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Wasserschleben, der bedeutenste Forscher neuester Zeit auf de m Gebiete der abendländischen Bussordnungen, war in seinen >> Beiträgen zur Geschichte der vorgratianischen Kirchenrechtsquellen«< der Ansicht: >>Die lateinischen Uebersetzungen der in angelsächsischer Sprache geschriebenen Beichtbücher, seien Poenitentialia Romana genannt worden.« Von der Unhaltbarkeit dieser Hypothese durch Hildebrand überzeugt, formulirt er in seinem Werke über »die Bussordnungen der abendländischen Kirche« S. 75. seine Ansicht folgendermassen: >>Mit dem Poenitentiale Romanum will man kein einzelnes Beichtbuch bezeichnen, sondern eine bestimmte Qualität von Beichtbüchern; in dem Beiwort Romanum ist eine Beziehung auf den Mittelpunkt der Kirche enthalten. Man verstand darunter, wenn auch nicht officiell-römische, so doch in dem grössten Theile der römisch-abendländischen Kirche anerkannte und gebräuchliche Bussordnungen, namentlich die des Theodorus, Beda, Kummean u. A. Den Gegensatz bilden diejenigen Poenitentialien, welche ihrem Zwecke und Inhalte nach nur für einen einzelnen Theil der Kirche, für eine bestimmte Nationalkirche berechnet waren, und deren Individualität eine allgemeinere Verbreitung und Anwendbarkeit ausschloss.<<

Hildebrand 1) erklärt die Bezeichnung Poenitentiale Romanum aus dem Umstande, dass solche Poenitentialien, welche in der Praxis allenthalben Eingang gefunden, ohne dass man ihre Entstehung nachweisen konnte, analog den Ritualbüchern, von dem Mittelpunkte der Kirche abgeleitet wurden und zwar in Uebereinstimmung mit der im Mittelalter vorherrschenden Neigung, den Ursprung kirchlicher Rechtserzeugnisse, die sich allmälig gebildet hatten, auf den römischen Stuhl zurückzuführen, um ihre Geltung zu rechtfertigen. Das Prädicat Romanum würde demnach soviel als ächt kirchlich bedeuten und den Gegensatz zu dem Poenitentiale Romanum würden jene Beichtbücher bilden, welche den Namen eines bestimmten Verfassers tragen oder in ihrem Inhalte gegen die kirchlichen Lehren verstossen.

Ich werde im Folgenden die Nachweise versuchen, dass unter dem Poenitentiale Romanum allerdings eine Qualität von Beichtbüchern zu verstehen ist aber von solchen, welche ohne ein universelles Ansehen zu besitzen, in der römischen Particularkirche im Gebrauch waren; den Gegensatz bilden die Beichtbücher der übrigen Particularkirchen, namentlich die eines Theodor, Beda, Kummean

1) Untersuchungen über die germanischen Poenitentialbücher p. 76.

u. A. Hierzu wird es nöthig sein, die Autorität der Poenitentialien im Allgemeinen und die eines Poenitentiale Romanum im Besondern einer näheren Untersuchung zu unterwerfen.

II. Das Ansehen der Pönitentialbücher im Allgemeinen.

Die Verwaltung und Regelung der Bussdisciplin lag von jeher in den Händen der Bischöfe und war Gegenstand der Particularstatuten der einzelnen Diöcesen. Die allgemeinen Concilien und Decrete der Päpste enthalten zwar zahlreiche Bestimmungen, welche den dogmatischen Lehrbegriff über das Sacrament der Busse zur vollen Klarheit ausbildeten und die Bussdisciplin nach dieser Richtung hin vor gefährlichen Auswüchsen bewahrten, allein die Festsetzung der Art und der Dauer der Busse wurde stets den Bischöfen und deren Diocesan- und Provinzialsynoden überlassen. Der innere Grund hierfür ist in der Verschiedenartigkeit der Verhältnisse, der nationalen Eigenthümlichkeit und den herrschenden sittlichen Anschauungen der einzelnen dem Christenthume gewonnenen Völker zu suchen, welche auf die Schwere der sittlichen Vergehen und damit auf die zu leistenden Busswerke einen entscheidenden Einflusss ausübten. Solchen particulären Ortsverhältnissen konnte nicht durch allgemeine Gesetzesbestimmungen,

sondern nur durch die auf örtliche Grenzen beschränkten Diocesanerlasse Rechnung getragen werden. Auch mag das Verfahren der Apostel und apostolischen Väter hierin mustergiltig gewesen sein. Eine bestimmte allgemein geltende Zeitfrist und Art der Busse setzt weder der Apostel Paulus für die Blutschande fest, noch der hl. Johannes für den Raub, noch der hl. Irenäus für die Verführung des Weibes, noch gibt Tertullian eine solche in seiner ausführlichen Schrift de poenitentia an 1). Selbst jene Provinzial- und Diocesansynoden der ältern Zeit, welche die Regelung der Bussdisciplin zum Gegenstande ihrer Berathungen machten, legen die Fixirung der Busszeit ausdrücklich in die Hände der Bischöfe. So bestimmt das Ancyranum in seinem can. 22. de homicidio: >>Modus autem hujus poenitentiae, in episcoporum sit arbitrio, ut secundum observationem poenitentium possint et extendere tardantibus et minuere studiose festinantibus.<< Und in seinem can. 5. erklärt dasselbe Concil ganz allgemein : »ut Episcopi modo conversationis examinato potestatem habeant vel utendi clementia vel plus temporis adjiciendi.« Das Concil von Mileve can. 23. will eine Busszeit auferlegt wissen »sicut Episcopo

1) Binterim, 1. c. p. 2. fol. 273.

