Obrazy na stronie
PDF
ePub

hatte, für welche sich keine canonischen Busssatzungen vorfanden, das wurde ihm durch die häufig in Bussbüchern und auch bei Alcuin wiederkehrende Weisung nahe gelegt: »extant pro quibusdam culpis poenitentiae modi impositi juxta quos ceterae perpendendae sunt culpae, cum sit facile per eosdem modus vindictam et censuram canonum aestimare 1.« Der Priester sollte also die vorhandenen canonischen Busssatzungen als eine Directive benutzen, um über solche Vergehen, für welche sich keine canonischen Satzungen vorfanden, abzuurtheilen und eine ihrer Schwere entsprechende Busse aufzuerlegen. In dieser Verordnung offenbart sich wieder das Bestreben, einen Erlass von neuen allgemeinen Busssatzungen, denen eine canonische Autorität nicht zur Seite stand, zu verhindern, Weisthümer unberufener Neuerer über aufzulegende Busse von der Observanz auszuschliessen und die canonischen Satzungen in ihrem Ansehen zu bewahren.

Ein anderes Bedenken gegen die fortdauernde Geltung von canonischen Busssatzungen in dieser Periode liesse sich durch den Hinweis auf die Abnahme des Busseifers in der Kirche rechtfertigen, welche die Anwendung der früheren strengen Bussbestimmungen nicht mehr gestattete. Es ist allerdings richtig, dass die Busse nicht mehr in jener Weise und in jener Strenge während dieser Periode geleistet wurde, welche von den alten Satzungen bestimmt war; allein man führte dennoch die alten Busssatzungen an und schärfte sie ein, damit sie, wie Morinus anführt, nach der nunmehr geltenden Gewohnheit und unter Berücksichtigung der veränderten Verhältnisse wenigstens dem Wesen nach beobachtet würden. So erklärt Morinus 2 speziell die Citation alter canonischer Busssatzungen in den Bestimmungen des Trullanum's (a. 692) und in den Capitularien Karls des Grossen und seiner Nachfolger. In den Bussbüchern des 9. Jahrhunderts finden sich mit den canonischen Busssatzungen ausführliche Anweisungen über die Milderungen der Bussleistungen, namentlich der Fasten; dagegen wird die Dauer der Busse in Uebereinstimmung mit den Bussfristen der Canones normirt.

Hierbei ist noch eine weitere Erscheinung zu erwähnen. Die Bussbücher enthalten die leges canonicae, die eigentlichen

1 Alcuinus in Ecclesiasticis officiis cap.: de capite jejunii. Burchard, 1. 19, cap. 31. Ivo part. 15 cap. 49. Gratian dist. I. de poenit. cap. 86. Conf. Morinus, 1. c. lib. VII. cap. 23.

2 Morinus, 1. c. 1. VI. p. 418.

[ocr errors]

Busssatzungen, und daneben vielfach noch eine Instruction für den Busspriester über die Busse, welche er unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Büssers auferlegen sollte. Das deutet darauf hin, dass der Hergang bei Auflage der Busse in der abendländischen Kirche vielfach ein ähnlicher wie in der griechischen war. Bei den Griechen nämlich war der Gebrauch, wie Binterim berichtet, dass, während der Büsser seine Sünden beichtete, der Busspriester in seinem Poenitentialbuch die ihm gebeichteten Sünden nachschlug und dann dem Beichtkinde zeigte, welche Strafe die Busscanones für jede Sünde vorschreiben und wie diese Bussstrafen erfüllt werden müssen. Bei den neuern Griechen heisst daher das Auflegen der Busse: >canonizare« und das Verrichten der Busse: canones facere. Nehmen wir eine ähnliche Uebung für die lateinische Kirche an, so würde das in den Bussbüchern enthaltene Verzeichniss der canonischen Busssatzungen dazu gedient haben, dem Büsser vorgelesen zu werden, damit derselbe das strenge Urtheil der Kirche über die Grösse der Schuld erkenne, und anderer Seits der Busspriester jene Direktive in den alten canonischen Satzungen vor Augen habe, welche ihn bei der Auflage einer mildern Busse leiten sollte. Ich habe bereits bei einer frühern Gelegenheit 2 zwei Bussordnungen erwähnt, welche die Annahme dieses Verfahrens bei Auflage der Busse vollständig rechtfertigen. Der Ritus poenitentiae Bobiensis 3 führt mit den einleitenden Worten: >>legimus in poenitentiali« die alten canonischen Busssatzungen summarisch an und gibt dann dem Priester nach geschehenem Bekenntniss des Büssers die Weisung, die Busse nunmehr nach eigenem Ermessen aufzuerlegen: »imponat sacerdos jejunium secundo quod melius fuerat, quia ipsius arbitrio consistit modus poenitentiae. Durch dieses Verfahren war die Geltung der canonischen Busssatzungen gewahrt und anderer Seits der durch veränderte Zeitverhältnisse eingetretenen Nothwendigkeit einer Milderung wie der individuellen Lage des Büssers Rechnung getragen. Das Poenitentiale Valicell. E 15 deutet die gleiche Praxis an. Dasselbe enthält die »leges canonicae< welche zum grössten Theil auf das 7. Jahrhundert zurückzuführen sind, während es eine Instruction für den Busspriester gibt, welche

