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Er ging ihr nach, er lüpft' an ihrem Schleier:
Sie lächelte und wies sich willig freier.

Nun sah man ihn des Bergs Gestein befragen,
Der Wolken Schichtung prüft' er sinnend nach,
Die Pflanze musst ihm ihr Geheimnis sagen,
Still lauscht' er, was des Tiers Gestaltung sprach;
Er lehrt' uns, wie des Auges süfs Behagen,
Der Farbe Reiz, aus Licht und Dunkel brach;
Und forschend, deutend, war's sein Hochvertrauen,
Natur in Gott, Gott in Natur zu schauen.

Und welche Kunst und welches reine Streben
Ward nicht von ihm erregt, erhöht, belebt?
Wer hat sich seinem Geist dahin gegeben
Und nicht gefühlt, wie der ihn läuternd hebt?
Wer sich vertieft in dieses reiche Leben
Und nicht mit ihm dem Würd'gen nachgestrebt?
So wird er einst noch ungeahnte Zeiten

Zu schönsten Zielen hoch und höher leiten.

Doch um uns her wir werden's trauernd inne

Im Waffenlärm, im Hader der Partei'n,

Im Statsgezänk, im Jagen nach Gewinne,

Im Durst nach Tagserfolg und eitlem Schein,
Wer steigt mit ihm noch auf des Daseins Zinne?
Wer spült den Geist in seiner Flut noch rein?
Ach, schon nicht viele mehr sind ihm geblieben
In ernstem Streben und in treuem Lieben.

Wo er geirrt, wir wissen's zu ermessen;
Von blindem Dienste macht' er selbst uns frei.
Doch würd' er je im deutschen Volk vergessen:
Ein Aufgang wär's erneuter Barbarei.

Fort, wüstes Bild! Wir Treuen freu'n uns dessen, Dass wir noch sein, dass er noch unser sei,

Und wollen heut und bis ans Ende preisen

Den hohen Mann, den Dichter, Forscher, Weisen.

Victor v. Straufs.

Der Riese von Marbach.

Seht ihr, wie freundlich sich die Stadt Im Neckarfluss beschauet?

Wie sie sich ihre Berge hat

Mit Reben wol bebauet?

Dort, wie die alte Chronik spricht,

Hat vor viel Jahren dumpf und dicht Ein Tannenwald gegrauet.

Gelegen hat ein Riese drin,
Ein furchtbar alter Heide,

Er bracht in seinem wilden Sinn
Das Schwert nicht in die Scheide;
Er zog auf Mord und Raub hinaus
Und baute hier sein finstres Haus
Dem ganzen Gau zu Leide.

Die Steine zu dem Riesenhaus,

Ganz schwarz und unbehauen,

Grub er sich mit den Händen aus,
Fing eilig an zu bauen,

Er warf sie auf die Erde nur,
Dass einer auf den andern fuhr,
Bis fertig war das Grauen.

Es sei der Riese, sagt das Buch,
Aus Asia gekommen,

Ein Heidengötz', ein alter Fluch,
Zum Schrecken aller Frommen:
Mars oder Bacchus sei das Wort,
Davon Marbach, der Schreckensort,
Den Namen angenommen.

Die Steine längst verschwunden sind, Der Wald ist ausgereutet!

Ein Märchen ward's für Kindeskind,

Das wenig mehr bedeutet;

Doch horchet wol auf meinen Sang,

Der nicht umsonst mit seinem Klang Es jetzt zurück euch läutet.

Denn ob des Schlosses Felsengrund
Versunken ist in Schweigen,

Wird man doch drauf zu dieser Stund’

Euch noch ein Hüttlein zeigen,

Und keine sechzig Jahr' es sind,

Dass drin geboren ward ein Kind,

Dem Wundergaben eigen.

Von gutem Vater war's ein Kind,
Von einem frommen Weibe;

Auf wuchs es und gedieh geschwind,
Kein Riese zwar vom Leibe,
Von Geist ein Riese wundersam,
Als ob der alte Heidenstamm

Ein junges Reis noch treibe.

Und als er grofs gewachsen war,

Da sang er wilden Mutes

Von Räubern und von Mohren gar
Viel Args und wenig Gutes;

Von Trug und Mord und Lügenspiel,
Und von den Griechengöttern viel,
Als wär' er ihres Blutes.

