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Dr. Franz Sartori,

k. k. Regierungs-Secretär, Vorsteher des Central - Bücher - Revisions - Amtes, Curator
der ersten österr. Spar - Casse und damit vereinigten allgemeinen Versorgungsanstalt,
und mehrerer gelehrten Gesellschaften Mitgliede.

ERSTER THEIL.

Mit einem Anhange: das Vater unser in den Sprachen und Typen der verschiedenen
in der österreichischen Monarchie einheimischen Nationen darstellend.

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Wien.

Gedruckt und im Verlage bei Carl Gerold,

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BIBLIOTHECA

REGIA

MONACENSIS.

Fita sine litteris mors est, et hominis vivi sepultura.

SENECA.

Vorrede.

Seit dreifsig Jahren beschäftige ich mich un

unterbrochen mit der österreichischen Literatur; über zwei tausend Quellen der österreichischen Literärgeschichte habe ich gesammelt, aber mir ist weder ein inländisches, noch ein auswärtiges Werk bekannt geworden, das die Gesammt-Literatur des österreichischen Kaiserthums in allen ihren Zweigen und nach allen ihren Idiomen umfafst hätte. Immer nur waren es einzelne Theile derselben, die, wenn gleich oft höchst verdienstlich, doch immer vereinzelt ausgestellt wurden, wornach der Geschichtforscher weder ein getreues Bild der österreichischen Gesammt-Literatur erhalten, noch der Österreicher selbst die literärischen Reichthümer seines Vaterlandes gehörig würdigen oder mit einem Blicke übersehen konnte. Und dennoch ist die Gesammt - Übersicht der österreichischen Literatur so merkwürdig und gibt für die Darstellung der fortschreitenden Cultur der Nation im Allgemeinen ein so erfreuliches Bild, dass es jeden Falls eine lo- ckende Aufgabe ist, ein Werk dieser Art zu bearbeiten.

Die hier vorliegende Darstellung, vorerst nur als Versuch nach dem Mafse der zu Gebote stehenden Materialien anzusehen, erstreckt sich über vierzehn einheimische lebende Sprachen (ohne die Mundarten zu rechnen), in welchen die literärischen Erzeugnisse des österreichischen Ka ̈

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serthums ausgepräget werden. Welche Mannigfaltigkeit! Welche Eigenheiten! Welch verschiedener Bildungsgrad! Welche Schicksale der Sprache und Literatur! Und endlich welcher Einfluss auf den Orient und dessen allmälige Bildung durch die Cultur der armenischen sowohl, als der neugriechischen und hebräischen Literatur. Wird doch die armenische Zeitung des Klosters S. Lazzaro bei Venedig im Serail gelesen. Hat doch Neugriechenland die Ausbildung und Bereicherung seiner Kenntnisse grofsen Theils von Österreich aus erhalten! Waren doch die gröfsten Orientalisten des vergangenen und zum Theil auch des gegenwärtigen Jahrhunderts österreichische Diplomaten! Und ist doch die Sprache des lombardisch-venetianischen Königreichs auch jene der Seefahrer auf dem adriatischen, mittelländischen und zum grofsen Theil auch auf dem schwarzen Meere!

Wer das österreichische Kaiserthum nach seiner ganzen Ausdehnung, nach seiner Völkerverschiedenheit, nach der grofsen Zahl seiner wissenschaftlichen Anstalten, und nach den allgemeinen Bestrebungen seiner Bewohner, hinter den Fortschritten der Wissenschaften nicht zurückzubleiben, kennt, wird die Frage: ob Österreich wohl eine Literatur habe? gewifs für Scherz halten. Sie ist aber, wie einige Nachrichten über Österreich ausweisen, nichts weniger als Scherz, sondern sie ist das Ergebniss eines vorschnellen Urtheils, das bei dem Mangel an genauer Völkerkenntnifs oft mit, oft auch ohne Absicht die Cultur und Literatur der österreichischen Monarchie in schiefes Licht setzt. Diese Unkenntnifs aber ist es, welche das Weiterschreiten lähmt,

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welche der Achtung im Auslande schadet, welche das heimische Verdienst beeinträchtigt, welche die Geschichte der Cultur verkürzt, welche Einseitigkeiten und Mängel in die Ansicht von der Ausbildung der Völker einer Monarchie bringt, die zwar ohne eigentlichen merkantilischen Centralpunct ihrer literärischen Erzeugnisse (wie Teutschland nach der wohl eingerichteten Ordnung seines Buchhandels an Leipzig hat), aber dennoch voll Eifers, dieselben zu vervollkommnen, geräuschlos, aber allmälig, sicher und bedeutend ihrer wissenschaftlichen Höherstellung entgegenarbeitet. Diese Unkenntnifs soll nicht unbelehrt über ihre ungegründeten Angaben weiter verbreitet, sondern sie soll aufgeklärt und berichtigt werden; denn es handelt sich hierbei nicht blofs um eine literärische Behauptung, sondern es ist um die Ehre einer Volksmenge von 32 Millionen, um die Wahrheit eines Zeitraumes von mehreren Jahrhunderten zu thun, welche beide ans Licht gezogen und gegen unverdiente Vorwürfe vertheidigt werden müssen. Würde Österreich, wie Teutschland gröfstentheils blofs teutsche Einwohner zählen, so würde die Monarchie wahrscheinlich schon längst einen Stapelplatz ihres Buchhandels besitzen; aber der Teutsche kauft nicht die ungarischen, der Böhme nicht die italienischen, der Pole* nicht die teutschen, der Israelite nicht die neugriechischen, der Walache nicht die serbischen, der Slowake nicht die armenischen Bücher. Ein solcher Einigungspunct kann also hier durchaus nicht die erwünschlichen Früchte bringen. Die österreichische Literatur ist ihrer Natur und nationellen Verschiedenheit nach vorzüglich in die grössern Hauptstädte;

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