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lein, denn der Zorn der satirischen Muse,,bäckt keine
Biesem-Kuchen". Stechen soll die Überschrift; nicht die
Lieblichkeit der Rose, sondern ihr Dorn ist das Symbol.
So denke, dass man hier, was lieblich riechet nicht
So hoch bey weitem schätzt, als was empfindlich sticht.

So haben wir denn bei Wernicke eine brauchbare, triftige Theorie des Epigramms. Die Fehler seiner Vorgänger hat er klug vermieden, gestützt auf kritische Grundsätze und begabt mit dem sicheren Gefühl des Schöpfers. Von ihm zu Lessing ist die Brücke leicht zu schlagen.

In seiner Abhandlung über das Epigramm legt Lessing den Schlussstein der Theorie, die von Scaliger ausging. In wunderbar klarer, eleganter Kürze normiert er seine Anforderungen an das Epigramm. Ihm ist „das Sinngedicht ein Gedicht, in welchem, nach Art der eigentlichen Aufschrift, unsere Aufmerksamkeit und Neugierde auf irgend einen einzeln Gegenstand erregt und mehr oder weniger hingehalten werden, um sie mit eins zu befriedigen." Über die grosse Einseitigkeit seiner gleich der Fabeltheorie auf ein antikes Muster kanonisch gegründeten Auffassung und über Herders besonders aus andern Regionen der griechischen Anthologie geschöpfte Ergänzung ist hier nicht zu reden.

Abschnitt II.

Die literarische Fehde in Hamburg.

Was im siebzehnten Jahrhundert für die Theorie des Epigramms gewonnen war, erhellt aus vorstehenden Ausführungen. Es fällt aus dem Rahmen dieser Arbeit heraus, darzutun, was deutsche Dichter von dem Neulateiner Euricius Cordus bis zu Wernicke in dieser Gattung geleistet haben, wie zuerst schüchtern neben lateinischen Epigrammen allmählich in immer breiterem Flusse deutsche Epigramme, erschienen. Das Epigramm war vielleicht die erfreulichste Gattung des Jahrhunderts. Knappe Kürze statt ermüdender, concettoser Weitschweifigkeit, scharfer Witz statt öder, moralisierender Plattheit, boshaftes Lachen statt trockner Ehrbarkeit lassen die Epigrammatik besonders wohltuend erscheinen. Die Gattung duldete nicht die Leere an Gedanken und innerem Gehalt, die wir sonst überall finden, nicht die unerträgliche Gespreizheit, die Breite der übrigen Zweige. Alles was diesem seltsamen Jahrhundert an Witz und Verstandesschärfe eigen ist, zeigt sich hier. Ausserdem war durch die Polemik der Renaissance die Lust am Epigramm lebendig. Alte Muster wurden benutst, und eine ungeheure internationale Entlehnung fand start. Die griechische Anthologie und Martial bildeten die Hauptfundgruben. Später wurde Owens Einfluss trotz der Dürre des Engländers übermächtig. Leider glaubte jeder sich berufen,

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Epigramme zu fertigen; dadurch sank die Gattung zu witzlosen Wortspielen herab. Alberne Nichtigkeiten, statt Scharfsinn und Witz zu beschäftigen, nur für Auge und Ohr berechnet, wie Anagramme, Bilderreime, Echos, füllen die Gedichtbücher. Die Stoffe der Satire blieben sehr stereotyp, nur gegen die Alamodetorheiten, besonders das französelnde Wesen fand man neue, kräftige Töne, wie ja überhaupt in diesem Jahrhundert ein starker, bärbeissiger Patriotismus gegen die Ausländerei auflebte. Im allgemeinen müssen wir jedoch immer und immer wieder die abgedroschenen, oft schmutzigen Witze über körperliche Gebrechen, besonders Kahlköpfigkeit, Dicke oder Magerkeit, über Pantoffelhelden, Hahnreie, Bastarde, Geizige, böse oder unkeusche Weiber, über Ärzte, Juristen, Schulmeister anhören. Wenn früher Schwank und Fabel die Formen einer gewiss derben, aber volkstümlichen und darum lebensvollen Satire gewesen waren, so wurde das satirische Epigramm eine ausschliesslich gelehrte Gattung. Die Dichter wollen Gelehrte, die Gelehrten Dichter sein. Beide suchen in der Erudition, die mit verschwenderischer Hand über ihre Poesie ausgestreut wird, ihren Hauptruhm. Dadurch steigert sich ihnen der Wert der Kunst überhaupt. Einen Übergang zwischen volkstümlicher und gelehrter Poesie bildet Johann Zinkgref mit seinen Apophthegmata. Das Antithetische des Epigramms durchdrang die ganze Poesie der Zeit, auch in der Lyrik finden wir es sehr häufig, sogar das Kirchenlied zeigt Spuren hiervon. Blutarm und unwesenhaft ist oft die Satire. Denn statt ins Leben zu greifen und an ein paar fest umrissenen Leuten der eigenen Umgebung die Laster zu striegeln, erfand man künstlich Fälle, häufig nur, um einen dem eigenen Geschmack nach guten Witz anzubringen. Anekdotisch, von den Tatsachen abgetrennt war oft der Witz dieser Zeit. Neben der satirischen Gattung, die manchen völlig versagt war, blühte das Epigramm als Gelegenheitsgedicht, als Gnome und als pures Sinngedicht. Die Form war zum grossen

