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causa pendet ex causa, welches sittliche Motiv liegt in der Ermahnung, dass man deswegen Alles muthvoll ertragen müsse, weil nicht, wie wir meinen, incidunt cuncta sed veniunt (vgl. Ep. 97, 1 decernuntur ista, non accidunt): olim constitutum est, quid gaudeas et fleas, et quamvis magna videatur varietate singulorum vita distingui, summa in unum venit: accipimus peritura perituri (de provid. 5, 7)? Welche Bedeutung hat dieser Glaube an eine allgemeine Vorherbestimmung, wenn man mit ihm nicht auch die Gewissheit verbinden darf, dass es ein sittlicher, auf den ewigen Gesetzen des an sich Guten und Wahren ruhender Wille ist, von welchem Alles ausgeht, und Alles, wie für den Einzelnen, so auch für das Ganze vorherbestimmt ist?

Fasst man das Verhältniss des Stoicismus zum Christenthum in seinem principiellsten Punkte auf, so kann man nur sagen: die Hauptdifferenz liegt darin, dass, während das Christenthum alle Gegensätze zwischen Gott und dem Menschen, zwischen Geist und Natur, zwischen dem Diesseits und dem Jenseits in der Idee des Einen Gottes als des Weltschöpfers ausgleicht und aufhebt, der Stoicismus über einen in seinem Princip unklaren Dualismus nicht hinwegkommen kann. Der höchste sittliche Grundsatz, das vivere secundum naturam schliesst schon darin den Dualismus in sich, dass für den Menschen das Naturgemässe nur das rein Vernünftige ist, in seinem strengen Gegensatz zu Allem, was für den Menschen nur in einer äussern sinnlichen Beziehung steht. Ist es somit die höchste sittliche Aufgabe, von allem Aeussern zu abstrahiren und sich in die abstracte Innerlichkeit des sittlichen Bewusstseins zurückzuziehen, so steigert sich diese Aufgabe dem Stoiker zu der Forderung, selbst das leibliche Leben als etwas so äusserlich Gleichgültiges zu betrachten, dass er desselben,

sobald er es nach Beschaffenheit der Umstände für vernünftig hält, sich entledigen kann. Wie hieraus der Widerspruch entsteht, dass der Stoiker auf der einen Seite zwar die sittliche Lebensaufgabe darin erkennt, die Idee des sittlich Guten unter den äusserlich gegebenen Bedingungen im sittlichen Handeln zu bethätigen, auf der andern aber die Möglichkeit dieser Bethätigung selbst wieder aufhebt, so zieht sich überhaupt derselbe dualistische Widerspruch durch das ganze System der stoischen Moral hindurch. Der Stoiker hält nur die Tugend für das an sich und ausschliesslich Gute, aber er weiss damit, wie wir an Seneca sehen (vgl. de beata vita c. 20) auch die Zulässigkeit und Werthschätzung des Reichthums zu vereinigen, der stoische Weise ist sich selbst genug, und doch ist ihm auch die Freundschaft ein so grosses Gut, dass er ohne sie nicht sein kann (vgl. Ep. 9), er verachtet Alle, die nicht Weise nach stoischen Grundsätzen sind, als Thoren, und doch muss er auch an ihnen dieselbe vernünftige Natur anerkennen. Auf diese Weise drängt der Dualismus des Systems immer weiter zu einer Einseitigkeit hin, die nur durch Inconsequenz auszugleichen ist. In dem Mangel eines festen, objectiven Princips hat auch diess seinen Grund, dass es im Stoicismus keinen absoluten Endpunkt der Entwickelung gibt, wie im Christenthum das ewige Reich Gottes ist. Wenn auch der Weise gleichsam die Incarnation der allgemeinen Vernunft ist, so wird doch die Vernunft nie so sehr das über alles Einzelne und Besondere übergreifende, allgemein herrschende Weltprincip, dass die Entwickelung des Weltlaufs auf absolute Weise in sich vollendet wäre. Eine Ewigkeit im christlichen Sinne gibt es hier nicht, es gibt nur Weltperioden, deren jede wieder ein neuer Anfang ist, weil der Weltlauf nie ein so festes Ziel erreicht, dass er nicht immer wieder in sich selbst zurückfällt. Nichts

ist daher für die heidnische Weltansicht in ihrem Unterschied von der christlichen so charakteristisch, wie die bei den alten Schriftstellern immer wiederkehrenden, jede teleologische Weltbetrachtung aufhebende Idee eines ewigen Kreislaufs der Dinge.

(Schluss folgt.)

Berichtigungen:

S. 165, Z. 18 v. o. 1. welcher statt welches.
S. 166, Text, Z. 6 v. u. 1. hat st. habe.
S. 169, Anm. Z. 4 v. u. l. vanités st. varités.
S. 170, Anm. 1, Z. 5 v. o. l. rien st. vien.