1 Binterim, Denkwürdigkeiten. 5. Bd. 3. Thl. 7. Kap. § 3.

2 Meine Mittheilungen über das »Poenitentiale Romanum« im Archiv 33. Band. S. 3 ff.

3 Von Muratori mitgetheilt Antiquitates Italicae tom. V. p. 722 ff.

auf die mildere Praxis des 11. und 12. Jahrhunderts hinweist. Die Geltung der canonischen Busssatzungen erscheint hiernach allerdings nur noch als eine theoretische; allein für die Kritik der Bussbücher genügt es darzulegen, wie die Kirche die canonischen Busssatzungen in ihrer Geltung wahrte, dem Busspriester die Milderung überliess und es so ermöglichte, dass die canonischen Satzungen noch die Directive zu einer Zeit blieben, in welcher die Strenge derselben in der Praxis unausführbar geworden war. Würden Bussbücher mit arbiträren Busssatzungen gleichberechtigt, wie die canonischen gewesen sein, dann wäre ein solches Verfahren, wie es sich in dem Vorlesen der alten Satzungen und in den beigefügten milden Instruction en für den Busspriester kennzeichnet, unerklärlich.

Neuntes Kapitel.
Busssatzungen für Cleriker.

In den Bussbüchern der zweiten Periode finden sich regelmässig auch Bussbestimmungen für Cleriker. Diese Thatsache scheint unserer bisherigen Darstellung, wonach es canonische Busssatzungen gewesen sein sollen, welche während der zweiten Periode in Geltung blieben und daher als der Inhalt der Bussbücher vorauszusetzen sind, zu widersprechen. Die gesammte kirchliche Gesetzgebung der ersten Periode enthält nämlich keine detaillirte ausgebildete Bestimmungen über die Busse der Cleriker; sie spricht sich im Gegentheil wiederholt entschieden dagegen aus, dass Cleriker der Busse unterworfen werden. Da entsteht die Frage, welchen Ursprung diese Bussbestimmungen für Cleriker haben, in welcher Beziehung sie zu den canonischen Busssatzungen stehen, und wie dieselben mit der früheren Praxis, Cleriker der Busse nicht zu unterwerfen, vereinbar sind?

Wie es mit Clerikern, welche sich vergangen hatten, gehalten wurde, ersehen wir aus einem Briefe des Papstes Leo I. an den Bischof Rusticus von Narbonne. Der Papst bezeichnet es als eine »>consuetudo ecclesiastica«, die auf apostolische Ueberlieferung zurückzuführen sei, Cleriker an der öffentlichen Busse nicht Theil nehmen zu lassen; dieselben sollen vielmehr privatim ihr Vergehen sühnen. »Alienum est a consuetudine ecclesiastica, ut qui in presbyterali honore aut in diaconii gradu fuerint consecrati, ii pro crimine aliquo suo per manus impositionem remedium accipiant poenitendi, quod sine dubio ex apo

stolica traditione descendit. . . . Unde hujusmodi lapsis ad promerendam misericordiam Dei privata est expetenda secessio, ubi illis satisfactio, si fuerit digna, sit etiam fructuosa 1.« Die Ausnahme, welche hier für die Cleriker statuirt wird, betrifft nur die »poenitentia solemnis«. Denn diese wird als »impositio manuum,<< worin ihre wesentliche, täglich wiederkehrende, liturgische Handlung bestand, bezeichnet 2. Satisfaciren sollen aber auch die Cleriker, nur in anderer Form als die Laien, nämlich privatim und zwar so, dass nur, wenn ihre satisfactio digna, eine der Grösse ihres Vergehens entsprechende sei, sie als eine fruchtbringende bezeichnet wird.

