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hung der altkatholischen Kirche in ihrer ersten Gestalt ausarbeitete, war ich in der Lage, gegen eine Reihe von Aufstellungen der Tübinger Schule Widerspruch zu erheben; aber ich hatte noch nicht diejenige Stellung des Gegensatzes gegen dieselbe erreicht, welche den Widerspruch zu einem principiellen und durchgreifenden gemacht hätte. Desshalb entbehrt das Buch in seiner ersten Gestalt theilweise der nöthigen Consequenz, wodurch es mir selbst bald genug fremd geworden ist, in dem Maasse, als meine theologische Bildung sich zu ergänzen und zu vervollständigen strebte." Der,,principielle und durchgreifende Widerspruch" gegen die Tübinger Schule, zu welchem Ritschl jetzt durch die weitere Entwickelung seiner theologischen Bildung gelangt sein will, besteht aber, wie man gleich sieht, in nichts Anderem als in der Durchführung derselben gangbaren apologetischen Ansicht, welche Lechler mit so manchen Andern vertritt. Ritschl wehrt ja ebenso sehr die Behauptung eines wirklichen Zwiespalts zwischen den Uraposteln und Paulus ab, wie er die Aechtheit und Glaubwürdigkeit fast aller neutestamentlicher Schriften verficht. Unter den ächten Briefen des Paulus findet man nicht nur den Brief an die Ephesier, dessen Unächtheit schon de Wette längst erkannt hat, unbedenklich benutzt, sondern auch die Hirtenbriefe, deren Untersuchung noch immer (auch nach de Wette und Baur) zu keinem befriedigenden Abschluss gekommen sein soll (a. a. O. S. 342). „Um Missdeutungen zu begegnen," erklärt Ritschl (a. a. O. S. 48), dass er das Johannes-Evangelium für ächt halte, nicht nur, weil die Leugnung seiner Aechtheit viel grössere Schwierigkeiten darbiete, als deren Anerkennung, sondern auch, weil die Darstellung der Verkündigung Jesu nach den drei andern Evangelien ihre Ergänzung durch die Reden des Johannes fordere. Und da auch der Brief des Jakobus und der erste Brief des Petrus für ächt gehalten werden, so bleibt, wie

bei Lechler (a. a. O. S. 191 f.), nur noch der zweite Brief des Petrus als eine Schrift des Neuen Testaments übrig, deren Aechtheit preisgegeben wird. Auch ich habe die Unächtheit und späte Abfassung der Neutestamentlichen Schriften, wie sie von der Tübinger Schule behauptet wird, vielfach beschränkt und ermässigt, aber ohne mir desshalb den glänzenden Namen eines Vertheidigers des Christenthums beizulegen, oder in einen principiellen und durchgreifenden Widerspruch gegen die Tübinger Schule zu treten. Ich habe seit 1851 wiederholt die Ueberzeugung ausgesprochen, dass nicht bloss die vier Hauptbriefe des Apostels Paulus (mit Einschluss von Röm. C. 15. 16), sondern auch der erste Brief an die Thessalonicher nebst den Briefen an Philemon und an die Philipper für ächt gelten dürfen 1). Ebenso habe ich durch meine Untersuchungen über die synoptischen Evangelien, namentlich über das Markus - Evangelium, welche mich nicht umsonst in ernstliche Kämpfe mit dem würdigen Altmeister der Tübinger Schule verwickelten, eine bedeutend frühere Abfassung aller drei synoptischen Evangelien dargethan, und ich denke, die Mittelstellung, an welcher Hr. D. v. Baur noch neuerdings Anstoss genommen hat 2), mit guten Gründen auch ferner zu behaupten. Allein, wie ich in meiner Mittelstellung dem neuesten Versuche Volkmar's, die Tendenzkritik bei den Evangelien auf das Aeusserste zu steigern und die Ansichten Bruno

1) Vgl. meine Göttingische Polemik S. 44, Galaterbrief S. 16. 65. 186, zuletzt Urchristenthum S. 54.

2) In seiner Bestreitung der Uebergangsstellung, welche ich den johanneischen Briefen zwischen Offenbarung und Evangelium Johannis angewiesen habe, Theol. Jahrb. 1857, S. 315 f. Wenn sich Hr. D. v. Baur,,auch hier von der Unhaltbarkeit dieser Position" überzeugt hat, so glaube ich die Haltbarkeit derselben schon bei dem MarkusEvangelium mit Gründen, gegen welche mein verehrter Gegner nichts vorzubringen vermocht hat (s. meine Evangelien S. 123 f.), nachgewiesen zu haben, und fürchte mich vor derselben Nachweisung auch bei den johanneischen Briefen nicht.

Bauer's mit denen F. C. v. Baur's zu vereinigen, ernstlich entgegentreten musste 1), so kann ich andrerseits auch solche Darstellungen des Urchristenthums, wie die beiden vorliegenden, nicht ohne Widerspruch auftreten lassen, wenn ich nicht eben die Hauptergebnisse meiner Forschungen auf diesem Gebiete preisgeben will 2). Hr. D. Ritschl wundre sich also nicht, wenn mir sein Werk in der gegenwärtigen Gestalt so fremd geworden ist, dass ich es in der Hauptsache nur bekämpfen kann.

