere Fassung der Artikel 82 und 99 das Vetorecht dem Reichsvorstande, d. h. Preußen, unzweideutig beilegte.

2) Kohl, Polit. Reden Bismarcks 1, 232 ff. Er wurde unterstützt u. a. von Stahl u. Ludwig v. Gerlach,

2) S. oben S. 473.

sönlich oder aus ihren Bevollmächtigten bestehend mit einem Stimmenverhältnis, wie das des Plenums im alten Bundestage. Die drei vitalen Organe des Bundesstaates wären danach gewesen: der König von Preußen als Vereinsvorstand mit seinen Vereinsministern, das Fürstenhaus, in dem Preußen nicht mit vertreten war, und das Volkshaus. Das Eigenartige war dabei also, daß Preußen als Vereinsvorstand strenger abgesondert wurde von seinen fürstlichen Verbündeten, als es in der Radowitzschen Verfassung und in der späteren Bismarckschen Reichsverfassung der Fall war, offenbar in der Absicht, sie ihm möglichst vom Leibe zu halten und seine Bewegungsfreiheit zu sichern. Jedes der drei Organe, Vereinsvorstand, Fürstenhaus und Volkshaus, sollte gleichen Anteil an der Gesetzgebung erhalten; aber man sieht sofort, daß diese formale Gleichberechtigung der drei legislativen Faktoren demjenigen unter ihnen am meisten frommte, der zugleich auch die Exekutive ausübte und überhaupt die größte Macht hinter sich hatte. Preußen hätte es ganz anders als in der Radowitzschen Verfassung in der Hand gehabt, divide et impera zu spielen, die Fürsten gegen das Volkshaus und das Volkshaus gegen die Fürsten zu benutzen.1) Die Machtstellung Preußens ist hier eigentlich noch stärker als in der späteren Bismarckschen Reichsverfassung, aber das

1) Ganz genial war für diesen Zweck die Bestimmung gedacht, daß die regierenden Fürsten im Fürstenhause entweder persönlich erscheinen oder durch einen Prinzen ihres eigenen oder eines verwandten Hauses sich vertreten lassen sollten. Nicht die Einzelstaaten, sondern die Einzeldynastien sollten also vertreten und dadurch dem Einflusse ihrer Landesparlamente möglichst entrückt werden. Bismarcks Entwurf schmeichelte dadurch den dynastischen und antiparlamentarischen Gesinnungen der Fürsten, er trieb aber dadurch einen Keil zwischen sie und ihre Landesparlamente und schwächte so auch die Parlamente und die politische Bedeutung des Fürstenhauses, das nun, hineingestellt zwischen Vereinsvorstand und Volkshaus des Bundesstaates, seine Anlehnung naturgemäß in der Regel bei ersterem suchen mußte.

war sachlich gerechtfertigt dadurch, daß in der Union ja zuletzt nur fünf Millionen der Kleinstaaten gegen 16 Millionen Preußen standen. So wäre das Ganze hinausgelaufen auf eine Beherrschung der Kleinen durch. den einen Großen, der mit ihnen im Bunde war, auf ein societas leonina. Radowitz erkannte damals diese Tendenz des Bismarckschen Antrages sehr wohl und warnte das Erfurter Parlament, daß er zu einer Mediatisierung der Kleinstaaten führen würde. So wäre Preußen bei dieser Art von bundesstaatlicher Verfassung wohl auch das unmittelbare Reichsland des Ganzen geworden, aber als mächtiger, in sich geschlossener und in seiner inneren Struktur gesicherter Kern.

»Ich finde in diesem Vorschlage«, sagte Bismarck damals, die Erledigung eines großen Teils der gewichtigen Gravamina, welche uns Preußen, oder wenigstens die mit mir gleichgesinnten Preußen, sagen lassen, wir wollen den Bundesstaat, aber lieber, als um den Preis dieser Verfassung, wollen wir ihn gar nicht.« Also nur einen großen Teil, nicht alle seine Wünsche wollte Bismarck durch diesen Antrag zur Geltung bringen. Man wird. zunächst vermuten dürfen, daß ihm das Zugeständnis, das er hier den konstitutionellen und parlamentarischen Gedanken bringen mußte, einigermaßen sauer wurde. Er wollte überhaupt nur den Wagen von dem falschen Wege, auf den ihn die Frankfurter, die Gothaer und Radowitz gebracht hatten, abwinken und ihm einen besseren zeigen. Er tat es noch ohne besonderen Eifer, beinahe ärgerlich und mit lässiger Hand. » Wenn es doch einmal geschehen soll«, begann er seine begründende Rede, »daß wir auf den Leib der deutschen Einheit den fadenscheinigen Rock einer französischen Konstitution ziehen . . . «, so will ich, klingt es aus der Rede heraus, euch wenigstens sagen, wie man es allenfalls machen könnte. Er kehrte den selbstgenügsamen Preußen