Auf einmal ward er stiller jetzt,
Begann ein ernstes Dichten,

Er las, in fremdes Land versetzt,
Tiefsinnige Geschichten;

Doch ward in des Gedankens Schofs

Er noch des Heidentums nicht los,
Laut pries er's in Gedichten.

Im Geiste drauf ins span'sche Land
Hat er den Weg gefunden,
Davon gesungen allerhand
In gar grofsmächt'gen Kunden;
Nur den geweihten Glaubensmut,
Des heifsen Landes fromme Glut
Hatt' er noch nicht empfunden.

Da jauchzt' ihm wol die Menge zu
Auf seinen irren Zügen,

Er aber hatte keine Ruh',
Es mocht' ihm nicht genügen,
Es safs der edle Riesengeist
In sich gekehret als verwaist,
Und seine Lieder schwiegen.

Da plötzlich sieh', erhebt er sich
Verklärt ganz und erneuet,
Der alte, stolze Wahn entwich,
Vom jungen Licht zerstreuet:
Es zieht vor uns sein Wallenstein
Ins Leben, in den Tod hinein,
Dass es das Herz erfreuet.

Es feiert die Friedländerin
Ein göttlich Liebessterben,
Maria wirft sich büfsend hin,
Den Himmel zu erwerben,
Und noch im ew'gen Glanze steht
Die Frankenjungfrau fromm erhöht
Bei allen Himmelserben.

Und ach, da kommt der freie Tell
Mit seinen Eidgenossen:

Ihm folgt der gute Sänger schnell,
Er hat den Zug beschlossen,
Er singt im Himmel fort und fort,
Er denkt an dich, du Heimatsort,
Aus dem die Riesen sprossen.

Gustav Schwab (1815).

Epilog zu Schillers Glocke.

Freude dieser Stadt bedeute,
Friede sei ihr erst Geläute!

Und so geschah's! Dem friedenreichen Klange

Bewegte sich das Land, und segenbar
Ein frisches Glück erschien; im Hochgesange
Begrüfsten wir das junge Fürstenpar;
Im Vollgewühl, in lebensregem Drange
Vermischte sich die tät'ge Völkerschar,
Und festlich ward an die geschmückten Stufen
Die Huldigung der Künste vorgerufen.

Da hör' ich schreckhaft mitternächt'ges Läuten,
Das dumpf und schwer die Trauertöne schwellt.
Ist's möglich? Soll es unsern Freund bedeuten,
An den sich jeder Wunsch geklammert hält ?
Den Lebenswürd'gen soll der Tod erbeuten?
Ach, wie verwirrt solch ein Verlust die Welt!
Ach, was zerstört ein solcher Riss den Seinen!
Nun weint die Welt, und sollten wir nicht weinen?

Denn er war unser! Wie bequem gesellig
Den hohen Mann der gute Tag gezeigt,
Wie bald sein Ernst anschliefsend, wolgefällig
Zur Wechselrede heiter sich geneigt,

Bald raschgewandt, geistreich und sicherstellig
Der Lebensplane tiefen Sinn erzeugt
Und fruchtbar sich in Rat und Tat ergossen:
Das haben wir erfahren und genossen.

Denn er war unser! Mag das stolze Wort
Den lauten Schmerz gewaltig übertönen!
Er mochte sich bei uns im sichern Port
Nach wildem Sturm zum Dauernden gewöhnen.
Indessen schritt sein Geist gewaltig fort
Ins Ewige des Wahren, Guten, Schönen,
Und hinter ihm in wesenlosem Scheine
Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine.

Nun schmückt er sich die schöne Gartenzinne,
Von wannen er der Sterne Wort vernahm,
Das dem gleich ew'gen, gleich lebend'gen Sinne
Geheimnisvoll und klar entgegenkam.

Dort, sich und uns zu köstlichem Gewinne,
Verwechselt er die Zeiten wundersam,
Begegnet so, im Würdigsten beschäftigt,

Der Dämmerung, der Nacht, die uns entkräftigt.

Ihm schwollen der Geschichte Flut auf Fluten,
Verspülend, was getadelt, was gelobt,
Der Erdbeherrscher wilde Heeresgluten,
Die in der Welt sich grimmig ausgetobt,

Im niedrig Schrecklichsten, im höchsten Guten
Nach ihrem Wesen deutlich durchgeprobt.
Nun sank der Mond, und zu erneuter Wonne
Vom klaren Berg herüber stieg die Sonne.

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