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No. 8. III. Senat. Sizung v. 9. Februar 1852.

Nichtigkeitsbeschwerde.

Gericht I. Instanz: Kreis-Gericht in Culm.

Beweis des ruhigen Befißes im Poffefforien-Prozesse.

Der zur Begründung der Besizstörungsklage erforderliche ruhige ausschließliche Besiz des Klägers ist nicht vorhanden, wenn der Verklagte der stattgehabten Pfändung ungeachtet die Ausübung des beanspruchten Rechts fortgesezt hat.

A. L. R. I. 7. § 154.; 9. § 612.

Der Domänenpächter v. K. behauptete, daß er bis in die neueste Zeit die zur angepachteten Domäne gehörige Vorwerkshütung ausschließlich mit seinem Vich habe behüten lassen, in dem Besize dieses Rechts aber durch den Gutsbesitzer L. dadurch gestört worden, daß derselbe am 1. April und 6. Juni 1851 über die Hütung gefahren sei. Er stellte deshalb gegen L. die Befitstörungsklage an. Der Verklagte wendete ein, daß eine Besizstörung nicht vorliege, weil über die Hütung seit Menschengedenken ein Fahrweg führe, und er auf diesem Wege seit vielen Jahren und bis in die neueste Zeit gefahren sei.

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Nach stattgehabten Beweisverfahren verurtheilte der Richter erster Instanz den Verklagten dem Klageantrage gemäß, jedes Fahren 2. auf der Hütung bei 50 Rthlr. Strafe zu unterlassen. Der Richter nahm zwar für hinreichend festgestellt an, daß sowohl Verklagter als auch dessen Besizvorfahr zu verschiedenen Zeiten über die Hütung in der vom Kläger angegebenen Richtung gefahren seien; hielt diesen Beweis aber nicht für genügend, da Verklagter nicht auch den fehlerfreien Erwerb seines Besitzes dargethan habe, und überdies die Zeugen befundet hätten, daß Verklagter beim Befahren der Hütung durch die Leute des Klägers gepfändet worden, woraus hervorgehe, daß jener heimlich oder bittweise gefahren sei; Allgem. Landrecht I. 7. §§ 147. 161; Allg. Gerichtsordn. I. 31. §§ 14. 16-18.

Gegen dieses Urtheil erhob Verklagter die Nichtigkeitsbeschwerde. Er klagte den Richter einer Verlegung der bezeichneten Geseze durch deren unrichtige Anwendung an, und hob besonders hervor, daß zur Begründung der Besikstörungsklage nach § 154. L. 7. des Allgem. Landrechts der Nachweis des Klägers gehöre, daß er sich unmittelbar vor der behaupteten Störung im ruhigen Besize befunden, im Gegensaße zu dem beunruhigten oder zweifelhaften Besize, wenn nämlich auch der Gegner den Besih ausgeübt habe. Ein solcher ruhiger Besit des Klägers sei aber nicht, vielmehr sei durch die von dem Richter nicht beachteten Aussagen der Zeugen P. G. S. und B. dargethan, daß Verklagter auch nach der vor drei Jahren erfolgten Pfändung bis in die neueste Zeit den Fahrweg benußt, also den Besit fortgesezt habe; § 612. I. 9. des Allgem. Landrechts.

Das Ober Tribunal hat auch das erste Erkenntniß vernichtet und den Kläger aus folgenden

abgewiesen.

Gründen

Da der Richter sich auf das Gesammtergebniß sämmtlicher Zeugen Aussagen stüßt, so erscheint die Rüge aus § 5. No. 10. litt. a. der Verordnung vom 14. December 1833 begründet. Denn P. G. S. und B. bekunden, daß trok der angeblich vor drei Jahren erfolgten Pfändung der Verklagte nach wie vor über den streitigen Weg gefahren sei. Dieser Deposition_erwähnt der Richter nicht, und doch ist sie erheblich. Denn, wenn hiernach der Verklagte sich nicht hat abhalten lassen, bis in die neueste Zeit zu fahren, so war der Besiß, welchen der Kläger ausschließlich in Anspruch nimmt, keinenfalls ein ruhiger. Nur der jüngste ruhige Besit kann aber auf possessorischen Schuh Anspruch machen; § 154. I. 7. des Allgemeinen Landrechts und § 3. I. 31. der Allgem. Gerichtsordnung.

Demzufolge war das ergangene Urtheil zu vernichten, und in der Sache selbst die erhobene Possessorienklage abzuweisen.

No. 9. I. Senat. Sizung vom 9. Februar 1852.

Revision.

Gericht I. Instanz: Kreis-Gericht in Burg.

Gericht II. Instanz: Appellations - Gericht in Magdeburg. Begriff eines Ehrenrechts. Entsegung des Administrators einer Familienstiftung von seinem Amte.

*

a. Der Administrator einer Familienstiftung, welcher zugleich einen wesentlichen Theil der Stellung eines Vorstehers der Familie einnimmt, bekleidet ein Ehrenrecht. A. L. R. II. 4. §§ 12. ff. § 38.; Verordn. vom 14. Dezember 1833. § 1. (Gesez-Sammlung S. 302.)

b. Die Stellung des durch Wahl aus der Familie und durch die Familie zwar nicht auf Lebenszeit aber doch auf mehrere Jahre bestellten Administrators der Familienstiftung ist nicht lediglich die eines Bevollmächtigten, und kann ihm daher die Administration nicht von der Familie nach Belieben durch bloße Rücknahme des Mandats entzogen werden.

