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weitere verletzende Schweigen der Götter reizt seinen verhaltenen Grimm, wenn er sich auch noch immer mässigt. Er schilt die Asen hochmütig und verlangt kurz, dass man ihm entweder einen Sitz beim Gelage anweise oder ihn mit deutlichen Worten fortschicke. Wenn die Asen es auch vermeiden, die selbst dem Todfeinde gewährte Gastfreundschaft in der letzteren schroffen Form zu versagen, so schlägt doch Bragi, wohl als nächster Freund des Gastgebers, rundweg seine Bitte um einen Platz an der Tafel ab. Noch wahrt Loki die Formen des Anstandes, indem er, Bragi nicht beachtend, sich an 'Opinn wendet, ihn an die uralte Blutsbrüderschaft und an jene Zeiten mahnt, in welchen der Göttervater nur mit ihm gemeinschaftlich die Freuden des Gelages geniessen wollte. Diese Berufung ist nicht vergebens. Opinn befiehlt seinem Sohne Viparr, aufzustehen und Loki den Platz einzuräumen; nicht unabsichtlich gerade Viparr, dem Schweigsamen, von dem 'Opinn mit Recht stille Nachgiebigkeit voraussetzt.

Prosaischer Zwischensatz. Da stand Viparr auf und schenkte dem Loki ein. Ehe der aber trank, sprach er zu den Asen:

v. 11-15. Loki stattet den Asen und Asinnen seinen Dank für den ihm gewährten Sitz ab, indem er ihnen zutrinkt. In dem Nachsatze aber zeigt er, dass er Bragis verletzende Abweisung nicht vergessen hat; er betont deshalb ausdrücklich, dass diesem der Gruss nicht gilt. Hierauf benimmt sich Bragi unrühmlich genug. Er bietet Loki Busse, damit er die Götter mit seinen Schmähreden verschone, eine Selbstdemütigung, zu welcher sich ein nordischer Held freiwillig nie verstand. Auch kommt es Bragi nicht zu, für die Götter einzutreten, und da Loki seine sonst wohlbekannte Schmähsucht hier noch nicht an den Tag gelegt hat, so kann Bragi den Anlass zu seiner Bitte eben nur in dem offenkundigen boshaften Character Lokis gefunden haben. Daher handelt Bragi unvernünftig, wenn er den händelsüchtigen Asen teils durch Schroffheit reizt, teils durch unzeitige Nach

giebigkeit herausfordert. Loki weist denn auch höhnisch die ihm angebotene Busse, Ross und Waffen, zurück, da ein so unkriegerischer, feiger Mann daran wohl nicht Ueberfluss haben werde. Dieser schlimmste Vorwurf der Feigheit kann Bragi nicht kalt lassen. Jedoch seine Drohung: wenn er mit Loki draussen wäre, würde er ihm zum Lohn seiner Lüge den Kopf abschlagen, wird nach seinem vorhergehenden Rückzuge kaum Glauben an seine Tapferkeit erwecken. Loki scheint daher nicht Unrecht zu haben, wenn er dem,Bänkehüter (s. Erläut. zu v. 15) zuruft: der Tapfere besinne sich nicht im Zorn, sondern schlage zu.

v. 16-20. Bragi hat vielleicht eine bittere Antwort auf der Zunge, aber seine wohl unnötigerweise besorgte Gattin Ipunn legt sich schnell ins Mittel und beschwört ihn, sich nicht mit Loki in ein Gezänk einzulassen. Nichts wirkt auf den Streitenden verletzender, als wenn seinem Gegner zugerufen wird: Lass dich nicht mit dem da ein! In der Tat hat Lokis Grimm jetzt seinen Höhepunkt erreicht, und mit dem oft wiederholten characteristischen pegi pú leitet er die eigentliche senna ein. Während er Bragi doch nur Vorwurf mit Gegenvorwurf vergalt, hält er jetzt den einzelnen Göttern aus blosser Schmähsucht die schandbarsten Ereignisse ihrer Vergangenheit vor, so zunächst der Ipunn, dass sie den Mörder ihres Bruders umarmt habe. (V. 18 übergehe ich. S. Erläut.) Nun kommt Gefjon ihr zu Hülfe, indem sie Bragi und Loki nochmals auffordert, von dem Gezänke abzulassen, aber auch sie kann nicht umhin, Loki weiter zu reizen, indem sie ihn an die künftige Bestrafung und den Hass der Götter mahnt. Da muss denn auch sie sich von Loki die Anspielung auf einen Jüngling gefallen lassen, dem sie sich für ein Geschmeide ergeben habe.

