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Unterrichts das Landesrecht. Die Art. 20-26 Pr.V.U. bedürfen aber, um geltendes Recht zu werden, immer noch der bis jetzt fehlenden 1 Spezialgesetzgebung, welche die in jenen Artikeln

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aufgestellten Prinzipien zu Grunde legen muss.

Bis dahin sind diese Artikel gemäss Art. 112 Pr. V.U. suspendiert, gelten also noch die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts 2.

§ 42.

4. Freiheit des religiösen Bekenntnisses.

Ein im höchsten Grade erfreuliches Bild bietet die Geschichte der Religionsfreiheit. Preussen darf auf das grosse Verdienst stolz sein, in der Durchführung der Toleranz den andern deutschen Staaten mit glänzendem Beispiel vorangegangen zu sein. Gestützt auf den Besitz des selbständigen, nicht zum Reiche gehörigen Herzogtums Preussen und daraufhin von den beschränkenden Religionsbestimmungen des westfälischen Friedens sich befreiend, hat Preussen als erster Staat die Grundsätze der Gewissens- und Religionsfreiheit zur Anwendung gebracht. Nachdem bereits beim Uebertritt Johann Sigismunds zum reformierten Bekenntnis das ius reformandi unausgeübt geblieben war, haben Preussens Herrscher später nicht nur nach der Erwerbung bedeutender katholischer Gebietsteile in denselben (im ehemaligen Ordensland Preussen 5, in den Ländern der Jülich-Kleveschen Erbschaft, in Schlesien und in polnischen Landesteilen) die katholische Kirche ganz unberührt bestehen lassen, sondern sogar das ist das hervorragende Verdienst Friedrichs des Grossen? in den Erblanden der Monarchie

1 Ausnahmen: Gesetz betreffend die Beaufsichtigung des Unterrichts- und Erziehungswesens vom 11. März 1872 (Ausführung zu Art. 23).

2 v. SCHULZE, Pr.St.R. II § 224 S. 338; SCHWARTZ S. 84. Ausführliche Darstellung des gegenwärtigen Rechtszustandes bei SCHWARTZ S. 86 f.

3 v. RÖNNE 12 § 97; JACOBSON, Das evangelische Kirchenrecht des preuss. Staates und seiner Provinzen, Halle 1864, I 3 f.; ZORN, Kirchenrecht S. 174 f., derselbe, Im neuen Reich S. 47, 278 f.; MEYER S. 732; v. SCHULZE, Pr.St.R. I 391/392; SCHWARTZ S. 74.

ZORN, Im neuen Reich S. 279; JACOBSON 1. c. I § 4. Der Uebertritt geschah am 25. Dezember 1613. Am 24. Februar 1614 verordnete der Kurfürst: „dass allenthalben gute Bescheidenheit und Moderation von denen Geistlichen auf den Cantzeln und sonsten, Ergerniss, Verwirrung der Gewissen und Benachtheiligung der Kirche zu verhüten, gebrauchet und geführet werden solle“.

5 ZORN 1. c. S. 282 f.
ZORN 1. c. S. 284 f.

6 ZORN 1. c. S. 280 f.

die Ausübung des katholischen Kultus unbedenklich gestattet. Anderseits betonten aber die preussischen Könige mit allem Nachdruck ihre Oberherrlichkeit über die Kirche und deren Unterwerfung unter die Souveränität des Staates. Nachdem das Religionsedikt vom 9. Juli 1788 unbedingte Religionsfreiheit verkündet hatte, fasste das Allgemeine Landrecht (II 11 § 1f.) die Grundsätze der Gewissens- und Glaubensfreiheit, gleichsam das Erbstück Friedrichs des Grossen, in einer „ausgezeichneten, die Zeit weit überragenden Kodifikation" 1 zusammen. Die Anhänger nicht nur der drei grossen, sondern aller christlichen Religionsgesellschaften waren bereits im Allgemeinen Landrecht in bürgerlicher Beziehung einander gleichgestellt. Feierliche Bestätigung fanden die Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts durch das Patent vom 30. März 1847 betreffend die Bildung neuer Religionsgesellschaften.

Die Preussische Verfassungsurkunde hatte auf diesem Gebiete wenig mehr zu tun, als die bestehenden Rechtssätze zusammenfassend zu formulieren. Ihre Garantien lauten: 1. Freiheit des religiösen Bekenntnisses, 2. Freiheit der gemeinsamen häuslichen . . . Religionsübung3, 3. Unabhängigkeit des Genusses der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte vom religiösen Bekenntnisse (Art. 12). Diese Sätze werden nach zwei Richtungen hin eingeschränkt: 1. den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen (12 Satz 3). 2. Die christliche Religion wird bei allen mit der Religionsübung zusammenhängenden Einrichtungen des Staates zu Grunde gelegt (14)1.

