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oder eine mit der römischen Kirche in der Disciplin übereinstimmende Provinzial-Synode ausserrömischer Bischöfe voraussetzen, ein derartiges Poenitentiale ist offenbar aus dem Schoosse der Kirche hervorgegangen. Bezüglich solcher Bussbücher, welche unter dem Namen irgend eines Verfassers verbreitet waren, wird man zunächst in der genannten Persönlichkeit den Autor zu vermuthen haben; ihre Reception und Approbation geschah ebenfalls von einer Diocesan- oder Provinzial-Synode. In dieser Darstellung befinden wir uns in vollständiger Uebereinstimmung mit Benedict XIV., welcher die Entstehung der Bussbücher auf die Thätigkeit der auf den Synoden versammelten Bischöfe zurückführt 1.

Schulte ist nun der Meinung, die libri poenitentiales hätten ihr Material aus vorliegenden grösseren Sammlungen zusammengestellt 2. Diese Ansicht ist indessen nur bezüglich einiger Bussbücher, welche der Zeit der Reaction im 9. Jahrhundert angehören, zutreffend. Die ältesten Bussbücher, namentlich die ältesten Exemplare des Poenitentiale Romanum weisen keineswegs Spuren der Benutzung von vorliegenden Sammlungen auf; sie geben auch die Canones der Concilien nicht im ursprünglichen Wortlaut, sondern nur in inhaltlicher Uebereinstimmung mit stärkeren oder geringeren Text-Anklängen wieder. So tragen die Busssatzungen deutlich das Gepräge von unmittelbar für die Regelung des Busswesens formulirten Bestimmungen und die Bussbücher kennzeichnen sich als zu gleichem Zwecke gemachte originale Codificirungen dieser Satzungen.

Auch die Hypothese Hildenbrand's entfernt sich vom Boden der Thatsachen. Die Bussbücher sollen sich danach an die Formen des profanen Rechts der Germanen unverkennbar angelegt haben: »Wie nämlich die ältesten germanischen Rechtsaufzeichnungen, Zusammenstellungen von Geldbussen, welche je nach den verschiedenen Arten und Graden der Friedens- und Rechtsbrüche dem Verletzten von den Missethätern entrichtet werden mussten, so sollen auch Bussen in den Kirchengesetzen bestimmt worden sein, um eine Sühne durch Acte der Entsagung und Leiden, wie man es für jedes Vergehen vom kirchlichen Gesichtspunkte für nöthig erachtete, zu leisten und diese kirchlichen Aussprüche über diese Bussen in ähnlicher Weise, wie

1 Benedict XIV., de synodo dioeces. lib. XI. cap. 11, n. 1-3.

2 Schulte, Geschichte der Quellen. 1. c. I. Bd. S. 31.

die germanischen Rechtsbücher als kirchliche Bussbücher sich ausgebildet haben 1.«<

Wenn auch Hildenbrand zugibt, dass die Bestimmungen der Bussbücher aus eigenen kirchlichen Keimen hervorgingen und eine Analogie mit den germanischen Rechtsbüchern nur bezüglich der formellen Ausbildung der Bussbücher annimmt, so ist seine Hypothese doch nur bezüglich weniger germanischer Bussbücher und zwar in beschränktem Sinne zutreffend. Vor den germanischen Bussbüchern existirten bereits ältere Bussbücher der römischen Kirche, welche für den materiellen Inhalt, wie formelle Anlage späteren germanischen Bussbüchern als Vorlage dienten. In den letzteren musste allerdings auch das germanische Recht berücksichtigt werden, und daher fand das sogenannte Compensations - System in dieselbe Aufnahme. Nur mit Rücksicht auf dieses in kirchlichen Bussansätzen angewendete Compensations - System lässt sich eine Verwandtschaft zwischen germanischen Bussbüchern und germanischen Rechtsaufzeichnungen behaupten; für die Entstehung der Bussbücher überhaupt ist diese Analogie ohne jede Bedeutung 2.

