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Neben der Autorität der Concilien wird die der päpstlichen Constitutionen mehrfach anerkannt und es ist nicht unwahrscheinlich, dass bald auch neben den Canonen der allgemeinen und particulären Concilien die Decretalen der Päpste in Sammlungen von Rechtsquellen aufgenommen wurden, deren es schon zur Zeit des ersten Concils von Braga vom Jahre 563 in Spanien gab 2. An dieser innigen organischen Verbindung der particulär-rechtlichen Bestimmungen mit der Observanz des jus commune wurde auch nichts geändert, als die sogenannte » Hispana die einzige in Spanien entstandene Sammlung, welche uns vollständig überliefert ist, unmittelbar nach dem vierten Concil von Toledo vom Jahre 633 enstand und bald in ihrem Vaterlande allgemein recipirt wurde. Diese Sammlung enthält nämlich in ihrem ersten Theile die Concilien und zwar die allgemeinen, wie die der einzelnen Länder, die griechischen, afrikanischen, gallischen und spanischen. Das jus commune bildet somit die Grundlage, auf welcher die particulär-rechtlichen Bestimmungen sich aufbauen. Tritt nun schon in diesem ersten Theile der Hispana eine inhaltliche auch auf die Vorrrede sich erstreckende Verwandtschaft mit der Dionysischen Sammlung hervor, so ist eine solche noch mehr in dem zweiten Theile der Hispana, welcher die Decretalen der Päpste enthält, vorhanden; es sind nämlich sämmtliche Schreiben des zweiten Theiles der Sammlung des Dionysius und zwar in gleicher Reihenfolge in die Hispana aufgenommen 3. Somit wird man denn auch in der spanischen Kirche bereits im 7. Jahrhundert ein dem jus commune entsprechendes Poenitentiale Romanum in praktischer Benutzung vermuthen müssen, dessen Busssatzungen natürlich durch die Aufnahme der entsprechenden Bestimmungen spanischer Particulär - Synoden ebenso wie das in Spanien geltende jus commune eine Ergänzung mögen gefunden haben.

Von Afrika gilt das Gleiche wie von Spanien; auch dort entwickelte sich die kirchliche Disciplin auf dem Boden des »jus commune. Das geht schon aus der in Afrika allgemein benutzten »breviatio canonum« des Fulgentius Ferrandus hervor, deren Abfassung in die erste Hälfte des 6. Jahrhunderts fällt.

piunt canones; secundum quod de his sancti patres antiquitus statuerunt; sicut et antiqua canonum continent statuta.<<

1 So in c. 1 des dritten Concils von Toledo im Jahr 579: »Maneant in suo vigore conciliorum omnium constituta simul et synodicae sanctorum praesulum Romanorum epistolae« etc.

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Fulgentius benutzte nämlich als Quellen zwei Sammlungen, wovon die eine die allgemein geltenden Canones der griechischen Concilien, die andere die Canones der afrikanischen Concilien enthielt. Die Observanz der afrikanischen Kirche war also eine mit der Universalkirche harmonirende; dies geht noch mehr aus der Concordia canonum« des Cresconius hervor. Derselbe stellte sich in dieser höchst wahrscheinlich noch dem 7. Jahrhundert angehörigen systematischen Sammlung die Aufgabe, die gesammten canonischen Vorschriften in eine Concordia zu bringen und durch Hinzufügung von Rubriken ihr Verständniss und ihre Benutzung zu erleichtern; ein blosses >>canonum breviarium wie das gebräuchliche des Fulgentius schien ihm nicht zu genügen. Die einzige Quelle nun, aus der Cresconius geschöpft hat, sind die beiden Sammlungen des Dionysius Exiguus 2 und so findet sich denn das Material des von Dionysius codificirten jus commune auch in der afrikanischen Kirche in Geltung.