S. 177, Z. 5 v. u. 1. es st. er.

S. 178, Z. 4 v. u. 1. Catonem st. catonem.
S. 189, Z. 13 1. ira st. via.

S. 202, Z. 5 v. o. 1. Er st. Es.

S. 206, Z. 2 v. u. 1. bestechen st. bestehen.
S. 208, Z. 20 v. o. 1. placent st. placente.
S. 214, Z. 7 v. u. 1. emit st. eruit.

VIII.

Volkmar's chronologische Entdeckungen über die Apokalypse des Esra und das Buch Judith, die Briefe des römischen Clemens und des Barnabas,

geprüft von

A. Hilgenfeld.

Eine Anzeige von Volkmar's scharfsinnigem Buche über „Hippolytus und die römischen Zeitgenossen" (1855) im Literarischen Centralblatte (1855, Nr. 14), in welcher ich zwar sein Ergebniss über den Verfasser der Philosophumena bestreiten musste, aber sonst mit aufrichtiger Anerkennung von ihm redete, scheint diesen muthigen Forscher, welchem ich mich schon vor Abdruck dieser verhängnissvollen Anzeige offen als Verfasser kund gegeben hatte, sehr gegen mich in Harnisch gebracht zu haben, dass er nach wiederholten Anstrengungen, mich in jenem Blatte bloss zu stellen 1), die Billigkeit gegen meine Leistungen mehr

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1) Ebdas. 1856, Nr. 32, S. 516, wo mir sogleich eine „Insinuation" vorgeworfen ward, dann Nr. 50, S. 809, wo von,,in Schatten stellen" und ,,Entstellung der Sache" die Rede war. Hier habe ich ein unbedeutendes Versehen offen eingestanden, jedoch wegen der indess erschienenen, unbillig absprechenden Urtheile Volkmar's über meine Forschungen bereits schärfer erwiedert. Wenn ich nun aber von Volkmar (über die römische Kirche, ihren Ursprung und ersten Conflict, nach den letzten Verhandlungen über Hippolytus, Separatab

oder weniger vergessen hat. Ich weise hier nur auf seine Aeusserungen über mein Evangelienwerk (Religion Jesu S. 550. 552) hin, gegen welche ich mein Recht freilich schon mit guten Gründen verfochten habe1). Neuestens liegt aber von demselben kampfesmuthigen Gegner auch gegen mein letztes Werk über,, die jüdische Apokalyptik" ein zwar viel höflicherer, aber nicht minder feindseliger Aufsatz vor: ,,Ueber apokalyptische Geheimnisse, das vierte B. Esrä im Besondern"), welcher mit vollster Gewissheit die Grundansicht meines Werks umzustossen sucht, dass die Entwikkelung der jüdischen Apokalyptik die innere Vorgeschichte des Christenthums ist. Auch dieses, jedenfalls mühevolle Werk soll sich also, nur in erhöhtem Maasse, als,,wesentlich irrig oder ohne positives Resultat verlaufend," als Gipfel einer höchstens anregenden,,Hypothesen- oder Subjectivitätskritik" (S. 356) jenen beiden Vorgängern anschliessen, welche Hrn. Volkmar, bei allem Anregenden,,,keine sehr haltbaren Resultate" gehabt zu haben scheinen (S. 342). Und Volkmar fühlt sich vor Allen dazu berufen, auf den Trümmern meiner,,Hypothesen" das feste Gebäude „einer

druck aus der Monatsschrift des wissenschaftlichen Vereins zu_Zürich, 1857, S. 30) gar den Vorwurf „literarischer Unsauberkeit“ vernehme: so wird es mir um so leichter, mich wegen eines wissenschaftlichen Widerspruchs von Volkmar gar unter den Begriff der Renitenz (als der,,immer renitenter und immer sprudelnder gewordene" Referent) gestellt zu sehen! Einem solchen Manne stehen dann freilich auch Ausdrücke, wie: „Weichselzopf von Oberflächlichkeit und Getrostheit" u. dergl. zu Gebote!,

1) Jüd. Apokalyptik S. 213. 300. Abhandlung über die Evangelienfrage, Theol. Jahrb. 1857, Heft 3. 4. Man kann hier eine eingehende Beurtheilung der neuen, wie es mir scheint, gar zu luftigen Enthüllungen Volkmar's über die Entstehung der Evangelien finden.

2) Monatsschrift des wissenschaftl. Vereins zu Zürich, 1857, S. 333-392, auch besonders abgedruckt: Das vierte Buch Esra und apokalyptische Geheimnisse überhaupt. Zürich 1858.

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