heraus, der auch mit den schwarzweißen Farben seines Vaterlandes zufrieden sein wollte; aber schon die Tendenz seines Antrages läßt erraten, daß hinter der Stirn dieses anscheinend stockpreußischen Edelmannes bereits ein über Preußen nach Deutschland hinübergreifender Machttrieb lebte. Und so darf man wohl weiter vermuten, daß ihm die Stunde zu einer vollen Ausnutzung der deutschen Einheitsbewegung für preußische Machtpolitik noch nicht gekommen schien, und zumal deswegen noch nicht gekommen schien, weil jene Bewegung ihm noch zu stark verquickt war mit dem ihm antipathischen liberalen Gedanken. Ihr parlamentarisches Vorurteil machte sie ihm unschmackhaft. Um es überwinden zu können, mußte er selbst erst in sich das antikonstitutionelle Vorurteil überwinden. Aber den ersten Schritt dazu tat er jetzt eben durch den Erfurter Antrag, indem er durch ihn zwar unlustig, aber unzweideutig den Wunsch der liberalen Zeitgenossen nach einem bundesstaatlichen Zentralparlament erfüllte. So war dieser Antrag zwar noch nicht der erste Akt, aber ein interessantes Vorspiel seiner künftigen deutschen Politik; das kommende Thema wurde hier bereits angeschlagen, das preußisch-hegemonische, das unitarisch - konstitutionelle und das föderalistische Motiv in einer Weise miteinander verbunden, daß zwar das erste dominierte, aber auch die beiden anderen zur Geltung kommen sollten.

Der Ausgangspunkt, von dem aus wir den Erfurter Antrag betrachteten, war das föderalistische Motiv. Wir sahen, daß das Fürstenhaus hier tatsächlich mehr vom Scheine, als vom Wesen der Macht erhielt. Aber es erhielt doch auch vom Wesen der Macht so viel, daß die Dynastien der Kleinstaaten, auf die Preußen damals fast allein noch angewiesen war, eine gesicherte und zugleich würdige und ehrenvolle Stellung im Bundesstaate be haupten konnten. So war es ein erster Versuch Bismarcks,

das Problem zu lösen, das er später durch die Institution des Bundesrates gelöst hat, echt bismarckisch auch durch die Verbindung von List und Liberalität in der Gabe, die er den Fürsten bot. Seine damaligen Parteifreunde mögen wohl mehr die Liberalität als die List dieser Gabe empfunden haben. Aber sie konnten sich dabei sagen und hatten dazu auch ein volles Recht, daß die bereitwillige und speziose Anerkennung des föderalistischen Elements, die Bismarcks Antrag enthielt, ein Stück ihres politischen Programmes ausführte. Hinter Bismarck ergriff am 15. April in Erfurt auch Stahl das Wort und erklärte: Die Umgestaltung der Bundesverfassung, welche der Abgeordnete v. Bismarck vorschlägt, ist diejenige, die ich seit dem Jahre 1848 bis jetzt schriftstellerisch vertreten habe.<1)

So haben auch die damaligen preußischen Konservativen ihren Anteil an der politischen Gedankenarbeit, die in dem späteren Werke Bismarcks steckt. Alle lebendigen Kräfte der Nation haben ihren Beitrag dazu ge liefert.

Nicht aus der Zerschlagung, sondern aus der Erhaltung, nicht aus dem Tode, sondern aus dem Leben des preußischen Staates sind die Einrichtungen erwachsen,

1) Wir nennen hier auch noch eine kleine vortreffliche Schrift von Triest, Oberregierungsrat und Abgeordnetem zur ersten preuß. Kammer, sowie zum Volkshause zu Erfurt: Das Parlament zu Erfurt. Berlin 1850. Nach einer Notiz des Landfermannschen Exemplars, das ich benutze, muß sie am 1. Februar 1850 erschienen sein. Sie schlägt auch schon Vereinigung des Fürstenkollegs und Staatenhauses vor. Die Pairs des Bundesstaates sind die zum Bunde vereinigten Staaten selbst. Diese können nur angemessen vertreten werden, wenn allein die Regierungen die Abgeordneten zum Staatenhause zu ernennen haben..... Sie erlangten damit im Staatenhause die Befugnis, gegen die gesetzgeberischen Beschlüsse des Reichsvorstandes ihr Veto einzulegen, und nichts würde sie hindern, ihre Bevollmächtigten zum Stratenhause mit Instruktionen zu versehen, durch welche freilich nicht... die Beschlußnahme aufgehalten werden dürfte,

Meinecke. Weltburgertum und Nationalstaat.

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