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Aber wir erinnern uns, dafs die preußischen Minister es am 22. November für gut befunden haben, dem Frankfurter Vertreter gegenüber ihre Oktroyierungsgedanken zu maskieren. Sie werden es jedenfalls auch Gagern gegenüber getan haben, so daß dieser hoffen konnte, sein Ziel, die Verhinderung einer preußischen Verfassung, vorläufig ohne Kampf erreicht zu haben. Dazu stimmt vortrefflich, was der koburgische Diplomat Meyern Mitte Dezember an Herzog Ernst schrieb: >> Gagern soll in der Voraussetzung von Berlin zurückgereist sein, daß der König die preußische Verfassung bis zur Proklamation der hiesigen suspendieren werde, um sodann mit der deutschen Krone zugleich die deutsche Verfassung für Preußen annehmen zu können. <1) Und die Kette der Beweisstücke wird aufs willkommenste geschlossen durch den Brief, den Gagern, nachdem die Oktroyierung am 5. Dezember 1848 wirklich erfolgt war, am 14. Dezember aus Frankfurt an die in Berlin zurückgebliebenen Reichskommissare Hergenhahn und Simson geschrieben hat 2): »Mein eigenes Urteil hat sich in der Sache nicht geändert. Die oktroyierte Charte ist in sich nicht lebensfähig, in bezug auf das Gesamtvaterland unmöglich. <<

Also hat Gagern, wie wir nun aus seinem eigenen Munde erfahren, nicht nur das Oktroyieren an sich, sondern auch den Inhalt dessen, was am 5. Dezember oktroyiert wurde, verdammt, und zwar um Deutschlands willen verdammt. Etwa seines reaktionären In

Zeitung (Extrablatt vom 29. Nov. und Nummer vom 30. Nov.) bestätigt durch die umgekehrte Version, daß Gagern die Bildung eines preußischen Kabinetts abgelehnt habe. Wahrscheinlich haben Vincke und seine Freunde die Idee aufgebracht, und Leop. v. Gerlach hat sich danach das Weitere konstruiert.

1) Ernst II., Aus meinem Leben 1, 323.
2) Simson S. 146.

halts wegen? Nun, man weiß, daß die oktroyierte Charte gerade überraschend liberal ausgefallen war. Gagern selbst gibt in jenem Briefe zu, daß der König im Augenblick die öffentliche Meinung dadurch gewonnen zu haben scheine. Was ihm an ihr unmöglich für das Gesamtvaterland erschien, kann also nicht ein Minus an Liberalismus, kann nur die konstitutionelle Abschließung Preußens gewesen sein.

Wir können also daran festhalten, daß es ein Hauptzweck seiner Reise nach Berlin gewesen ist, diese zu verhindern. Er ist wahrscheinlich, da der Gegner auswich, nicht zum Hiebe gekommen, und die Verbindung von Zumutung und Werbung an Preußen, die wir aus dem Zusammenhange der Sache und der Quellenzeugnisse erschlossen, ist demnach vielleicht nicht sinnlichanschaulich geworden, aber den ideellen Hergang glauben wir richtig gesehen zu haben.

Viertes Kapitel.

Die Oktroyierung der preufsischen Verfassung vom 5. Dezember 1848.

Die Kampagne der Frankfurter in Berlin war gescheitert, Preußen erhielt mit dem 5. Dezember seine konstitutionelle Verfassung, sein Sonderparlament. Kein Zweifel, es war damit ein Keil zwischen Berlin und Frankfurt, Preußen und Deutschland getrieben worden. Die preußische Regierung hatte genau das Gegenteil von dem getan, was die Droysen, Stockmar, Rümelin, Gagern für nötig hielten, um Preußen in den deutschen Bundesstaat eingliedern zu können. Damit fällt auf die Tat vom 5. Dezember ein, wie wir glauben, wesentlich neues Licht. Ihre Bedeutung für die deutsche Frage war viel größer, als man bisher geahnt hat. Indem Preußen seinen Entschluß bekundete, unter allen Umständen, wie auch die deutsche Zukunft sich gestalten möge, eine geschlossene Staatspersönlichkeit zu bleiben, schlug es dem Frankfurter Verfassungswerke eine erste schwere, vielleicht unheilbare Wunde, Denn die Forderung der Frankfurter, daß Preußen seine staatliche Selbständigkeit aufgebe, hing, wie wir später noch zu entwickeln haben werden, aufs engste mit den Grundgedanken jenes Verfassungswerkes zusammen. Zunächst aber erhebt sich nun die Frage nach der inneren Genesis des Ereignisses vom 5. Dezember, nach seinen

Urhebern und Motiven und nach dem Zusammenhang dieser Motive mit der deutschen Frage.

