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Vierter Theil.

Bussbücher gemischten Inhalts, sogenannte fränkische

Bussbücher.

Erstes Kapitel.

Das Poenitentiale Columban's.

Wir haben bereits die Gruppe derjenigen Bussbücher, welche man bisher einfach als fränkische bezeichnete, näher charakterisirt und gefunden, dass es solche Bussbücher sind, welche zwar im fränkischen Reiche verfasst wurden, aber ihrem Inhalte nach nicht etwa aus fränkischen Originalsatzungen bestehen, sondern Compilationen der aus angelsächsischen Bussbüchern entlehnten Weisthümer und der aus römischen Bussbüchern entnommenen canonischen Satzungen sind. Verfasser derselben sind eingewanderte irische oder angelsächsische Mönche; Veranlassung zu ihrer Abfassung gab das Bedürfniss, einerseits die irisch-angelsächsischen, gewohnheitsrechtlichen Gebräuche auf dem Gebiete des Busswesens beizubehalten, andererseits die Nothwendigkeit, sich der im fränkischen Reiche in Uebereinstimmung mit der römischen Universalkirche ausgebildeten canonischen Disciplin nach Möglichkeit zu accomodiren. Die Kriterien, nach welchen die Verschiedenheit dieser sogenannten fränkischen Bussbücher von denen der römischen Gruppe zu erkennen ist, wurden ebenfalls angeführt 1.

Der älteste unter den eingewanderten Mönchen, denen die Abfassung eines Bussbuches im fränkischen Reiche zugeschrieben wird, ist der heil. Columban. Geboren im Jahre 543 wurde er Mönch im Kloster Bangor, wanderte von dort im Jahre 573 nach Gallien aus und gründete das Kloster Luxeuil im Jahre 590. Während ihm hier Schaaren von Mönchen zuströmten, für welche er zwei weitere Klöster in Annegray und Fontaines grün1 Siehe oben S. 202 ff.

dete, gerieth er mit dem einheimischen gallo-fränkischen Clerus in argen Streit wegen seiner irischen Osterfeier und sonstiger irischer Sonderbarkeiten in Tonsur und Kleidung. Die Briefe, welche er in dieser Angelegenheit an den fränkischen Episcopat und eine gallische Synode richtete, sind an manchen Stellen nicht frei von Anmassung. Als er darauf auch mit Freimuth und grosser Strenge gegen die Laster am Hofe der Brunhilde und Theoderich II. auftrat, wurde er vertrieben aus Luxeuil im Jahre 610, in Besançon internirt, dann nach Nantes gebracht; von hier ging er an den Hof Theodeberts von Austrasien in Metz, nahm dann aber von Neuem seine Missionsthätigkeit auf, kam nach Bregenz am Bodensee, wo er mit Gallus an der Bekehrung der heidnischen Alemannen wirkte, ging dann über die Alpen und gründete in einer ihm vom Longobardenkönig Agilulf geschenkten Herrschaft in einer Bergschlucht der Apenninen das Kloster Bobbio; dort starb er nach einjähriger Wirksamkeit im Jahre 615. Columban besass grosse classische Bildung und war ebenso in den Schriften der heiligen Väter wohlbewandert; der Mönch Jonas von Bobbio schrieb wenige Jahre nach dem Tode Columban's dessen Lebensgeschichte 1. Von den Schriften Columban's blieb erhalten ein Commentar über das ganze Psalmenbuch, sein Methodus monasteriorum, seine regula coenobialis, die Instructionen oder Sermonen an seine Mönche, die mensura poenitentiarum und eine kurze Einleitung zu einer Abhandlung über die >>acht Hauptsünden«, sowie mehrere Briefe. Schriften wurden von Flemming veröffentlicht 2.

Seine

Ausser der von Flemming benutzten Handschrift, Cod. Bobiensis, ist ein Poenitentiale Columbani bisher in keiner anderen Handschrift entdeckt worden; die Kritik ist daher einzig und allein auf den Flemming'schen Text angewiesen, welcher in der Biblioth. Patr. maxima einfach abgedruckt ist. Derselbe hat unter dem Titel »incipit de poenitentia« zunächst zwölf Kapitel, wovon die vier letzten unter der Bezeichnung »de minutis morum inconditorum der Regula coenobialis« des Columban entnommen sind, während die kurzen acht übrigen Kapitel mit der Bezeichnung »haec de causis casualibus zur Hälfte in dem gleich zu beschreibenden zweiten Theile des Flemming'schen Textes sich