In den Bussbüchern, welche die Privatarbeit der Verfasser sind, deren Namen sie tragen, wird man, mögen diese Verfasser immerhin hervorragende Männer gewesen sein, doch bezüglich der kirchlichen Correctheit und einer homogenen Ausbildung des kirchlichen Rechts nicht den gleichen Einfluss und Werth voraussetzen dürfen, wie in jenen Bussbüchern, welche nach Art eines Kirchenbuches aus dem Schoosse der Kirche durch die Thätigkeit der Synoden hervorgegangen sind. Thatsächlich macht sich denn auch der Privatcharakter der Verfasser in ihren Bussbüchern geltend; statt der legislativen Form waltet eine doctrinäre Darstellung vor; Spuren des Studiums treten hervor; die aufgestellten Satzungen werden motivirt und vielfach durch Weisthümer ergänzt. Vor Allem aber waren es die Zwecke der Accomodation an die Rechtsanschauung und die kirchliche Gewohnheit einer bestimmten Partikularkirche, welche diese Verfasser von Bussbüchern zu ihrer Arbeit bestimmten und in derselben leiteten. Ihre Bussbücher entfernen sich daher von der

1 Hildenbrand, Untersuchungen über die germanischen Poenitentialbücher. Würzburg 1851. S. 2 ff.

2 Die Hypothese Hildenbrand's ist von Phillips, Kirchenrecht, 4. Bd. Regensburg 1851, S. 11, acceptirt, aber bereits von Kunstmann in dem Münchener Gelehrt.-Anzeiger 1852, No. 12, S. 99, 106 eingehend widerlegt.

Anschauung und Observanz der Universalkirche und haben vorwiegend partikularrechtliche Bedeutung. In der angelsächsischen Partikularkirche wird die Abfassung derartiger Bussbücher vor Allem Theodor von Canterbury, † 690, Beda, † 735, und Egbert von York, † 767; in der fränkischen Kirche Columban, † 615, und Cummean zugeschrieben; auf eine Charakteristik dieser Werke werden wir bei ihrer Mittheilung näher eingehen.

Achtes Kapitel.

Canonische und arbiträre Satzungen der Bussbücher.

Die Bussbücher hatten den Zweck, dem Busspriester als dirigirendes Handbuch bei Auflage der Busse zu dienen. Diesem Zwecke musste ihr Inhalt entsprechen; man wird daher in ihnen jene Busssatzungen vermuthen müssen, welche seit dem 7. Jahrhundert die Busse für die öffentlichen und geheimen Vergehen bestimmten. Thatsächlich sind uns nun zwei Gattungen von Bussbüchern, deren Benutzung auf das 7. Jahrhundert zurückzuführen ist, überliefert worden. Die einen enthalten vorwiegend Weisthümer hervorragender Männer, also Satzungen, welche nach persönlichem arbitrium die Busse regeln, mithin als arbiträre zu bezeichnen sind. Die anderen charakterisiren sich durch einen innigen Anschluss an die Canones der älteren Concilien und enthalten fast ausschliesslich Busssatzungen, welche auf diese Canones zurückzuführen sind, mithin als canonische Satzungen bezeichnet werden müssen. Diese beiden Gattungen von Bussbüchern lassen nothwendig auch eine zweifache Uebung bei Verwaltung des Busswesens voraussetzen; da entsteht die Frage, welche Uebung die Regel und welche die Ausnahme war? in welcher Uebung die Disciplin der Gesammtkirche und in welcher die particuläre Eigenthümlichkeit der einen oder anderen Landeskirche zu erkennen ist?

Die Beantwortung dieser Frage ist für die Beurtheilung der Bussdisciplin, wie für die Kritik der Bussbücher von entscheidender Bedeutung. War es allgemeine Uebung in dieser zweiten Periode, arbiträre Bussen aufzulegen, dann ist man zu der Annahme genöthigt, die reiche kirchliche Gesetzgebung für das Busswesen, welche wir in der ersten Periode in dem codificirten

Dionysischen Recht und den canonischen Briefen der griechischen Väter gefunden haben, sei seit dem 7. Jahrhundert ausser Uebung und Geltung gekommen, die traditionelle Praxis der Vorzeit sei quiescirt, die Entwicklung des kirchlichen Rechts für das forum internum habe aufgehört und jeder Zusammenhang des Busswesens dieser Periode mit jenem der ersten Periode sei zu leugnen. An eine Einheit der kirchlichen Disciplin ist bei dieser Annahme nicht zu denken; der Particularismus wäre auf dem Gebiete des Busswesens herrschend gewesen.