Teil der Alexandriner, der durch seine ,,zweischenklige" Form ja schon in sich zum Spiel mit Gegensätzen herausfordert. Jedoch ist dagegen zu bemerken, dass der Alexandriner grade durch seinen gleichmässigen Schritt oft der straffen Knappheit nicht gerecht werden kann, haben doch die Meister der Xenien das Monodistichon als die dem Epigramm organische Form ausschliesslich benutzt.

Als Wernicke zu schreiben begann, standen die beiden. Schlesier Hofmanswaldau und Lohenstein in höchstem Ansehen. Sie waren neben Altvater Opitz die Götter der deutschen Dichtung. Alle Welt erteilte ihnen überschwängliches Lob, und dies Jahrhundert verstand zu loben, wurde man doch für geringe Leistung gleich ein Seneca, ein Juvenal, ein Martial der deutschen Dichtung genannt. Laurembergs derbes Schelten verhallte ungehört, und vor allem schworen die Poeten auf sie, deren. Dichtung ohne das, was bei Hofmanswaldau und selbst bei Lohenstein Triebe neuer Stimmungen und Formen enthält, nichts als schwülstig war, die durch Verschwendung gesuchter Metaphern die innere Hohlheit zu verbergen suchten. War Hofmans waldaus Manier blühend und witzvoll, so entartete die Dichtersprache jetzt durch Übertreibungen törichter Nachahmer zu widerwärtigem Schwulst und hohlem Witzspiel. Die Natur wich dem Bizarrsten, das kräftige Beiwort dem süsslichen, der Duft dem Parfüm. Nichtiges wird aufgebauscht mit einem Schwall von falschen Metaphern oder Katachresen. Alle Dichter sind auf der Bilderjagd. Dabei geben die Nachtreter der Schlesier sich lüstern wie Hofmanswaldau und roh wie Lohenstein. Ihre Phantasie schweift um die heimlichen Schönheiten der Geliebten, die von Kopf zu Fuss katalogisiert werden. Liebe ist sinnliche Brunst. Am unerträglichsten erscheint diese Lüsternheit da, wo sie nur als kalte Kopfarbeit erscheint. Daneben wirkte Lohensteins gefährliche Neigung zu krassen Bildern der Notzucht, Folter und Henkergerechtigkeit auch auf die

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Romanfabriken, und man übersah sein reineres Streben in der,,Sophonisbe". An den Ehrenkränzen dieser Meister wagte Wernicke zu zausen, der die stilistischen Prozesse natürlich ohne literargeschichtliche Unbefangenheit, sondern mit der Heftigkeit eines selbst Angekränkelten und auch Bekehrten ansah. In der Vorrede zu seinem Büchlein, das unter dem Titel,,Uberschriffte oder Epigrammata in acht Büchern, nebst einem Anhang von etlichen Schäffer-Gedichten, theils aus Liebe zur Poesie, theils aus Hass des Müssiggangs geschrieben" mit dem Motto: Misce stultitiam consiliis brevem, Dulce est desipere in loco. Hor." in Hamburg im Jahre 1701 erschien, setzt er sich mit den deutschen Poeten überhaupt und den Schlesiern besonders auseinander und erläutert seine Ansicht durch verschiedene Epigramme. Ausdrücklich verwahrt er sich dagegen, dass er die Dichter selbst angreife, nur ihre Schreibart trifft der Tadel. Er betont, seine Kritik merke,,sittsahmlich und mit aller Ehrerbietung und Höfflichkeit die Fehler an. Gern zollt er den beiden Schlesiern, was ihnen an Ruhm gebührt. Denn wer ist es wol, der in des Herrn von Hoffmannswaldaus Schrifften viel zu tadeln, und in des Herrn von Lohensteins Gedichten nicht viel zu rühmen findet. Sinnreich und lieblich ist der erste, sinnreich und durchdringend der andre. Jenen ist jedermann geneigt, diesen ist jedermann gezwungen zu rühmen". Er will durch Aufdecken der Fehler nützen, nicht verkleinern, denn er sieht mit Schmerzen, dass die beiden so verschiedenen Schwulstpoeten in allen Dichterköpfen eine unheilvolle Verwirrung angerichtet haben. Statt auf kluge Einfälle zu denken, treiben sie ein Spiel mit leeren, eitlen Worten. Einfälle sagt er, um thoughts, pensées und concetti zu verdeutschen. Nach unserm Sprachgebrauch aber bekämpfte er ja grade das Concettose der Schreibart, die Häufung von gesuchten, verstiegenen Metaphern. Nicht männlich genug ist ihm die deutsche Schreibart. Flüssig genug seien unsere Verse, doch eben diese Glätte ohne Kern verrate

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