Die Entscheidung über die Entlassung oder Absehung desselben gebührt vielmehr den Gerichten. Kabinets-Ordre v. 3. Januar u. 23. Mai 1845. (Justiz-Ministerial

Blatt S. 31. u. 179.); A. L. R. II. 6. §§ 171. u. 172.

c. Der Senior der Familie ist berechtigt, als Vertreter derselben gegen den Administrator der Familienstiftung wegen grobèr Amtsvernachlässigung auf Amtsentschung zu klagen, insoweit die Stiftungsurkunde keine entgegen= stehende Bestimmung enthält.

A. L. R. II. 4. §§ 10. 12. 13. 38.

Drei Gebrüder v. W. hatten im Jahre 1828 eine Familienstiftung für die lehnsfähige Deszendenz ihres Vaters errichtet.

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Zum Administrator der Stiftung war auf den Grund der Stiftungsurkunde in einer General-Konferenz durch Wahl aus den Familienmitgliedern der Rittergutsbesizer Robert v. W., einer jener drei Brüder, bestellt worden. Ein anderer Bruder war inzwischen verstorben. Der Rittergutsbesitzer Karl v. W., der dritte jener Brüder und zugleich Senior der Familie, behauptete, daß der genannte Administrator bei der Verwaltung seines Amtes seine Pflichten gröblich vernachlässigt habe, und wurde er deshalb gegen ihn auf Amtsentsetzung klagbar. — Der Verklagte sette dem Kläger den Einwand der mangelnden Aktivlegitimation entgegen und bestritt eventuell auch die Richtigkeit des Klagefundaments.

Die Richter erster und zweiter Instanz verwarfen jenen Einwand und erkannten nach dem Klageantrage.

Das Ober-Tribunal hat die von dem Verklagten noch eingelegte Revision zwar für zulässig erachtet, in der Sache selbst jedoch das Appellations-Erkenntniß bestätigt und diese Entscheidung auf nachstehende

gestüßt.

Gründe

Die Revision ist nach § 1. der Verordnung vom 14. Dezember 1833 als das geeignete Rechtsmittel zu betrachten. Denn die von dem Verklagten bekleidete Stellung eines Administrators der v. W.'schen Familienstiftung begreift nach den Bestimmungen der Stiftungs-Urkunde §§ 50. 51. über die Wahl des Administrators aus den Familiengliedern und über seine Rechte, einen wesentlichen Theil der Stellung eines Vorstehers der Familie (Allg. Landrecht II. 4. §§ 12. ff. § 38.) in sich, und ist daher vorzugsweise als ein Ehrenrecht aufzufassen. Auch bei der hiernach eintretenden freien Beurtheilung der Sache mußte das vorige Erkenntniß, welches den Verklagten zur Niederlegung seiner Stelle für schuldig erachtet, bestätigt werden.

Archiv f. Rechtsf. Bd. VI.

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Was nämlich

1. die Legitimation des Klägers zur Sache betrifft, so ist die Befugniß des Klägers, als Vertreter der Familie den Anspruch gegen den Verklagten zu verfolgen, zuvörderst auf seine vom Verklagten nicht bestrittenen Eigenschaften als des zur Zeit, außer dem Verklagten, einzigen zur Vertretung der Familie berechtigten Familiengliedes und eines Seniors der Familie gestüht worden, und dies mit Recht.

Die vom Revidenten hiergegen angerufene, allerdings die nächste Entscheidungsnorm liefernde Stiftungsurkunde vom Jahre 1828 befugt im § 51. das von der Familie zur Administration des Stiftungs-Vermögens auf zehn Jahre erwählte Familienglied zur Vornahme der laufenden Geschäfte, namentlich auch zur selbstständigen Anstellung von Prozessen, welche nicht die Substanz des Stiftungs-Vermögens, sondern nur dessen Einkünfte und andere laufende Administrations - Gegenstände betreffen. Nach § 50. hat, wenn der Administrator innerhalb der zehn Jahre stirbt, der Senior einstweilen dessen Geschäfte bis zur anderweitigen Wahl zu besorgen. Nach § 54. vertreten die zur Rechnungsabnahme versammelten, in eigener Person anwesenden und dispositionsfähigen Familienglieder hinsichts aller Administrationshandlungen die sämmtlichen Stiftungsinteressenten, und der Administrator hat ihre Beschlüsse, falls sie nicht der Stiftungsurkunde widersprechen, zu befolgen. Nach § 56. foll der Administrator in Angelegenheiten, welche nicht fortlaufende gewöhnliche Administrationshandlungen, sondern die Substanz der Stiftung angehen, den Senior der Familie, oder wenn er dies selbst ist, den Subsenior zuziehen, so daß diese beiden Personen hiernach gegen jeden Dritten legitimirt sind, alle, die Substanz des Vermögens betreffenden Handlungen vorzunehmen, zu welchen der Administrator hinsichts der laufenden Revenüen bevollmächtigt ist.

Es mag nun dahin gestellt bleiben, ob der im Termine zur Rechnungsabnahme vom 1. September 1849 allein anwesende

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