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Catholico visum fuerit 1).« Dieselbe Praxis war in der afrikanischen Kirche geltend; Cyprian liess sich durch die Beschlüsse der afrikanischen Bischöfe über die Busse der Abgefallenen, welche in dem oben erwähnten libellus verzeichnet waren, nicht abhalten in seinem 54. Briefe an Papst Cornelius zu erklären, dass er Angesichts der bevorstehenden Verfolgung eine grössere Milde eintreten lasse 2). Die Synode von Hippo wahrt in dem can. 30. die Rechte der Bischöfe mit den Worten »ut poenitentibus secundum differentiam peccatorum episcopi arbitrio poenitentiae tempora decernantur 3). « Zeugniss für die allgemeine Geltung dieser Grundsätze gibt uns das Concilium Nicänum, welches bei seinen Bestimmungen über die Busswerke der Büssenden ausdrücklich erwähnt in cap. 12. »quod licet Episcopo humanius aliquid de iis statuere.<<

Die Entstehung der eigentlichen Bussbücher in den folgenden Jahrhunderten hat an dieser Sachlage nichts geändert. Die Verfasser derselben tragen als solche einen privaten Charakter; das Ansehen und die Geltung ihrer Beichtbücher hing einzig und allein von der Recipirung derselben Seitens der Bischöfe und Synoden ab. Die canonischen Satzungen über die Busswerke, welche in diesen Poenitentialien aufgezählt wurden, sollten wohl als Richtschnur zur Verhinderung eines willkürlichen Laxismus dienen, aber keine Fessel sein, wodurch Bischöfe und Busspriester in Anwendung einer weisen Mässigung je nach der Verschiedenheit der Sachlage und Personen behindert werden sollten 4). So bestimmt zu einer Zeit, in welcher die Bussbücher allgemein Eingang gefunden hatten, das Concilium Remense »ut Episcopi et Presbyteri examinent qualiter confitentibus peccata dijudicant et tempus poenitentiae constituant. << Was zudem

1) Der Grund hierfür findet sich in der praefatio der antiqua collectio canonum apud Dacherium tom. XI. in folgenden Worten ausgedrückt: »mensuram temporis in agenda pocnitentia idcirco non satis attente praefigunt canones pro unoquoque crimine, sed magis in arbitrio antistitis relinquendum statuunt, quia apud Deum non valet mensura temporis quam doloris nec abstinentia tantum ciborum sed mortificatio potius vitiorum.«

2) Morinus, 1. VI. c. 14. §. 8.

3) Cod. Canon. eccles. tom. III. oper. S. Leonis edit. Ballerin pag. 97. 4) Die Beichtbücher schärfen wiederholt diese letztere Pflicht dem Busspriester ein. So Burchard mit den Worten des hl. Augustinus 1. 19. c. 29.: >>solerter admonemus doctum quemque sacerdotem Christi, ut non ex suo sensu sed secundum canonum statuta et traditiones Patrum universa disponat et conditionem utriusque sexus, aetatem, paupertatem, causam, statum, personam cujusque poenitentiam agentis, ipsum quoque cor Poenitentis inspiciat et secundum haec ut sibi visum fuerit ut sapiens Medicus singula quaeque dijudicet.<<

durch örtliche Gewohnheit mit Rücksicht auf specielle Verhältnisse eingeführt war, stand in gleicher Geltung mit dem, was die Canones bestimmten. So entschied das Concilium Collonense in seinem 38. Canon: >>Modus poenitentiae aut per antiquorum Canonum institutionem aut per ecclesiasticam consuetudinem imponi debet.<«<

Hiermit ist zur Genüge aus innern und äussern Gründen dargelegt, dass, wie die Handhabung der Bussdisciplin überhaupt Sache der Bischöfe war, so das Ansehen der Pönitentialbücher sich nothwendiger Weise auf die örtlichen Grenzen der Diöcesen und Provinzen, in welchen sie recipirt waren, beschränkte.