Betrachten wir zunächst die eigentlich grundlegende Zeit, das apostolische Zeitalter im engern Sinne, bis zur Zerstörung von Jerusalem. Die apostolische Zeit umfasst freilich im weitern Sinne das ganze erste Jahrhundert unsrer Zeitrechnung, in welchem der Apostel Johannes immer noch lebte. Allein das eigentliche Zeitalter der Apostel hört doch mit dem Jahre 70 auf, als die meisten Apostel, insbesondre Paulus, gestorben waren, und mit der Zerstörung Jerusalems eine neue Wendung der christlichen Entwickelung begann. Diesem Ereigniss schreibt nicht nur Lechler (a. a. O. S. 272. 435) mit Recht eine entscheidende Bedeutung zu, sondern auch Ritschl, welcher den dunkeln Zeitraum der ältesten Kirchengeschichte erst mit der Zerstörung Jerusalems beginnen und bis zur Zeit des Irenäus fortdauern lässt (a. a. O. S. 1 f.).

I. Das apostolische Zeitalter, bis zur Zerstörung Jerusalems.

An den neuern kritischen Forschungen erkennt Lech

1) In meiner Abhandlung über die Evangelienfrage, mit besonderer Rücksicht auf ihre neuesten Behandlungen von Volkmar, Weisse und Meyer," Theol. Jahrb. 1857, Heft 3. 4.

2) Wie ich sie zusammengefasst habe in der Schrift: Das Urchristenthum in den Hauptwendepuncten seines Entwickelungsganges, mit besonderer Rücksicht auf die neuesten Verhandlungen der Herren DD. Hase und v. Baur, Jena 1855.

ler, wie bemerkt, das ,,Streben nach befriedigender Einsicht in den real geschichtlichen, in den ächt menschlichen Entwickelungsgang des Urchristenthums" und das Verdienst an, hier den Blick in die Entwickelung überhaupt erst aufgeschlossen zu haben,,, welche als geschichtliches Werden sowohl Einheit als Unterschiede in sich begreift" (a. a. O. S. 2). Dagegen soll das grosse antichristliche Vergehen der neuern Kritik darin bestehen, dass sie den Unterschied, ohne welchen freilich alle Entwickelung ganz undenkbar ist, zu einem ähnlichen Kampf und Gegensatz gesteigert hat, wie er sich sonst überall bei geistigen Entwickelungen, z. B. im Zeitalter der Reformation, findet. In dem apostolischen Christenthum will man wohl mannigfaltige Unterschiede und keine starre Einerleiheit haben; aber die Entwickelung soll hier nicht, wie auf allen andern Gebieten der Geschichte, durch Kampf und Spaltung hindurch, sondern vielmehr ganz friedlich vor sich gehen. Das ist die Einheit im Unterschiede, welche Lechler bei den Neutestamentlichen Schriften so durchzuführen sucht, dass alle einander ausschliessenden Gegensätze so viel als möglich verschwinden, und auf diese Weise kann er nicht nur die Aechtheit aller dreizehn Briefe, welche den Namen des Paulus führen, nebst der wesentlichen Glaubwürdigkeit der Apostelgeschichte behaupten, sondern auch die Offenbarung zusammen mit den Briefen und dem Evangelium Johannis einem und demselben Apostel zuschreiben. Nur bei dem zweiten Briefe des Petrus giebt auch dieser apologetische Versuch die Aechtheit preis (a. a. O. S. 191), und nur bei dem Verhältniss des Jakobusbriefs zu der paulinischen Lehre kann die friedliche,,Einheit im Unterschiede" nicht ganz durchgeführt werden. Es bleibt dabei, dass Jakobus, wenn auch nur indirekt und in ziemlich untergeordneter Weise, die Rechtfertigungslehre des Paulus bestreitet (a. a. O. S. 170. 255 f.). Sonst weiss Hr. Lechler den

Riss, welchen die böse Kritik durch das apostolische Zeitalter gemacht hat, ziemlich wieder zusammenzufügen.

Freilich kann es auch Lechler der neuern Kritik nicht ganz abstreiten, dass sich das Christenthum der Urapostel und der Urgemeinde ursprünglich sehr eng an das Judenthum anschloss. Selbst aus der Apostelgeschichte gewinnt er die Vorstellung, dass die urapostolische Verkündigung das ächte Gold edeln christlichen Glaubens und Hoffens, gefasst in israelitische Seelengestalt, enthielt (a. a. O. S. 29). Und bei der Urgemeinde, an deren Spitze doch die Urapostel standen, hebt er es mit anerkennungswerther Aufrichtigkeit hervor, dass sie noch in steter Verbindung mit dem theokratischen Heiligthum der Nation, selbst noch mit der Synagoge und dem Sabbatsgottesdienste blieb. Dasjenige, was in der unchristlichen Andachtsübung gerade das Neutestamentliche und eigenthümlich Christliche ausmachte, zog sich in die vertraulichen häuslichen Kreise zurück (a. a. O. S. 289). Die ursprünglichen Christen beobachteten überhaupt Sabbat- und Festtage, Neumonde, mosaische Jahresfeste und Sabbatjahre (vgl. Gal. 4, 10) mit ihrem ganzen Volke noch fort (a. a. O. S. 294 f.). Die Christengemeinden der Gläubigen aus den Juden hatten Anfangs nicht einmal ein völlig selbstständiges Dasein, lehnten sich vielmehr immer noch an die jüdisch- theokratische Gemeinschaft an, in deren Schoosse sie lebten, ,,und waren ursprünglich in gesellschaftlicher Hinsicht weiter nichts, als ein innerhalb des Volks Gottes bestehender engerer Verein gleichgesinnter Israeliten, die in Jesu von Nazaret den Messias sahen und verehrten." Sie waren, fährt Lechler fort, gewissermassen nur eine Partei, eine Secte (ageois Apg. 24, 5. 28, 22) innerhalb der allgemeinen und gegen allerlei Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit duldsamen Gemeinschaft Israels, mit der sie in äusserm und innerm Lebenszusammenhang zu bleiben gedachten (a. a. O. S. 318). Insbesondre blieb

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