Obgleich nun die Veröffentlichungen aus dem Nachlasse der Gerlachs und Otto v. Manteuffels wertvolle Zeugnisse darüber brachten und obgleich wir uns selbst bemüht haben, alles heute erreichbare archivalische Material dafür heranzuziehen, sind wir doch noch nicht imstande, ein genügendes Bild der Vorgeschichte der oktroyierten Verfassung zu geben.') Es fehlen uns vor allem die politischen Erwägungen, die im Schoße des Ministeriums Brandenburg darüber gepflogen wurden. Denn von diesem ging, wie die Aufzeichnungen Leopold v. Gerlachs beweisen, die Initiative allein und ausschließVom 16. November ab haben sie nachweisbar den Plan verfolgt.2) Sie wollten damals die Berliner Versammlung, die einen Tag zuvor ihren Steuersuspendierungsbeschluß gefaßt hatte, auflösen und den König bitten, eine Verfassung zu oktroyieren.) Sie stießen.

1) Die folgende Untersuchung war schon niedergeschrieben, als Goldschmidts sich in manchem mit ihr berührende, übrigens nur aus gedruckten Quellen schöpfende Arbeit Die oktroyierte preußische Verfassung (Preußische Jahrbücher 125, 197 ff.) erschien. Goldschmidt hat seinerseits schon meinen Vortrag ›Preußen und Deutschland im 19. Jahrhunderts, Histor. Zeitschr. 97, der die Hauptergebnisse meiner Untersuchungen vorlegte, benutzen können. Da Goldschmidt auch auf den Inhalt der oktroyierten Verfassung eingegangen ist, so habe ich meine ursprüngliche Absicht, in einem Exkurs diesen zu behandeln, aufgegeben.

*) Varnhagen erzählt schon am 13. Nov. (Tagebücher 5, 285) das Gerücht, daß der König vorhabe, eine Verfassung bekannt zu machen, die alle Welt befriedigen solle durch das höchste Maß des Freisinns <. Unmöglich wäre es ja nicht, daß der Oktroyierungsgedanke der Minister schon in diese Tage zurückgeht. Ebenso möglich ist, daß Varnhagen nur ein vages Gerücht oder eine mißverstandene Deutung von Äußerungen des Königs wiedergibt.

3) Sie haben für diesen Fall selbst daran gedacht, ihr Verbleiben im Amte von einem Vertrauensvotum der neu zu berufenden Kammern abhängig zu machen. In den Kabinettsakten des G. St. A. befindet sich

damit von vornherein auf den Widerspruch des Königs, der geradezu leidenschaftlich wurde, als er dann wie es scheint am 20. November - den Verfassungsentwurf der Minister wirklich in die Hand bekam. »Ich finde ihn, erklärte er am 23. November, »über jeden Ausdruck Gefahr bringend, schlecht und unpraktisch. «1) Er hielt es mit seiner Verantwortlichkeit gegen Gott für unvereinbar, so etwas zu unterschreiben und zu beschwören.2) Man begreift seine Empörung, denn der Grundstock des ministeriellen Entwurfs war der sogenannten Charte Waldeck entnommen, dem Entwurfe der Verfassungskommission der Berliner Nationalversammlung. Aber auch das Oktroyieren an sich erschien ihm unköniglich und nach mauvaise foi zu riechen. So wies er denn die Minister am 23. November an, es noch einmal mit der nach Brandenburg verlegten Versammlung zu versuchen und vor allem Zeit zu gewinnen, da die Stimmung im Lande mit jedem Tage besser werde.

ein (vom November datiertes) Konzept zu einer öffentlichen Erklärung des Staatsministeriums, das vermutlich in den Tagen vom 16. Nov. ff. entstanden ist. Es rechtfertigt die bisherigen Schritte des Ministeriums, gibt zu, daß die unter seiner Verantwortlichkeit angeordnete Auflösung der Versammlung und Publikation einer Verfassungsurkunde verschiedenartige Beurteilungen erfahren und vielfachen Angriffen ausgesetzt sein werde, hofft aber auf den gesunden Sinn des Volkes etc. > Die unterzeichneten Minister werden indessen den zusammenberufenen Kammern vor allen anderen Verhandlungen die Frage vorlegen, ob sie das Vertrauen derselben besitzen? und sie werden sofort S. M. um ihre Entlassung bitten, sofern diese Frage verneinend beantwortet werden sollte. Jedenfalls ist dies Schriftstück identisch mit dem von Leop. von Gerlach am Abend des 20. November gesehenen › Ministerialerlaß, der mit einer Unterwerfung unter die Majorität der Kammer endete. 1, 246 f.

1) v. Poschinger, Denkwürd. O. v. Manteuffels 1, 46; daß das Schreiben nicht an Manteuffel, sondern an Graf Brandenburg gerichtet war, zeigt Leopold v. Gerlach 1, 249.

2) Leop. v. Gerlach a, a, O.

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