III. Das Ansehen eines Poenitentiale Romanum.

In Rom begegnen wir bereits vor der Novatianischen Zeit einer Bussdisciplin, welche mit Auferlegung einer öffentlichen Busse gehandhabt wurde. Die Abschaffung des Busspriesters in Constantinopel seit Nectarius (a. 390.) hatte für die Römische wie überhaupt für die occidentalische Kirche keineswegs die Folge, dass die öffentliche Busse vollständig ausser Uebung gekommen wäre. Sokrates und Sozomenus berichten, dass zu Rom ein besonders bestellter Poenitentiar von der Novatianischen Epoche bis auf ihre Zeit existirt habe. Nach dem Liber Pontificalis war es Papst Simplicius, welcher an den Hauptkirchen St. Peter, St. Paul und St. Laurentius einen officiellen Poenitentiarius bestellte 1); Binterim beruft sich für diese Thatsache auf einen Brief des Papstes Leo I. 2).

1) Hic constituit ad St. Petrum et ad St. Paulum et ad Laurentium hebdomadas, ut presbyteri remanerent propter baptismum et poenitentiam petentibus. Liber Pontifical. in Simplicio.

2) Binterim, 1. c. p. 191. Tom. I. oper. Leon. pag. 667. Ep. 12.

Siehe auch die Epist. Leon. ad Theodorum Episcopum: »Mediator Dei et hominum homo Christus Jesus hanc praepositis ecclesiae tradidit potestatem, ut et confitentibus actionem poenitentiae darent et eosdem salubri satisfactione purgatos ad communionem sacramentorum per januam reconciliationis admitterent. (Epist. 83. tom. I. ed. Ballerin. pag. 1174.)

Es ist übrigens diese Bestallung eines Poenitentiars an den drei Kirchen nicht als erste Einführung dieses Instituts aufzufassen; hierüber äussert sich Petra de sacra poenitentiaria Apostolica p. I. c. 3.: »De hujusmodi Poenitentiariis quoque mentio fit tempore Simplicii Papae qui sedet anno 497, cum presbyteros quosdam pro tali munere exercendo in Ecclesia Sanctorum Apostolorum Petri et Pauli et D. Levitae Laurentii constitueret, ut perpetuo ibi manerent, quod testatur Anastasius Bibliothecarius in ejus vita, non quod primo in Ecclesiis urbis ii constituti tunc fuerint, sed ut ea deputatione stabili jugiter et continuo in omnibus dictis ecclesiis residerent ut notat Baronius anno 483 vers. Obitus.

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War so die Bussdisciplin in Rom in Uebung, dann hat es jedenfalls daselbst auch ein Beichtbuch gegeben, welches für die Handhabung der canonischen Bussdisciplin in der spätern Zeit ein unabweisbares Bedürfniss war. Der Verfasser der Diatriba de poenitentiali Romano 1) stellt sich zwar die Aufgabe über den Beweis gegen das universelle Ansehen eines Poenitentiale Romanum hinaus, auch selbst die Existenz eines Poenitentiale usu Romanae Ecclesiae probatum weg zu demonstriren, allein eine Sichtung und Abwägung der von ihm angeführten Gründe lässt diesen letzteren Versuch als vollständig misslungen erkennen. Das allgemeine Erscheinen der Beichtbücher in den übrigen Particularkirchen lässt mit Recht auf die Existenz eines Poenitentiale auch in der Römischen Kirche zurückschliessen. Zudem spricht schon der Ausdruck liber Poenitentialis Romanus, welcher in den zahlreichsten Zeugnissen des Alterthums vorkommt, für ein Beichtbuch, welches zunächst in der Beziehung der praktischen Benutzung zur römischen Particularkirche gestanden hat. Diese Vermuthungen erhalten ihre positive vollgültige Bestätigung in den Verhandlungen der Bulgaren mit Papst Nicolaus I. Weder die Anfrage der Bulgaren um ein liber Poenitentialis noch die Art der Beantwortung, welche ihnen der Papst gibt, lässt sich erklären, wenn ein Poenitentiale in Rom gar nicht in praktischer Anwendung existirt hätte.

Hinsichtlich des Ansehens nun eines derartigen zn Rom benutzten Beichtbuches hat man, wie oben gezeigt, von jeher zur Annahme einer Universalität für die ganze Kirche hingeneigt. Allein die Gründe, welche wir für die locale Beschränkung der Pönitentialbücher im Allgemeinen aus dem innern Wesen der Bussdisciplin hergeleitet haben, sprechen auch gegen die allgemeine Geltung eines Römischen Poenitentials. Auch in Rom mussten nationale Sitte, eingewurzelte Gewohnheit, sittliche Gefahren und sonstige durch particulare Ortsverhältnisse bedingte Eigenthümlichkeiten auf die Milde oder Strenge der Bussdisciplin einen wesentlichen Einfluss ausüben und damit ein Beichtbuch nur für diese Particularkirche anwendbar erscheinen lassen. Zu diesen innern Gründen gesellen sich wesentliche äussere Anzeichen für den localen Charakter eines Poenitentiale Romanum.

Die Frage der Sündenvergebung veranlasste seit dem 2. Jahrhundert die Päpste in Rom zu wiederholten kirchlichen Entscheidungen auf dogmatischem Gebiete und zur entschiedenen Wahrung ihres universalen Ansehens. In dem Pastor des Hermas 2) finden

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