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Die constitution belge kennt diese beiden Beschränkungen nicht. Sie stellt an die Spitze den Satz: la liberté des cultes est garantie, fügt aber hinzu: . . . sauf la répression des délits commis à l'occasion de l'usage de ces libertés (art. 14). Diese Beschränkung ist der Preussischen Verfassungsurkunde in dieser Form zwar fremd, aber enthalten in dem viel weiter gehenden und nicht bloss repressiv, son

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V.U. Art. 12, 14; const. b. 14, 15; Frankf. Grundr. §§ 14-16, 18. Vgl. zum folgenden: ARNDT, SCHWARTZ, THONISSEN zu den entsprechenden Artikeln; v. RÖNNE I2 § 97; HUBERT S. 17 f.; SMEND S. 73 f.; Genaueres bei FÜRSTENAU, Grundrecht der Religionsfreiheit.

3 Dies Grundrecht gehört eigentlich schon zu der später zu behandelnden Gruppe derjenigen Grundrechte, welche sich auf den freien Zusammenschluss mehrerer Individuen beziehen (§§ 44 f.).

* Ueber die Bedeutung des Art. 14 vgl. SMEND S. 76/77.

Eine Definition derselben gibt THONISSEN No. 75.

dern sogar präventiv wirkenden Satz 3 des Art. 12. Ganz unbekannt ist dagegen der Preussischen Verfassungsurkunde der art. 15 der constitution belge, welcher sich auch unter den Frankfurter Grundrechten ($18) befand. Danach kann niemand gezwungen werden, irgendwie an kirchlichen Akten oder Zeremonien teilzunehmen oder die Feiertage zu halten. Vauthier nennt diesen Artikel den Ausdruck einer normalen Folge der Kultusfreiheit. Die Preussische Verfassungsurkunde hat ihn mit Recht nicht übernommen, er ist nicht nur überflüssig, sondern sogar irreführend und missverständlich.

In der „Kulturkampf "periode erfuhr die Religionsfreiheit ihre äusserste Ausgestaltung dadurch, dass der Staat sogar die Möglichkeit der Konfessionslosigkeit durch Gesetz vom 14. Mai 1873 einführte. Dieses Gesetz erkannte nämlich die Freiheit des Austrittes aus der Kirche mit bürgerlicher Wirkung an.

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Endlich wurde der Grundsatz der Religionsfreiheit und der Gleichberechtigung aller Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung" in glänzender Weise für das ganze Norddeutsche Bundes-, jetzt Reichsgebiet zur Durchführung gebracht durch das Bundesgesetz vom 3. Juli 1869, welches lautet: „Alle noch bestehenden, aus der Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses hergeleiteten Beschränkungen der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte werden aufgehoben. Insbesondere soll die Befähigung zur Teilnahme an der Gemeinde- und Landesvertretung und zur Bekleidung öffentlicher Aemter vom religiösen Bekenntnis unabhängig sein." Danach besteht im Deutschen Reiche vollständige Bekenntnisfreiheit. Der einzelne braucht keiner Religionsgesellschaft anzugehören, kann austreten und übertreten. Die einzige Schranke findet die Religionsfreiheit an den bürgerlichen Pflichten, denen sich natürlich niemand unter Berufung auf das Glaubensbekenntnis entziehen darf3.

§ 43.

5. Freiheit der Meinungsäusserung'.

Das Recht der freien Meinungsäusserung hängt eng zusammen mit dem früher behandelten Grundrecht der Freiheit der Wissen

Damit ist der Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche ausgesprochen. SMEND S. 74.

St.G.B.

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In Marquardsens Handbuch 1. c.

Strafrechtlich ist heute die freie Religionsübung geschützt durch §§ 166/67

V. RÖNNE 12 § 96; v. SCHULZE, Pr.St.R. I 385; ARNDT, SCHWARTZ, THONISSEN

schaft, dessen notwendige Ergänzung es darstellt: denn was nützt alle Freiheit des wissenschaftlichen Denkens, wenn man seine Gedanken nicht aussprechen darf1.

Dieses Grundrecht war schon vor der Verfassungsurkunde unbestritten, aber durch die Ausübung der Zensur erheblich eingeschränkt. Das Zensuredikt vom 18. Oktober 1819 gestattet zwar grundsätzlich die Meinungsäusserung, kennt aber eine ganze Menge von Beschränkungen. Vor allem werden der Presse die engsten Grenzen gezogen. Die Zensur, welche in Preussen bis 1848 bestand, war hauptsächlich durch das Edikt vom 11. Mai 1749 eingeführt, am 18. Dezember 1788 erneuert worden. Das am 18. Oktober 1819 in Preussen verkündete sog. Bundespressgesetz vom 20. September 1819 bestimmte, dass alle nicht über 20 Bogen starken Zeitungen und Schriften der Zensur unterliegen sollten. Wesentliche Erleichterungen traten erst nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. durch eine Reihe von Kabinetsordres und Verordnungen ein, bis endlich nach Aufhebung des Bundespressgesetzes auch in Preussen durch Gesetz über die Presse vom 17. März 1848 die Zensur aufgehoben wurde; nur um dem Missbrauch der so geschaffenen Pressfreiheit vorzubeugen, erliess man eine Anzahl einzelner beschränkender Bestimmungen.