Die Inhaber der niederen Weihen kommen hierbei nicht in Betracht, indem der Papst ausdrücklich Priester und Diakon anführt, für welche er diese Ausnahme als kirchliche Gewohnheit bezeichnet. Die allgemeine Geltung als kirchliches Recht geht für diese Bestimmung daraus hervor, dass Dionysius Exiguus den obigen Brief des Papstes in seine Sammlung der Dekretalen aufgenommen hat. Auch Papst Zacharias beruft sich in dem 14. Kapitel seiner Beantwortung der von Pipin gestellten Fragen auf diesen Ausspruch seines Vorgängers Papst Leo's, um die uralte Tradition zu bezeugen 3. Als eine Consequenz dieser Ausnahme des Clerus von der feierlichen Busse musste sich die weitere Praxis ergeben, Laien, welche feierliche Busse geleistet hatten, nicht zu Clerikern zu weihen. Der Papst Siricius gibt eine diesbezügliche Vorschrift in seinem Briefe an Himerius mit den Worten: »Illud quoque nos par fuit providere, ut sicut poenitentiam agere cuiquam non conceditur clericorum, ita et post poenitudinem ac reconciliationem nulli unquam laico liceat honorem clericatus adipisci 4.« Die Leistung der poenitentia solemnis wird von diesem Papste sogar gerade wie Bigamie, als eine Irregularität, welche vom Empfang der Weihe ausschliesst, bezeichnet. In der Folge bildete sich der Rechtsgrundsatz aus, das die mala fama eine Folge jeder öffent

1 Epistol. 167. Hardouin, t. I. p. 1761; Amort Elementa jur. eccl. tom. II. p. 382.

2 Frank, Bussdisciplin 1. c. S. 488, hat den Versuch gemacht, einen Ausspruch des Papstes Leo I. und ähnliche Zeugnisse so zu deuten, dass die Cleriker wohl von der Handauflegung, nicht aber von der öffentlichen Busse ausgenommen gewesen seien. Allein in der ersten Periode ist die Handauflegung von der poenitentia publica unmöglich zu trennen, daher sind diese Erklärungsversuche ganz unhaltbar.

3 Hefele, Concilien-Ceschichte, Band III. p. 550.

[ocr errors]

4 Epistola I. ad Himerium num. 7. Amort. 1. c. p. 283.

lich übernommenen Busse sei1, wenngleich die Veranlassung derselben unbekannt blieb 2 und daher eine Irregularität nach sich ziehe 3, für welche das entscheidende Moment aber in der Leistung öffentlicher Busse zu suchen ist. Die geheime Busse, welche dem Cleriker auferlegt wurde, hatte natürlich die mala fama nicht zur Folge; sie zog daher auch für den Laien die Irregularität nicht nach sich 5.

Das Diffamirende einer öffentlichen Busse und ihre Unverträglichkeit mit der priesterlichen Würde musste im christlichen Alterthum um so klarer hervortreten, je erhabener die Anschauung von der Würde des Priesterthums war. Gregor von Nazianz schildert den Priester, wie er unter den Engeln stehe, zum Altare des Himmels die Opfer emporsende, das irdische Gebilde neu belebe, ja ein Gott sei und andere zu Göttern mache 6. Chrysostomus sagt von dem Sacerdotium, dass es auf Erden vollzogen, aber unter die himmlischen Dinge gehöre; der Paraklet selbst habe diese Würde eingesetzt, um Menschen, die noch im Fleische wandeln, es möglich zu machen, die Verrichtung der Engel zu übernehmen. Solcher Anschauung war es entsprechend, dass zahlreiche Synoden sich über die Ausschliessung der Poenitenten von dem Empfang der Weihen aussprachen 8.

1 Can. Non negamus 3. D. 61.

2 Siehe Phillips Kirchenrecht Bd. 1, §. 53, S. 555.

3 Can. Si qui sine examinatione 4. D. 81 (Conc. Nic.) Can. Quicumque poenitens 56. D. 50. (Siric.) Can. Canones 60. D. cit. (Innoc. I.) Can. Ventum est. 18. c. 1 q. 1. (Idem.)

4 Cap. Ex. tenore 4. X. de temp. ord. (I. 11; Alex. III.). Cap.: Quaesitum 17 eod. (Greg. IX.)

5 Raban. Archiep. ep. ad Heribald, Can. de his 34. Dist. 50: Poenitent. Raban. cap. 1.

6 Gregor Naz. Oratio I. apolog. de fuga.

7 Chrysost. de sacerdotio 1. III. c. 4.

8 So sagen die Toledanischen Canones vom J. 400 can. 2: »Ein Poenitent soll nicht in den Clerus aufgenommen werden.<< Hefele, 1. c. Bd. II. S. 78. Die Synode von Epaon i. J. 517 can. 3: »Wer Kirchenbusse gethan, kann nicht Cleriker werden.<< Die Synode von Agde i. J. 506 can. 43: >>Wer Kirchenbusse gethan hat, darf früheren Synodalverordnungen gemäss nicht Cleriker werden. Ist er schon geweiht, so soll er gehalten werden wie Einer, der zum zweiten Mal oder eine Wittwe geheirathet hat.<< Hier tritt die oben von Siricius angedeutete Gleichstellung der poenitentia mit Bigamie schon deutlich hervor. Aehnliche Bestimmungen wurden auf der Synode von Gerunda i. J. 517 can. 3, sowie von der Synode zu Arles i. J.

« PoprzedniaDalej »