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Der Ljópahát tr.

Eine metrische Untersuchung

von

Andreas Heusler.

Berlin.
Mayer & Müller.

1889.

We

Der Ljóðaháttr.

I.

Die Klage, welcher Wilmanns in seiner jüngsten metrischen Untersuchung Ausdruck giebt: „Mir ist, . . . . als sollte ich aus Schatten die Eigenschaften der Körper bestimmen. Selbst ob man die Form richtig errät, hängt von glücklichen Umständen ab; eine kreisförmige Scheibe kann sich als Kreis darstellen, aber auch als Ellipse, selbst als einfache grade Linie ...." die Klage liegt aller metrischen Forschung nur allzu nahe, sobald sie es nicht mit Gesungenem oder Gesprochenem, sondern mit Geschriebenem zu tun hat. Am vieldeutigsten werden die Schatten, wo bloss Texte, Worte ohne musikalische Symbole, den Gegenstand der Betrachtung bilden. Wie sollen wir einer Folge von Worten, die uns schriftlich überliefert ist, ihren Rhythmus abfühlen?

Der Rhythmus der Prosa scheint weniger wichtig: neben den übrigen Eigenschaften der Sprache hat er selten Beachtung gefunden. Stärke und Dauer der Exspirationsstösse, die rhythmenbildenden Factoren in der Sprache, spielen zwar eine grosse Rolle in der Phonetik: doch fast nur innerhalb des einzelnen Wortes. Welchen Rhythmus das Wort im status absolutus hat, ist meist annähernd bestimmt, indem man die Dauer seiner Silben und die Verteilung der exspiratorischen Accente ermittelt hat. Allein sobald die Wörter aus diesem abstrahierten ,status absolutus' heraustreten und sich zu Sätzen und Perioden verbinden, spielt eine viel

grössere Abstufung der Silbenlängen und Silbenstärken herein. Mit der Unterscheidung von langen und kurzen Silben, von Hauptton, Nebenton und Unbetontheit ist der Satzrhythmus nicht erschöpft. Dazu gesellt sich als wesentliches Element die Pause, die ebenfalls in der geschriebenen Sprache höchst mangelhaften Ausdruck findet, denn wie wenig decken sich Wortende und selbst Satzende mit den Pausen! So ist es begreiflich, wenn die Sprachgeschichte, mit anderm vollauf beschäftigt, den Sprachrhythmus gewöhnlich bei Seite liess.

Dem Rhythmus der gebundenen Rede trat man anders gegenüber. War es doch Ziel einer eignen Disciplin, der Metrik, den Rhythmus, insofern er nicht jedem Gesprochenen anhaftet, sondern specifisches Eigentum des Verses ist, auszukunden. Auch befand man sich hier von vornherein in einer günstigern Lage: man durfte auf geordnete Rhythmen, auf eine beschränkte Anzahl immer wiederkehrender Formen rechnen. Welche Schritte tat die Metrik, um sich der längst verklungenen alten Rhythmen zu versichern?

Wir stossen hier auf eine seltsame Erscheinung. Wie in stillschweigendem Uebereinkommen verzichteten die meisten Erforscher germanischer Metra darauf, den Rhythmus der Verse kennen zu lernen, wie man den Rhythmus einer Melodie kennt. Sie untersuchten mehr oder minder genau, wie das Sprachmaterial beschaffen sein muss, das einen Vers bilden soll. Sie zählten die Silben, bestimmten, wieviele Silben betont oder unbetont, lang oder kurz sind, und in welcher Reihenfolge sie stehen. Sie schufen damit wertvolle und unentbehrliche Vorarbeiten für das Verständniss der alten Verse. Aber der Rhythmus dieser Verse nahm unter ihren Händen keine feste Gestalt an. Denn was den Rhythmus ausmacht: die proportionelle Lagerung der Zeitteile und Nachdrucksaccente, diese Seite wurde nur gelegentlich gestreift.

Man wird zugeben, dass die metrischen Regeln Lachmanns wenig über den Rhythmus der altdeutschen Verse aufklären, so achtsam viele Einzelheiten des sprachlichen Stoffes bemerkt und in Gesetze gebracht sind. Der Funda

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