solche Vergangenheit und unmittelbaren Gegenwart, bis zu Freiligraths klangvollen, herzenswarmen Poetengedichten, Paul Heyses feinsinnigen, stimmungstiefen literarischen Sonetten und Episteln. Die reiche Fülle dieser Producte legt es nahe, sie zu sammeln und durch eine Inventarisirung auch äufserlich als eine selbständige, charakteristische Gattung zur Geltung kommen zu lassen. Eine natürlich nach der Zeitfolge der Gegenstände geordnete Aneinanderreihung ist aber auch sonst nicht ohne Reiz und Gewinn: sie ergibt ein farbenreiches, bewegtes, vielseitig anregendes Bild der in dem langen und mühsamen Entwickelungsgange unserer Dichtung einander ablösenden, neben- und durcheinander laufenden Richtungen, in welchem die Persönlichkeiten ihrer Träger und die lebendigen Wirkungen von Dichter auf Dichter, der Kunstzusammenhang, die Verzweigung der Schulen oft in greifbarer Deutlichkeit zur Anschauung kommen. An Art, Form und Wert sind die hier vereinigten Stücke selbstverständlich so verschieden wie möglich: lehrhafte Umständlichkeit wechselt mit epigrammatischer Prägnanz, Enkomiastisches mit Polemischem, Weitschauendes und Abschliefsendes mit Halbwahrem oder Befangenem; nach tiefgeschöpften und tiefdringenden Worten eines Unsterblichen lässt wol ein Geringer seine matte Stimme vernehmen, auf prangende Blumen folgen welke Blätter. Ein literaturgeschichtliches Interesse möchte sich dennoch an jedes hier aufgenommene Stück knüpfen, und auch das poetisch oder kritisch dürftigste noch irgendwie instructiv sein, etwa einen Blick tun lassen in die Unsicherheit zeitgenössischen Urteils oder die Langsamkeit der Urteilsbildung überhaupt. Des Vorzüglichen, unbedingt Wertvollen ist keineswegs wenig in der Sammlung, es kann reichlich entschädigen für das, was unmittelbaren Genuss nicht gewährt. Kleinere Gruppen auf Literatur bezüglicher Gedichte finden sich mehrfach in Anthologien zusammengestellt, so in Echtermeyers Auswal deutscher Gedichte und in Wagners Germania. Aber auch in dem Plane, eine umfassende Collection dieser Art anzulegen, habe ich einen Vorgänger gehabt und zwar an Ferdinand Freiligrath, welcher in der zweiten Abteilung seines poetischen Sammelwerkes,,Dichtung und Dichter" (Dessau 1854) eine Geschichte unserer poetischen Literatur aus dem eigenem Munde der Dichter, wie er es nennt, bietet. Aus diesem Buche, mit dem ich mich in Folge der Erwähnung desselben in Freiligraths seinen ,,Gesammelten Dichtungen" vorausgeschickter Biographie bekannt machte, konnten etliche Stücke in die vorliegende Sammlung aufgenommen werden; von der Weiterführung der letzteren abzusehen konnte die Arbeit des Vorgängers mich nicht veranlassen. Den Herren Dr. B. Suphan, Gymnasialdirector Dr. L. Bellermann, und Dr. F. Jonas in Berlin, welche mich bei meinen Nachsuchungen freundschaftlich unterstützt haben, spreche ich auch an dieser Stelle meinen besten Dank dafür aus. Auch die Herren Prof. Dr. W. L. Holland in Tübingen, Prof. Dr. Kraatz in Stuttgart, Dr. Reicke in Königsberg, Dr. Hans Meyer in Berlin, der seitdem verstorbene Dr. A. Strodtmann, und meine Collegen die Herren Dr. Seebeck und Dr. Heller haben sich durch dankenswerte Gefälligkeiten Verdienste um meine Arbeit erworben. Herr Prof. Dr. W. Wilmanns in Bonn hat die Güte gehabt, die älteren Sachen durchzusehen, und bei dieser Gelegenheit an einigen Stellen Textschäden beseitigt, worüber die Anmerkungen das Nähere angeben. Was diese letzteren betrifft, so hoffe ich durch die Nachweise, Erläuterungen, Notizen, die sie bringen, die Brauchbarkeit des Buches erhöht zu haben. Möchte dieses denn den Freunden unserer Dichtung willkommen sein und auch beim Schul- und SelbstUnterricht in der deutschen Literaturgeschichte sich nützlich erweisen. An Lücken und anderen Unvollkommenheiten wird es ihm gewiss nicht fehlen, inzwischen ez ist gar unschemelich, ob in guotem muot ein man tuot, so er beste kan. Berlin, November 1879. J. Imelmann. Inhalt. Goethe: Nun geht es auf das Licht der Morgenländer . Rückert: Berühmt ist das Lied der Nibelungen Aventiuren-Dichtung . Gottfried von Strafsburg: Hartman der Ouwære Rudolf von Ems: Frou Âventiure, sît ir daz Hartmann: Ein ritter sô gelêret was Heinrich v. d. Türlein: Ob ich daz reine gesinde Kurtz: Das hohe Lied der Leidenschaft. Heinrich v. Freiberg: Wå nu rîcher Künste hort - 34 Konrad v. Würzburg: Swie kleine ich drumbe lônes habe Stoffe der Fahrenden . 36-37 36 37-38 Der Marner: Ich sunge ein bîspel oder ein spel . Otnit Goethe: Ein grofs Verdienst weifs dieser zu erwerben Minnesang. Pichler: Frühling musste doch sein: es zirpten am Hage die Walther v. d. Vogelweide: Owê daz wîsheit unde jugent lobe iuch gerne Uns ist unsers sanges meister an die vart Jähns: Unter den Linden Lucae: Im Lorenzgarten zu Würzburg Heinrich v. d. Türlein: Ouch muoz ich klagen den von Eist sungen ê Der v. Gliers: Lebte der von Guotenburc. Der Marner: Lebt von der Vogelweide ? Got welle sône welle, doch so singet der von Seven Robin: Reimâr, mich riuwet sêre 44 45 Boppe: O hôher unde starker al mehtiger Got Suchenwirt: Götleicher weishait fundament. Hugo v. Trimberg: Gîtikeit, luoder und unkiusche 46 Frauenlob: Grîf, herze, zuo und hilf den sinnen ein lop smiden A. Grün: In Mainz ist's öd und stille, die Strassen wüst und leer Thomasin Thomasin: Ich hân gehæret lange vrist Die Winsbekin Bodmer: Wir hören noch mit Lust die edle Mutter singen Freidank Brant: Far hin, Freydank, myn guter fründ Hugo v. Trimberg: Man vindet wahs unt honicseim |