Nach der Preussischen Verfassungsurkunde (V.U. 27, 1; const. b. 14; Frankf. Grundr. § 13, 1) hat „jeder Preusse . . . das,Recht', durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äussern" (27, 1). Statt dieser Aufzählung begründet art. 14 der constitution belge la liberté de manifester ses opinions en toute manière" und fügt ausdrücklich hinzu: „sauf la répression des délits commis à l'occasion de l'usage de cette (ces) liberté(s)". Die Preussische Verfassungsurkunde hat diesen Zusatz nicht, sondern einen besonderen Artikel ähnlichen Inhaltes (28). Die wichtige Folge ist, dass diese Einschränkung sich in Preussen auf den ganzen vorhergehenden Art. 27, also auch auf die Pressfreiheit bezieht, während umgekehrt in der constitution belge die Pressfreiheit in einem eigenen Artikel gewährleistet ist (18), ohne dass jedoch an dieser Stelle von einer répression des délits die Rede ist.

Die wichtigste Art der Freiheit der Meinungsäusserung ist

zu den entsprechenden Artikeln; LOENING, Das Petitionsrecht der Ausländer und die Zuständigkeit des Landtags nach preussischem Verfassungsrechte.

1 Auch als Ergänzung zur Religionsfreiheit kann man dieses Grundrecht betrachten.

die eben erwähnte Pressfreiheit', d. h. die Befugnis der freien Verbreitung von Geisteserzeugnissen durch den Druck (V.U. 27, 28; const. b. 18; Frankf. Grundr. 13). Die Preussische Verfassungsurkunde statuiert in Art. 27 das „Recht", durch . . . Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äussern, und verbietet die Einführung der Zensur sowie jeder andern Beschränkung es sei denn letzteres im Wege der Gesetzgebung. Die constitution belge stellt in art. 18, 1 den allgemeinen Satz auf: La presse est libre während die Preussische Verfassungsurkunde die Pressfreiheit nur „jedem Preussen" gewährt und verbietet dann noch ausdrücklich (wie die Preussische Verfassungsurkunde) die Einführung der Zensur; eine Beschränkung der Pressfreiheit, die in Preussen, wenn auch nur kraft Gesetzes, möglich ist, kennt die constitution belge dagegen nicht, ja sie geht noch viel weiter und bestimmt: il ne peut être exigé de cautionnement des écrivains, éditeurs ou imprimeurs. Lorsque l'auteur est connu et domicilié en Belgique, l'éditeur, l'imprimeur ou le distributeur ne peut être poursuivi. Die weittragende Bedeutung dieser der Preussischen Verfassungsurkunde absolut unbekannten Bestimmung würdigt THONISSEN No. 109 f.

Beschränkungen der Pressfreiheit sind der constitution belge gänzlich fremd, sowohl präventive wie repressive. Dagegen enthält die Preussische Verfassungsurkunde die Möglichkeit der Einführung von Beschränkungen also Präventivmassnahmen, allerdings

nur im Wege der Gesetzgebung (27, 2). Ferner kann Art. 27 im Falle von Krieg und Aufruhr . . . ausser Kraft gesetzt werden (111). Die Zulässigkeit von Repressivmassregeln erhellt aus Art. 28, der für das Heer noch modifiziert wird (39).

Zur Ergänzung und Zusammenfassung der Normen über die Pressfreiheit erging das preussische Pressgesetz vom 12. Mai 1851. Heute ist das Presswesen gemäss Art. 4, 16 Reichssache und seit dem 7. Mai 1874 („Gesetz über die Presse") von Reichs wegen geregelt3. Das Petitionsrecht obwohl ein selbständiges Grund

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V. RÖNNE I 2 143 f.; HUBERT S. 30 f.; LOENING S. 278 f.

2 THONISSEN No. 107.

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§ 1 des genannten Gesetzes lautet: „Die Freiheit der Presse unterliegt nur denjenigen Beschränkungen, welche durch das gegenwärtige Gesetz vorgeschrieben oder zugelassen sind.“ Der sog. fliegende Gerichtsstand der Presse ist durch Gesetz vom 13. Juni 1902 beseitigt worden.

4 Vgl. besonders LOENING, Petitionsrecht der Ausländer... S. 9 f., geschicht!. Entwicklung S. 12 f.

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