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Wenn wir aber zu den Jahren gekommen sind, so verstehen wir die Empfindungen, ser es nun. Fröhlichkeit, oder Betrübniß, oder jede andre, gar geschickt anzubringen, wo sie hingehören; und da führen wir sie manchmahl recht schön, zu unsrer eigenen Befriedigung, aus. Ja, obwohl diese Dinge eigentlich nur eine gelegentliche Zuthat zu den Begebenheiten unsers gewöhnlichen Lebens sind, so finden wir doch so viel Lust daran, daß wir dies sogenannten Empfindungen gern von dem verwirr ten Wust und Geflecht des irdischen Wesens, worin fie verwickelt find, ablösen, und sie uns zum schö nen Angedenken besonders ausführen, und auf eigene Weise aufbewahren. Es scheinen uns diese Ge= fühle, die in unserm Herzen aufsteigen, manchmahl so herrlich und groß, daß wir sie wie Reli quien in kostbare Monstranzen einschließen, freudig davor niederknien, und im Taumel nicht wissen, DE wir unser eignes menschliches Herz, oder ob wir den Schöpfer, von dem alles Große und Herrliche her=" abkommt, verehren.

Zu dieser Aufbewahrung der Gefühle find nun verschiedene schöne Erfindungen gemacht worden, und so find alle schönen Künste entstanden. Die Musik aber halte ich für die munderbarste dieser Erfindungen, weil sie menschliche Gefühle auf eine übermenschliche Art schildert, weil sie uns alle Bewegungen unsers Gemüths unkörperlich, in goldne

Wolken luftiger Harmonien eingekleidet, über unferm Haupte zeigt, weil sie eine Sprache redet, die wir im ordentlichen Leben nicht kennen, die wir gelernt haben, wir wissen nicht wo? und wie? und die man allein für die Sprache der Engel halten möchte.

Sie ist die einzige Kunst, welche die mannig faltigsten und widersprechendsten Bewegungen unfers Gemüths auf dieselben schönen Harmonien zurückführt, die mit Freud' und Leid, mit Ver= zweiflung und Verehrung in gleichen harmonischen Tönen spielt. Daher ist sie es auch, die uns die ächte Heiterkeit der Seele einflößt, welche das schönste Kleinod ist, das der Mensch erlangen kann; jene Heiterkeit mein' ich, da alles in der Welt uns natürlich, wahr und gut erscheint, da wir im wildesten Gewühle der Menschen einen schönen Zusammenhang finden, da wir mit reinem Herzen alle Wesen uns verwandt und nahe fühlen, und, gleich den Kindern, die Welt wie durch die Dämmerung eines lieblichen Traumes erblicken.

Wenn ich in meiner Einfalt unter freyem Himmel vor Gott glückselig bin, indeß die goldnen Strahlen der Sonne das hohe blaue Zelt über mir ausspannen, und die grüne Erde rings um mich lacht, da ist's am rechten Ort, daß ich mich

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auf den Boden werfe, und in vollen Freuden dem

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Himmel lautjauchzend, für alle Herrlichkeit danke. Was aber thut alsdann der sogenannte Künstler unter den Menschen? Er hat mir zugesehen, geht, innerlich erwärmt, stillschweigend daheim, läßt sein sympathetisches Entzücken auf leblosem Saitenspiel weit herrlicher daherrauschen, und bewahrt es auf, in einer Sprache, die kein Mensch je geredet hat, deren Heimath_Niemand kennt, und die jeden bis in die innersten Nerven ergreift.

Wenn mir ein Bruder gestorben ist, und ich bey solcher Begebenheit des Lebens eine tiefe Traurigkeit gehörig anbringe, weinend im engen Winkel fige, und alle Sterne frage, wer je betrübter ge= wesen als ich, dann, indeß hinter meinem Rücken schon die spottende Zukunft steht, und über den schnell vergänglichen Schmerz des Menschen lacht, dann steht der Tonmeister vor mir, und wird von all' dem jammervollen Händeringen so Bewegt, daß er den schönen Schmerz daheim auf seinen Tönen nachgeberdet, und mit Lust und Liebe die menschliche Betrübniß verschönert und ausschmückt, und so ein Werk hervorbringt, das aller Welt zur tiefsten Rührung gereicht. - Ich aber, wenn ich längst das angstvolle Händeringen um meinen todten Bruder verlernt habe, und dann einmahl das Werk feiner Betrübniß höre, dann freu' ich mich kindlich über mein eigenes, so glor

reich verherrlichtes Herz, und nähre und bereichere mein Gemüth an der wunderbaren Schöpfung.

Wenn aber die Engel des Himmels auf dieses ganze liebliche Spielwerk herabsehen, das wir die Kunst nennen, so müssen sie wehmüthig lächeln über das Kindergeschlecht auf der Erde, und lächeln über die unschuldige Erzwungenheit in dieser Kunst der Töne, wodurch das sterbliche Wesen sich zu ihnen erheben will.

5.

Von den

verschiedenen Gattungen in jeder Kunst

und insbesondere von

verschiedenen Arten der Kirchenmusik

Es kommt mir allemahl seltsam vor, wenn Leute, welche die Kunst zu lieben vorgeben, in der Poesie, der Musik, oder in irgend einer andern Kunst, sich beständig nur an Werke von einer Gattung, einer Farbe halten, und ihr Auge von allen andern Ar= ten wegwenden. Hat gleich die Natur diejenigen, welche selbst Künstler sind, mehrentheils so eingerichtet, daß sie sich nur in einem Felde ihrer Kunst ganz wie zu Hause fühlen, und nur auf diesem ihs rem vaterländischen Boden Kraft und Muth genug haben, selber zu säen und zu pflanzen; so kann ich doch nicht begreifen, wie eine wahre Liebe der Kunst nicht alle ihre Gärten durchwandern, und an allen Quellen sich freuen sollte. Es wird ja doch Niemand mit halber Seele geboren! Aber freylich, wiewohl ich es kaum über das Herz bringen kann, die allgütigé Natur so zu schmähen, es scheinen viele der heutigen Menschen mit so

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