Für die Kritik der Bussbücher würde sich bei dieser Annahme die Vorstellung ergeben, dass die Bussbücher eines Theodor und Beda, in welchen sich die Weisthümer dieser wie anderer hervorragender Männer gesammelt finden, die weitaus bedeutendsten Quellen für die das Busswesen seit dem 7. Jahrhundert regelnde Disciplin, wie für alle anderen Bussbücher gewesen seien. Wir würden in diesen Männern die Begründer einer Bussdisciplin während dieser Periode erblicken müssen, welche sich von jener der vorhergehenden Periode wesentlich unterscheidet und von ihren Weisthümern urtheilen müssen, dass sie durch Reception in ihren und anderen Landeskirchen zu geltenden Rechtssätzen für das Busswesen geworden seien. Demgemäss würde dann vor Allem die Landeskirche dieser Männer, nämlich die angelsächsische, als jene zu bezeichnen sein, in welcher die Bussdisciplin seit dem 7. Jahrhundert in höchster Blüthe stand; ihr zunächst würde die fränkische Landeskirche, welche die Bussbücher Theodor's und Beda's recipirte und ähnliche Erzeugnisse in den Werken eines Cummean und Columban aufzuweisen hat, als die Blüthestätte für das Busswesen wie die Literatur der Bussbücher gelten müssen, während die römische Kirche und die mit ihr in der Disciplin übereinstimmenden Theile der Universalkirche, in welchen jene particularrechtlichen Erzeugnisse der angelsächsischen Landeskirche keinen Eingang fanden, als Gebiete anzusehen wären, wo das Busswesen keine rege Pflege erfuhr, vielmehr ein Zustand des Verfalles und des Niederganges herrschte. Thatsächlich hat diese Anschauung bisher als die richtige gegolten und die gesammte Literatur über die Bussbücher auf katholischer wie protestantischer Seite beherrscht. Wasserschleben gibt dieser Anschauung mit folgenden Worten Ausdruck:

»Das Poenitentiale Theodor's vor Allem ist stets als der Glanzpunkt der gesammten Literatur dieser Art, als Muster und Hauptquelle der späteren Bussordnungen bezeichnet worden. Im

Gegensatz zu Italien, wo unter den politischen Stürmen an eine ruhige Entwicklung der kirchlichen Institutionen nicht zu denken war, und im Gegensatz zur spanischen und fränkischen Kirche, wo die Kirchenzucht verfallen war, entfaltete sich ein reiches jugendlich kräftiges kirchliches Leben in der angelsächsischen Kirche 1.<<

In dieser Anschauung wird die Gattung von Bussbüchern, welche vorwiegend canonische Busssatzungen enthalten und sich daher, abgesehen von ihrer verschiedenen Anlage und anderen Merkmalen, schon durch ihren Inhalt von jenen erwähnten particularrechtlichen Bussbüchern unterscheiden, vollständig ignorirt. Wird nun aber die Existenz solcher Bussbücher mit canonischen Busssatzungen ausser Zweifel gesetzt und gelingt der Nachweis, dass diese Uebung, canonische Satzungen bei Auflage der Busse zu beobachten, die universale in der Kirche während dieser Periode war, dann erscheinen diese Bussbücher mit canonischen Satzungen als die dem jus universale (commune) entsprechenden Rechtsdocumente für das forum internum der Kirche; die Continuität der Rechtsentwicklung zwischen der ersten und zweiten Periode ist alsdann gewahrt; die Bussbücher mit canonischen Satzungen sind alsdann die vorzüglichsten Rechtsdenkmäler und die Territorien ihrer Benutzung kennzeichnen sich keineswegs durch einen Verfall des Busswesens, sondern durch eine strenge Wahrung des in den Canones der Vorzeit grundgelegten jus commune der Kirche auf dem Gebiete des Busswesens. Erscheinen so die Bussbücher mit canonischen Satzungen und die in ihnen gekennzeichnete Disciplin als die Regel, dann kennzeichnen sich die Bussbücher Theodor's, Beda's und ähnlicher Verfasser als die Ausnahme; sie sind particularrechtliche Sammlungen zum Gebrauch in einzelnen Landeskirchen; ihre Berechtigung liegt in den speciellen Verhältnissen der angelsächsischen Kirche, welche wegen der Unbändigkeit der neubekehrten Angelsachsen und der Abneigung der Briten gegen römische Disciplin eine Uebung der traditionellen Bussdisciplin der Universalkirche nicht gestatteten; ihr Werth liegt in ihrer Tauglichkeit, den Geist der Disciplin der Universalkirche in den der entsprechenden Landeskirche angepassten Formen auf dem Gebiete des Busswesens zu wahren; ihre Bedeutung geht nicht über die eines. berechtigten Particularismus gegenüber der Regel und dem jus commune hinaus.

1 Wasserschleben, Bussordnungen, S. 4 und 13.

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