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preist er zart den seelischen Reiz einer Frau, der den äussern überdauert. Doch hielt er seine Junggesellenfreiheit fest. Freundschaft steht ihm höher als Liebe, sie ist der Ehe weit vorzuziehen: „Ein Narr ist's, der zu Wasser gehet, Wenn er zu Lande reisen kann“ S. 309. Das Epigramm S. 280 f. an Strephon ist eine Absage an die Frauen und ein Hymnus auf die Männerfreundschaft: Die Lieb' ist untern Männern Liebe; Und untern Weibern ist sie Brunst." Er achtet und schätzt mehr „die Liebe, die die Menschen glücklich macht," als die ,die die Welt vermehrt."

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Wernicke hat einen grossen Reichtum an klugen, feinen Gedanken, Metalle, aus denen Geld zu münzen" nach Lessings hübschem Wort, und er beleuchtet alle menschlichen Verhältnisse mit klarem, unbestochenem Urteil. So ist er, auch an seinen schwächsten Stellen, da wo er dunkel und gespreizt ist, interes sant und lehrreich zu lesen. Seine eigentliche Stärke und Begabung lag in der Satire. Allein das Hauptinteresse beruht doch darin, dass er so sicher, so überlegen, so frei in den grossen stilistischen Auseinandersetzungen der Zeit dasteht und an seinem Teil redlich mitgeholfen hat, das gewaltige Gebäude der Kritik, das Grössere vollenden sollten, mitzuerbauen. Abschliessend können wir uns Hagedorns Urteil zu eigen machen, der von ihm sagt 1):

Wer hat nachdencklicher den scharfen Witz erreicht,
Und früher aufgehört durch Wortspiel uns zu äffen?

An Sprach' und Wohllaut ist er leicht,

An Geist sehr schwer zu übertreffen.

1) Herrn Friedrichs von Hagedorn sämmtliche Poetische Werke,

Hamburg 1760, S. 83.

Abschnitt Vl.

Die Frage der Abhängigkeit.

Auf blosse Anklänge oder Ähnlichkeiten hin darf man nicht gleich auf Entlehnung schliessen, denn das Epigramm ist eine konservative Gattung und sein Stoffkreis immerhin beschränkt. Das ganze X. Buch, witzige Anekdoten, ist entlehnt, worüber Wernicke selbst keinen Zweifel offen lässt. Die Quellen sind Witzworte, scharf pointierte Aussprüche von Schriftstellern alter und neuer Tage und lustige Geschichten, wie sie wohl von Mund zu Mund gehen. Zwei Beispiele mögen genügen. Sueton1) erzählt im Leben des Nero: ,,Puerum Sporum, exertis testibus etiam in muliebrem naturam transfigurare conatus, cum dote et flammeo per sollemnia nuptiarum celeberrimo officio deductum ad se pro uxore habuit. Extatque cuiusdam non inscitus iocus, bene agi potuisse cum rebus humanis, si Domitius pater talem habuisset uxorem." S. 342 hat Wernicke diese Erzählung zu einem Epigramm gestaltet. Nero liebet einen Knaben."

Es liebte Nero einen Knaben,

Und nennt' ihn seine Frau: ich rühme den Gebrauch,
Brach' einst ein Römer aus, sein Vatter solte auch

Ein solches Weib gehabet haben.

Die Überschrift,,Ein Neuvermählter" S. 344 stammt aus den ,,Menagiana" Paris 1729 Bd. III, 367 f:

1) C. Suetoni Tranquilli Quae supersunt omnia. Recensuit C. L. Roth. Leipzig 1875. L. VI. cap. 28. S. 182.

„M. H. . . . Bailli du Chapitre de . . . aiant épousé une jeune et belle femme, fut rencontré de grand matin par un de ses amis deux jours après son mariage. Son ami lui demanda quelle affaire l'obligeoit à sortir si matin. Aucune, lui repartit M. H. . . . je me lève seulement pour me délaster. Verville, chap. 61 de son Moyen de parvenir, dit que les nouveaux mariés se lèvent matin pour se reposer, ce que j' ai ainsi tourné en Épigramme.

Luce vigil prima, studiorum, ut credis, amore
Vir quoties surgit, Calliodora, tuus.

Increpitas toties, parcatque ut viribus, instas,
Neve operi tanta sedulitate vacet.
Falleris in lecto qui te sic mane relinquit,

Non hic quaerit oqus, Calliodora; fugit.

Dagegen ist Wernickes Fassung ungleich witziger und knapper. Er erzählt schlicht, ohne die Gattin anzureden. Ausserdem hat er als Zeit den Morgen nach der Hochzeitsnacht gewählt. Dies frivole Histörchen mag er im Gespräch von Menagius, mit dem er in persönlichem Verkehr stand, selbst gehört haben.

