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Nicht jeder Gebrauch der willkührlichen auf einander folgenden hdrbaren Zeichen ist Poesie. Warum soll jeder Gebrauch natürlicher neben einander stehender sichtbarer Zeichen Malerey seyn, in so fern Malerey für die Schwester der Poesie angenommen wird?

So gut es von jenen einen Gebrauch giebt, der nicht eigentlich auf die Täuschung gehet, durch den man mehr zu belehren als zu vergnůs gen, mehr sich verständlich zu machen als mit sich fortzureißen sucht; das ist, so gut die Sprache ihre Poesie hat: so gut muß auch die Malerey dergleichen haben.

Es giebt also poetische und posaische Maler. Prosaische Maler sind diejenigen, welche: die Dinge, die sie nachahmen wollen, nicht dem Wesen ihrer Zeichen anmessen.

1) Ihre Zeichen sind neben einander stehend; welche folglich Dinge, die aufeinander folgen, damit vorstellen.

2) Ihre Zeichen sind natürlich; welche folge lich sie mit willkührlichen vermischen, die Allegoristen.

3) Ihre Zeichen sind sichtbar; welche folglich nicht durch das Sichtbare das Sichtbare, sondern das Hörbare, oder Gegenstände anderer Sinne vorstellen wollen. Erläu terung: the enraged Musician von Ho garth.

Die Malerey sagt man, bedienet sich natürs licher Zeichen. Dieses ist, überhaupt zu reden, wahr. Nur muß man sich nicht vorstellen, daß sie sich gar keiner willkührlichen Zeichen bediene; wovon an einem andern Orte.

Und hiernächst lasse man sich belehren, daß selbst ihre natürlichen Zeichen, unter gewissen Umständen, es völlig zu seyn aufhören können.

Ich meyne nehmlich so: unter diesen naturs lichen Zeichen find die vornehmsten, Linien, und aus diesen zusammengesette Figuren. Nun ist es aber nicht genug, daß diese Linten unter

sich eben das Verhältniß haben, welches sie in der Natur haben; eine jede derselben muß auch die nehmliche und nicht bloß verjüngte Dimens sion haben, die sie in der Natur hat, oder in demjenigen Gesichtspunkte haben würde, aus welchem das Gemälde betrachtet werden soll.

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Derjenige Maler also, welcher sich voll: kommner natürlicher Zeichen bedienen will, muß in Lebensgröße oder wenigstens nicht merks lich unter Lebensgröße malen. Derjenige, wel cher zu weit unter diesem Maaße bleibt, Verfertiger kleiner Cabinetstücke, der Miniaturs maler, kann zwar im Grunde ebenderselbe große Künstler seyn; nur muß er nicht verlan gen, daß seine Werke eben die Wahrheit haben, eben die Wirkung thun sollen, welche jene Werke haben und thun..

Eine menschliche Figur von einer Spanne, von einem Zolle, ist zwar das Bild eines Mens schen; aber es ist doch schon gewissermaßen ein symbolisches Bild; ich bin mir der Zeichen das bey bewußter, als der bezeichneten Sache; ich muß die verjüngte Figur in meiner Einbildungsz DS

kraft erst wieder zu ihrer wahren Größe erhes ben, und diese Verrichtung meiner Seele, sie mag noch so geschwind, noch so leicht seyn, vers hindert doch immer, daß die Intuition des Bezeichneten nicht zugleich mit der Intuition des Zeichens erfolgen kann.

Man dürfte vielleicht einwenden: die Dis mensionen der sichtbaren Dinge, sofern sie ges sehen werden, sind wandelbar; sie hången von der Entfernung ab, und es giebt Entfer nungen, in welchen eine menschliche Figur nur eine Spanne, einen Zoll groß zu seyn scheinet; welchem nach man auch nur anzunehmen braucht, daß diese verjüngte Figur aus dieser Entfernung genommen sey, um die Zeichen für vollkommen natürlich gelten zu lassen.

Allein ich antworte: in der Entfernung, in welcher eine menschliche Figur nur von der Größe einer Spanne, oder eines Zolles zu seyn: scheinet, erscheinet sie auch undeutlicher: das ist: aber bey den verjüngten Figuren in dem Vorsi grunde kleiner Gemälde nicht, und die Deuts lichkeit ihrer Theile widerspricht der annehmli

chen Entfernung, und erinnert uns zu lebhaft, daß die Figuren verjüngt und nicht entfernt find.

Es ist hiernächst bekannt, wie viel die Grds ße der Dimensionen zu dem Erhabenen beys trågt, und dieses Erhabene verliert sich durch die Verjüngung in der Malerey gänzlich. Ihre größten Thürme, ihre schårfsten rauhesten Abs stürze, ihre noch so überhangende Felsen, wers den auch nicht einen Schatten von dem Schrek: ken und dem Schwindel erregen, den sie in der Natur erregen, und den sie auch in der Poesie in einem ziemlichen Grade erregen können.

Welch ein Gemålde beym Shakespear, wo Edgar den Gloster auf die äußerste Spike des Hügels führt, von welcher er sich herabstürzen will *)!

Come 'on, fir!

Here's the place; ftand ftill. How fearful And dizzy 'tis to caft one's eyes fo low!

*) King Lear Act. IV. Sc. 5.

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