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1 Siehe Greith, Geschichte der altirischen Kirche, 1. c. S. 252 ff. Montalembert, 1. c. 2. Bd. S. 431 ff. Meine Abhandlung Archiv 49. Bd. S. 3 ff. 2 Collectanea sacra. Opp. Columbani Lovan. 1667, abgedruckt in der Bibliotheca P. P. max. t. XII, p. 21.

wiederholen. Dass diese zwölf Kapitel nicht den Charakter einer Bussordnung haben und ihre Vereinigung in der Handschrift mit dem zweiten Theile eine rein zufällige ist, gibt auch Wasserschleben zu 1. Diese zwölf Kapitel sind vielmehr mit fremdartigen Zuthaten vermischte Auszüge aus der regula coenobialis des Columban, deren zehntes und letztes Kapitel die Ueberschrift: »de poenitentia, gerade wie der Flemming'sche Text trägt. Die Regula coenobialis wird auch in einigen Handschriften geradezu als »Poenitentiale«, in anderen Handschriften als »Columbani liber de quotidianis poenitentiis monachorum bezeichnet 2. Damit drängt sich die Frage auf, ob Columban überhaupt ein Poenitentiale geschrieben habe und nicht vielmehr in seiner regula coenobialis das ihm zugeschriebene Poenitentiale zu erkennen ist.

Nach den erwähnten zwölf Kapiteln folgen gemäss dem Flemming'schen Text in dem Cod. Bobiens. dreissig Kapitel mit der kurzen Einleitung »Diversitas culparum. Diese Einleitung findet sich wörtlich auch in dem Poenitentiale Cummeani, in dem Poenitentiale Remense nnd anderen fränkischen Bussbüchern; theilweise auch in dem Egbert'schen Poenitentiale. Es liegt gar kein Grund für die Annahme vor, dass diese Einleitung von Columban verfasst sei. Ebensowenig sind die Schlussworte der Einleitung: »pauca juxta seniorum traditiones et juxta nostram ex parte intelligentiam, ex parte namque prophetamus et ex parte cognoscimus, aliqua proponamus« geeignet, uns Aufschluss über eine etwaige Arbeit Columban's zu geben, da dieselben Worte auch in der Einleitung zu den genannten anderen fränkischen Bussbüchern vorkommen und zwar dort in einer umfangreichen Vorrede, wovon die Einleitung in dem Flemming'schen Text nur den Anfang bildet.

Nach der Einleitung heisst es: »De capitalibus primum criminibus, quae etiam legis animad versione plectunctur, sanciendum est.<< Abgesehen davon, dass unter dieser Ueberschrift Vergehen behandelt werden, wie die der Fornication, welche nach dem bürgerlichen Rechte nicht strafbar waren, passt diese Bezugnahme auf das bürgerliche Recht sehr wenig zu dem eingewanderten fremden Mönche Columban, welcher die verschiedensten

1 Wasserschleben, 1. c. S. 55.

2 Vergl. die regula coenob. bei Holstenius Cod. regul. (Aug. Vindel. 1759) t. I, p. 178, col. 2 und Bibl. Patrum max. t. XII, p. 6 und Holsten, Cod. Reg. Parisiis 1663, pars. II, pag. 98.

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Rechtsgebiete des fränkischen Reiches durchwanderte und meistens in Conflict mit der weltlichen Gewalt lebte.