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Während sich so für Rom und Italien, für die fränkische, spanische und afrikanische Kirche in dem Zeitraum vom 6. bis 10. Jahrhundert, also für die Zeit der zweiten Bussperiode die Geltung des jus commune in directer oder indirecter Benutzung der Dionysischen Sammlung nachweisen lässt, kennzeichnet sich die Disciplin in der irischen Kirche als eine durchaus particuläre und von der in der römischen Universalkirche üblichen, so weit es überhaupt bei Wahrung der kirchlichen Einheit möglich war, verschiedenartige. Die irische Sammlung, deren Entstehung in das Ende des 7. oder den Anfang des 8. Jahrhunderts fällt, gibt hiervon Zeugniss. Dieselbe hat allerdings den nach langem Sträuben erfolgten Anschluss der irischen Kirche an Rom zur Voraussetzung, allein sie theilt doch vor Allem das particuläre hibernische Recht mit, dem die in Rom herrschende Rechtsanschauung gegenübergestellt wird und zwar unter den Inscriptionen »Romani dicunt«, »Institutio Romana, »Regula canonica Romana etc., deren Sinn und Bedeutung wir oben bereits klar gelegt haben 3. Wie weit die Sammlung von einer Wiedergabe des »jus commune« entfernt ist, geht schon aus dem Umstande hervor, dass von den nicänischen Canones nur ein einziger vorkommt. Dionysius ist zwar an zwei Stellen namentlich angeführt, allein man wird aus diesem Umstande nicht auf eine

1 Maassen, 1. c. S. 800 ff.
3 Siehe oben 175 ff.

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2 Maassen, 1. c. S. 810.

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directe Benutzung der Dionysischen Sammlung schliessen dürfen, da nicht allein der Wortlaut an diesen Stellen von der Dionysischen Recension wesentlich abweicht, sondern auch eine grosse Menge falscher Inscriptionen in der irischen Sammlung vorkommen, welche unter der Voraussetzung einer Vorlage der Dionysischen Sammlung nicht zu erklären sein würden. In dieser Anlage der irischen Sammlung spiegelt sich ein treues Bild des Rechtszustandes der irischen Kirche. Festhalten an einer der nationalen Sitte und Anschauung entsprechenden particulären irischen Gewohnheit bildete die Grundlage für die kirchliche Disciplin, deren doctrinäre Uebereinstimmung mit der Lehre der Kirche durch Anführung einer Menge von Aussprüchen der Kirchenväter nachgewiesen wird, während die römische Praxis, in welcher sich die Rechtsanschauung der Universalkirche ausgebildet hatte, als eine verschiedene, ja fremdartig gewordene angeführt wird, aber nicht ohne die deutlich hervortretende Absicht, Anschluss an dieselbe und Uebereinstimmung mit römischer Praxis nach Möglichkeit herbeizuführen. Es ist erklärlich, dass unter solchen Verhältnissen ein dem jus commune entsprechendes Poenitentiale Romanum in die irische Kirche nicht eingeführt wurde.

Man wird daher die territoriale Grenze der Benutzung eines »Poenitentiale Romanum« da vermuthen müssen, wo die eigenthümliche Rechtsanschauung der irischen Kirche in Geltung war oder wenigstens auf die Gestaltung der kirchlichen Disciplin Einfluss ausübte. Thatsächlich finden sich denn auch in der irischen und in der mit ihr im lebendigen Zusammenhang stehenden angelsächsischen Kirche bereits frühzeitig Bussbücher in Benutzung, welche dem dortigen eigenthümlichen Rechtsleben entsprechend nicht so sehr »Canones<< für die Bestimmung der Busse, als vielmehr Weisthümer enthalten, deren Inhalt von dem Bestreben eingegeben ist, die particuläre Praxis in Verwaltung des Busswesens zu schonen und zu wahren, aber auch in weiser Berücksichtigung der nationalen Anschauung so viel als möglich die als wünschenswerth erkannte Uebereinstimmung mit der gemeinkirchlichen Praxis Roms herzustellen.

1 So folgert mit Recht Wasserschleben, »Die irische Canonensammlung<< Einleitung VII, im Gegensatz zu Maassen, 1. c. S. 879.

Vierzehntes Kapitel.

Kriterien zur Unterscheidung römischer und angelsächsischer Bussbücher.

Nachdem wir zu dem Resultate gelangt sind, dass die Bezeichnung Poenitentiale Romanum einer ganzen Gruppe von Bussbüchern zukomme, bedarf es der Aufstellung von Kriterien, um Bussbücher der römischen Gruppe von anderen, zunächst von den angelsächsischen Bussbüchern zu unterscheiden. Es kann sich an dieser Stelle nur um solche Kriterien handeln, welche bei allen Bussbüchern der römischen Gruppe zutreffen, da die jedem einzelnen römischen Bussbuch eigenthümlichen charakteristischen Merkmale einer gleichzeitigen Mittheilung seines Contextes vorbehalten bleibt.