v. 21-24. Loki wird nun immer rücksichtsloser. 'Opinn macht ihn auf die prophetische Gabe der Gefjon aufmerksam, wohl um darauf hinzuweisen, dass sie mit ihrer Weissagung (v. 19): es werde Loki einst schlecht ergehen, durchaus nicht Unrecht habe. Aber Loki ist sofort mit einem Vorwurfe,

welcher 'Opinn von den Dichtern öfters gemacht wurde (S. Erl. zu v. 21), bei der Hand: dem der Ungerechtigkeit, namentlich beim Zuteilen des Sieges. Ein Trumpf ist offenbar die Antwort des 'Opinn, Loki sei acht Monate als Weib, Kühe melkend, unter der Erde gewesen. Dieser dagegen: 'Opinn habe gleich Hexen für einen Mann schimpfliche Zaubereien getrieben.

v. 25-28. Wiederum macht Frigg einen Beschwichtigungsversuch: sie sollten doch mit diesen abgetanen Geschichten aufhören. Sogleich wendet sich Loki gegen sie, nennt sie mannstoll und klagt sie der Buhlerei mit Vili und Vé an. Frigg hingegen denkt mit Schmerz an den Verlust ihres Sohnes Baldr, der Lokis Schmähungen wohl nicht geduldet hätte. Ihr kann Loki nichts Schmerzenderes erwidern, als dass gerade er den Tod Baldrs mitverschuldet habe. Hier weicht Loki von seinem System, die Göttinnen nur der Buhlerei zu zeihen, zum ersten Male ab, zum zweiten Male bei Skapi (v. 50). An beiden Stellen verstärkt er den gewöhnlichen Vorwurf durch einen herben Zusatz, indem er sich rühmt, einen nahen Verwandten der betreffenden Göttin, mittelbar oder unmittelbar, getötet zu haben. Es sind dies also dramatische Steigerungen.

v. 29-32. In der eigentlichen senna, welche sich von v. 17 bis zum Auftreten des pórr erstreckt, gelangen ausser Loki sechs Götter (mit Bragi sieben) und sieben Göttinnen zum Wort: zuerst vier weibliche (Ipunn, Gefjon, Frigg, Freyja, nur durch 'Opinn unterbrochen), dann fünf männliche Gottheiten (Njorpr, Týr, Freyr, Byggvir, Heimdallr), dann wieder drei weibliche (Skapi, Sif, Beyla). Daraus schliesse ich, dass der Dichter sich das Gastmahl in der gewöhnlichen altnordischen Weise geordnet dachte: zwei parallele Sitzreihen für die Männer, und am Ende des Saales eine Frauenbank (pallr). Denn so erklärt es sich, dass gewöhnlich Nachbarn, bzw. Nachbarinnen für einander eintreten. Das gilt auch dann, wenn wir Byggvir und Beyla von den Sitzenden ausnehmen. Es ist also wahrscheinlich, dass die beiden

vornehmsten Erscheinungen der weiblichen Götterwelt nebeneinander sitzen: Freyja spricht zu Gunsten der Frigg, entrüstet weist sie Lokis ungehörige Prahlerei zurück. Wenn sie zugleich in warnendem Tone auf die Sehergabe der Frigg hindeutet, so will sie damit (ähnlich wie 'Opinn in Bezug auf Gefjon vv. 19, 21) sagen: Frigg weiss wohl, dass du einst bestraft werden wirst'. ,Schweig, Freyja', ruft ihr Loki zu, du hast schon mit allen anwesenden Asen und Alfen gebuhlt'. Gereizt erwidert Freyja: Du wirst doch noch am Ende deine frechen Reden büssen, die Asen und Asinnen hast du dir zu Feinden gemacht'. Dieser fortwährende Hinweis auf seine zukünftige Bestrafung steigert Lokis Groll, und der geringe Widerstand der Asen macht ihn immer kühner. Er erinnert Freyja an eine Liebesaffaire, die darin gipfelte, dass die Götter sie in den Armen ihres Bruders überraschten.