Dem dreizehnten Kapitel geht sodann die Ueberschrift voraus: »Sed haec de clericis et monachis mixtim dicta sint; caeterum de laicis. Die Fälle, welche nun in den Kapiteln dreizehn bis fünfzehn behandelt werden, sind meistens Wiederholungen der vorher bereits gegebenen Satzungen mit Anwendung auf die Laien. Eine derartige Eintheilung eines Bussbuches mit Rücksicht auf die Vergehen der Cleriker und jener der Laien lässt sich für die Zeit des 6. Jahrhunderts nicht annehmen, sie deutet vielmehr auf eine spätere Zeit, nämlich die des 8. Jahrhunderts, wo man anfing, den Stoff der Bussbücher systematisch zu verarbeiten. Auf das 8. Jahrhundert weist sodann die Strafbestimmung des peregrinare und des Exils für Laien (c. 13, 20) und Cleriker (c. 1, 2) hin; sodann spricht die Bestimmung, wonach dem Cleriker nicht der Aufenthalt in einem Kloster, wie es an anderer Stelle für den Laien verordnet wird (c. 20), zur Leistung der Busse vorgeschrieben wird, ganz gegen die Disciplin im fränkischen Reiche während des 6. Jahrhunderts. Gegen die Autorschaft Columban's entscheidet fernerhin die Erwähnung der öffentlichen Busse (c. 18, 19, 25), da dieselbe, wie bereits hervorgehoben wurde, in der irischen Kirche unbekannt war. Für eine spätere Zeit als die Columban's spricht endlich auch die Erwähnung der »Bonosiaci«; diese Irrlehrer werden zwar bereits auf der zweiten Synode zu Arles (443 oder 452) erwähnt, aber im fränkischen Reiche geschieht ihrer erst auf der Synode zu Clichy bei Paris im Jahre 626 Erwähnung. Der Canon 25 unseres Poenitentials setzt geschlossene Gemeinden dieser Irrlehrer voraus. Weder von Austrasien noch Burgund, dem Wirkungskreise Columban's, wird berichtet, dass sich dort ausgebildete Gemeinden dieser Sekte vorgefunden. Aus den Briefen Columban's erfahren wir wohl, dass er in den Dreikapitelstreit verwickelt wurde, aber nicht, dass er auch gegen die Bonosiaci zu kämpfen hatte, welche die beständige Virginität Marien's leugneten und von Christus behaupteten, er sei seiner Gottheit nach nur Adoptivsohn Gottes gewesen. Dieses die Bonosiaci betreffende Kapitel, in welchem auch die »manus impositio catholici episcopi<< erwähnt wird, ist dem Mönche Columban zweifellos fremd.

1 Hefele, 1. c. II, 300; III, 77 und 115.

Zu diesen gegen eine Autorschaft Columban's sprechenden Momenten kommt noch die weitere Erwägung, dass es höchst unwahrscheinlich ist, Columban habe jene Bussbestimmungen für die Cleriker im fränkischen Reiche geschrieben, welche als Busspriester nicht etwa einen Abt, sondern stets den Bischof voraussetzen, da er nicht annehmen konnte, dass die ihm feindseligen fränkischen Bischöfe seine Satzungen als Normen für die Disciplin einführen würden.

Entscheidend gegen die Autorschaft Columban's sind aber die letzten fünf Kapitel des Poenitentials. Dieselben tragen die Ueberschrift »Postremo de minutis monachorum agendum est sanctionibus. In denselben werden allerdings die Stockschläge wiederholt erwähnt, welche auch in der regula coenobialis des Columban vorkommen und ein charakteristisches Merkmal seiner Regel im Gegensatz zur Benedictiner-Regel bilden. Allein es ist geradezu undenkbar, dass Columban ein Poenitentiale verfasst habe, in welchem sich nur fünf kurze Bestimmungen für die Mönche finden. Columban, welcher Kleidung, Nahrung, das ganze Verhalten der Mönche in und ausserhalb des Klosters bis in alle Einzelheiten hinein regelte und in dem letzten Kapitel seiner regula coenobialis, das allein umfangreicher als alle anderen zusammengenommen ist, für die geringsten Vergehen zahlreiche Bussbestimmungen gibt, würde jedenfalls auch in einem Poenitentialbuch, welches er neben der regula coenobialis soll verfasst haben, eine grosse Zahl von Bussbestimmungen für die Mönche gegeben haben. Man braucht nur diese fünf Bussbestimmungen zu lesen, um sofort überzeugt zu werden, dass dieselben herausgegriffen sind aus einer grossen Menge von Bestimmungen über die Mönche und in ihrer vorliegenden Zusammenstellung ein ganz planloses Excerpt sind. Da wo sich Strafbestimmungen für den Fall finden, dass ein Mönch über Nacht die Klosterpforte offen gelassen, dafür, dass er, auf einem Lastthiere sitzend, ohne Noth Arme und Beine entblösste, und dafür, dass der Klosterkoch die Predigt nicht besucht, wie es in unseren fünf letzten Kapiteln des Poenitentials geschieht, dort haben sich zweifellos neben diesen Bestimmungen über heterogene Einzelheiten noch manche andere Satzungen gefunden, welche das gesammte Mönchsleben in allen Einzelheiten regelten.

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Hiermit ist denn der Charakter des im Flemming'schen Text enthaltenen Poenitentials erkannt; dasselbe ist eine Compilation von Excerpten aus verschiedenen Quellen. Die erwähnten fünf letzten Bestimmungen für die Mönche sind Columban'sche Kloster

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