Solche Bussbücher der römischen Gruppe kommen sodann hier nur in Betracht, welche unmittelbar nach der historischen Umgestaltung des Busswesens im 6. Jahrhundert zu dem praktischen Zwecke, dem Busspriester als Handbuch bei Auflage der Busse zu dienen, verfasst wurden. Wie nämlich seit der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts bezüglich der allgemeinen kirchlichen Rechtssammlungen der Gedanke, die Rechtsdenkmäler in ihrer Individualität zu bewahren, gegen den anderen Zweck, die Erlernung und Anwendung des Rechts durch eine systematische Anordnung des Stoffes zu erleichtern, zurücktritt 1, so führte damals auch für die Bussbücher das Bedürfniss einer Reaction gegen unächte Plagiate und einer Wiederbelebung der Disciplin auf Grund der canonischen Satzungen zur Abfassung neuer Bussbücher mit systematischer Anordnung des Stoffes. Von diesen systematischen Busssammlungen des 9. Jahrhunderts ist uns meistens der Name des Autors überliefert und damit eine Unterlage für Bestimmung des Vaterlandes, der Entstehungszeit und des Charakters der Sammlung gegeben. Eine derartige Angabe des Autors findet sich nicht in den der älteren Zeit angehörigen praktichen Bussbüchern der römischen Gruppe, welche in der Regel unter der Bezeichnung »Poenitentiale Romanum<< oder einer ähnlichen verbreitet waren; für diese Bussbücher ist demnach die Bezeichnung von Kriterien zur Feststellung ihres Charakters nöthig. Die angelsächsichen Bussbücher der älteren Zeit tragen allerdings häufig den Namen

1 Maassen, Geschichte der Quellen 1. c. S. 4.

eines Verfassers, allein abgesehen davon, dass dies nicht bei allen der Fall ist, beruht diese Angabe bei manchen angelsächsischen Bussbüchern auf einer später ausgebildeten traditionellen Anschauung und nicht auf einer wirklichen Autorschaft.

Wenn nun die Behauptung Wasserschlebens, »dass es die angelsächsische Kirche war, welche zuerst durch Poenitentialien oder Beichtbücher auch in diesem Theile der kirchlichen Disciplin Ordnung und Einheit erhielt und förderte 1« zutreffend wäre, so würde denselben ein höheres Alter zukommen; die römischen Bussbücher wären eine Nachbildung der angelsächsischen. Hierin würde für diese angelsächsischen Bussbücher eine unterscheidende Eigenthümlichkeit gegenüber den römischen Bussbücher zu erkennen sein. Indessen trifft diese Voraussetzung keineswegs zu. Theodor hatte die specielle Mission, den innigen Anschluss der angelsächsischen Kirche an die Disciplin der römischen. Universalkirche zu bewirken. Da ist es schon von vornherein sehr unwahrscheinlich, dass Theodor überhaupt ein Bussbuch verfasst habe, wenn ihm nicht von seinem Aufenthalte in Rom her bekannt gewesen wäre, dass man sich in der römischen Universalkirche eines derartigen Bussbuches bei Verwaltung des Busswesens zu bedienen pflegte. Hierzu kommt, dass die Thatsache der Abfassung eines Bussbuches durch Theodor selbst durchaus nicht erwiesen ist. Wasserschleben stellt sie geradezu in Abrede und bezeichnet es als seine Ansicht: »dass Theodor kein Beichtbuch geschrieben hat; die zahlreichen Excerpten, welche seinen Namen tragen, enthalten zwar ursprüngliche Aussprüche Theodors, sind aber von einem Dritten vielleicht noch bei Lebzeiten jenes, systematisch zusammengestellt worden 2. Hiermit ist zugegeben, dass die Abfassung des unter dem Namen Theodors verbreiteten Bussbuches aller Wahrscheinlichkeit nach in die erste Hälfte des 8. Jahrhunderts zu versetzen ist; die positiven geschichtlichen Zeugnisse für das Theodor'sche Bussbuch reichen thatsächlich nicht über die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts zurück; für die erste Hälfte des 8. Jahrhunderts lässt sich nun auch die Benutzung einzelner römischer Bussbücher, wie wir später bei Mittheilung ihres Contextes sehen werden, nachweisen. Die Väter des Concils von Trient waren zweifellos der Ansicht, dass vor Theodor bereits Poenitentialbücher exi

1 Wasserschleben, 1. c. S. 4.
2 Wasserschleben, 1. c. S. 19.

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