v. 33-36. In anderer Weise, als man es erwarten würde, tritt Njorpr, der Vater Freyjas, für seine Tochter ein: das kümmere Niemand, wen die Schönen zum Liebhaber erwählen. Gleichzeitig führt er den Vorwurf 'Opinns gegen. Loki (v. 23) weiter aus, indem er sich laut darüber wundert, dass man diesen weibischen Asen eingelassen, welcher doch Kinder geboren habe. Loki hat sofort zwei Gegenpfeile bereit einmal sei Njorpr als Geisel unter den Asen, also nur ein geduldeter Fremdling, ferner habe derselbe eine unrühmliche Begegnung mit Hymirs Töchtern gehabt. An diese letztere Geschichte will Njorpr wohl nicht gerne erinnert sein, denn er übergeht sie in seiner Erwiderung und entgegnet nur, ein Trost für seine langjährige Geiselschaft sei sein herrlicher Sohn Freyr. Den du mit deiner Schwester zeugtest', spottet Loki, ,und das ist nichts Schlechteres, als man von dir erwartete'.

v. 37-40. Der Angriff auf Freyr veranlasst den ehrlichen Týr, dessen beste Eigenschaften herzuzählen, namentlich diejenigen, durch welche der Gegensatz zu Loki scharf hervorgehoben wird (S. Erl. zu v. 37). Auch hier rächt sich

Loki mit zwei verschiedenen Entgegnungen zugleich: Týr könne keinen Streit entscheiden, und er habe dem Fenriswolfe die rechte Hand lassen müssen. Auch Týr findet es geraten, nur auf den Vorwurf einzugehen, welchen er mit gleicher Münze heimzahlen kann. Entbehre ich der Hand', meint er, so musst du deines gefangenen und gefesselten Sohnes (eben des Wolfes) entraten, beides ist schlimm, und der Wolf muss bis zum letzten Götterkampfe in Banden harren'. Dagegen weiss sich Loki zu rühmen, er hätte im Ehebruch mit Týrs Gattin einen Sohn gezeugt, und für diesen Schimpf dem Gatten keinen Pfennig Busse gezahlt, d. h. nicht einmal die geringste Strafe erlitten, welche damals überhaupt für derartige Vergehungen zulässig war.

v. 41-42. Freyr, der eben Gegenstand des Streites gewesen ist, ergreift nun selbst das Wort. An die erwähnte Fesselung des Wolfes anknüpfend spricht er die Drohung aus: demnächst komme an Loki die Reihe, gefesselt zu werden. Wie vorher geht Loki auch hier auf das Schicksal des Wolfes nicht ein, sondern springt zu einem anderen Gegenstande über: Freyr habe Gymirs Tochter (Gerpr) mit Gold erkauft und sein Schwert für sie hingegeben; womit werde er am Ende der Welt kämpfen?

v. 43-46. Der Diener Byggvir, welcher von der Macht seines Herrn gewiss eine hohe Meinung hat, tritt nun hervor. Er kann es nicht begreifen, weshalb Freyr nicht,die Schandkrähe zermalmt und ihr alle Glieder zerschlägt. Dieser Byggvir scheint Loki ein gar zu verächtlicher Gegner.,Was ist denn das für eine Kleinigkeit', ruft er aus, die da um Freyr herumwedelt? Komisch wirkt es nun, dass Byggvir es für nötig hält, auf diese verächtliche rhetorische Frage hin sich förmlich vorzustellen und sich selbst zu rühmen. ,Das glaube ich nicht', höhnt Loki, ,du verstehst nicht einmal ordentlich zu bedienen, beim Männerstreit verkriechst du dich im Stroh des Gemaches'.

v. 47-48. Wahrscheinlich wird der kluge Heimdallr durch Byggvir, die Personification des Gerstentranks, angeregt,

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