Wenn er in der Vorrede sagt:,,zum Beschluss so hat man nur noch dieses zu erinnern, dass keine dieser Überschrifften aus einer andern Sprache übersetzet sind, und dass man seinem bestem Wissen nach, auch niemand etwas abgeborget habe," so ist das nicht zutreffend, denn er ist Martial verpflichtet. Obwohl auch Levy in seiner guten Arbeit (Martial und die deutschen Epigrammatiker des 17. Jahrhunderts, Stuttgart 1903) ausdrücklich betont, dass blosse Anklänge nicht sogleich Abhängigkeit bedeuten müssten, geht er bei Wernicke doch zu weit. Besonders ist die tabellarische Übersicht am Schluss geeignet, ein falsches Bild hervorzubringen.

1. Von dem Epigramm auf die Portia sagt er, es sei Martial') I, 42 sehr selbständig nachgebildet. Die selbständige Nachbildung besteht darin, dass Wernicke

1) Ich citiere nach Gilbert, M. Valerii Martialis Epigrammaton Libri. Leipzig 1901.

eben den gleichen Stoff behandelt. Eine einfache Gegenüberstellung wird genügen.

Coniugis audisset fatum cum Porcia Bruti

Et subtracta sibi quaereret arma dolor,
,,Nondum scitis" ait „mortem non posse negari?
Credideram, fatis hoc docuisse patrem."
Dixit et ardentes avido bibit ore favillas.

I nunc et ferrum, turba molesta, nega.

B S. 38. Man hört nicht Portia vergebens sich beklagen,
Noch dass diss edle Weib in Ohnmacht weibisch sinckt;
Sie kan gleich ihrem Mann, den Tod behertzt ertragen,
Und sie isst Feur, weil er aus Lethe Wasser trinckt.

Levy hat hier, wie überhaupt, nur B C verglichen, doch ist die ,,Abhängigkeit" in A auch nicht grösser. In der Erweiterung dieser Überschrift ,,Auf dieselbe" ist doch wenigstens auch Catos und ihrer beider starren Trotzes gegen das Geschick gedacht.

2. Martial IV, 8 soll für B 92,,Ein jedes Ding hat seine Zeit. Auf Alcestes" das Muster abgegeben haben. Martial schildert in kurzen Strichen das geschäftige Treiben Roms allerdings auch nur für die Kreise, deren Arbeit keine Arbeit ist, und schliesst mit einer sehr persönlichen Wendung auf Domitian und die eignen Epigramme. Wernicke beschreibt den Tageslauf eines vornehmen Nichtstuers, so natürlich,,,dass viele sie bey gelegner Zeit mit Vergnügen angezogen, und auswendig hergesaget haben". Er schliesst, nachdem der Tag geendet:,,Was aber folgt hernach? das weiss ich nicht gewiss, Weils Wercke sind der Nacht und Finsternüss." Ich kann nicht annehmen, dass irgend ein Zusammenhang zwischen beiden Epigrammen besteht.

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Dass die Gerechtigkeit kein Absehn möge schwächen,
So lässt Zaleucus sich sein eignes Aug ausstechen,
Beyd' sie und er sind eins, kein Unterscheid findt Stat,
Als das Zaleuc nur ein's, und sie kein Auge hat.

Der Schluss soll nach Levy auf einer Reminiscenz an Martial III, 8 beruhen. Diese Annahme scheint mir ganz willkürlich.

4. Martial I, 33.

Amissum non flet cum sola est Gellia patrem,

Si quis adest, iussae prosiliunt lacrimae.
Non luget quisquis laudari, Gellia, quaerit,

Ille dolet vere, qui sine teste dolet.

In B 7 ist es eine Witwe, die ihren Mann mit grossem Gepränge betrauert. Das Gemeinsame liegt nur darin, dass eine Frau einen Verstorben nicht in rechter Weise betrauert. Bei Wernicke liegt der Ton nicht auf der Unaufrichtigkeit, sondern dem gewissen aufdringlichen Kultus der Trauer. Moscherosch, Gesichte 1643 S. 84 steht Wernicke bedeutend näher.

5. Martial XII, 10.

Habet Africanus milies, tamen captat.
Fortuna multis dat nimis, satis nulli,

ist nach Levy in dem Epigramm „,Reiche und Arme" freier übersetzt B 16.

Was fängt der Arme woll aus Ubermuht nicht an,
Wenn er mehr hat, als er auf einmahl essen kan;
Der reiche Wuchrer hat hergegen niemahls gnug,
Er denckt auf nichts als auf Betrug:

Und macht aus Unrecht thun ein Spiel:

Die schnöde Welt verübt so manche Missethat
Dieweil der Arme viel zu viel,

Der Reiche viel zu wenig hat.

Ist die Übersetzung nicht allzu frei?

6. Levy meint triftig, dass Wernicken bei seinem Epigramm,,Auf den verliebten Cherontes" B S. 23 f. der Inhalt des Martialschen Epigramms I, 68 in den Umrissen vorgeschwebt hat, wenn Wernickes Schluss auch gegen sein Vorbild gehalten lahm erscheint. Die Vermittlung durch Weise 1) halte ich für höchst unwahrscheinlich.

7. Unter den verschiedenen Fassungen der Epigramme auf Mutius Scaevola halte ich mit Levy die letzte C: S. 54 f. für die am meisten von Martial I, 21 abhängige.

1) Chr. Weise, Der Grünen Jugend nothwendige Gedanken, Leipzig 1675. S. 614.

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