91 heuchelte Ausdruck stiller Bewunderung war, sprach Delfin von der auch das scheinbar Kleinste und Geringfügigste im Auge behaltenden Fürsorge Lorenzos, welche übereilten Maßregeln untergeordneter Stellen vorbeugte und die letzte Entscheidung stets sich selbst vorbehielt'. Er schätzte seine erprobte Mäßigung und überlegene Einsicht, deren Urteile als göttliche Offenbarungen galten, und erachtete die Behörden für glücklich, welche unter so zielsicherer Führung niemals an verkehrten Ratschlägen strauchelten. Und nach wie vor bedurfte er des Medici dringend, zumal da in Florenz selbst mit der Reform des Engelklosters noch lange nicht alles getan war. S. Benedikt vor den Mauern der Stadt befand sich infolge längerer Unterlassung der Visitation dem Untergange nahe. Die drei schuldigsten Mönche, von Delfin aus dem Kloster und aus dem Bereiche von Florenz im Umkreise von zwanzigtausend Schritten verwiesen, baten ihn wiederholt um die Erlaubnis zur Rückkehr und benützten seine Abwesenheit in Venedig, um sich an Peter, Lorenzos Ältesten, zu wenden und mit seiner Hilfe die Wiederzulassung in S. Benedikt zu erlangen. Doch wurden nun die letzten Dinge ärger als die ersten, weshalb der General im Einvernehmen mit dem Magnifico die Absetzung des ebenso unfähigen wie unwürdigen Priors und die Wahl eines neuen beschloß3. Bei dieser Gelegenheit erstrahlte, wie Delfin rühmend hervorhebt, Lorenzos Frömmigkeit im hellsten Lichte. Denn obschon erst Tags zuvor müde und abgeschlagen aus Pisa heimgekehrt, ließ er es sich gleichwohl nicht nehmen, der Neuwahl persönlich anzuwohnen; an der Seite des Generals besichtigte er hierauf das ganze Kloster, betrat jede Zelle und Arbeitsstätte, erging sich eine Zeitlang im Garten und schied mit dem huldvollen Versprechen, öfter wiederkommen und dem Hause seine Gunst zuwenden zu wollen. Delfin war hochbeglückt. Es könne kein Zweifel sein, meinte er, daß das Kloster, nunmehr reformiert und in seiner früheren Heiligkeit wiederhergestellt, durch Lorenzos Besuch und Gegenwart keinen geringen Zuwachs an Ansehen erfahren habe. Es gab freilich auch Leute, welche anderer Anschauung waren und sich namentlich daran stießen, daß der neue Prior viel zu jung sei. Das schlechte Gewissen, welches Delfin hierbei hatte, verriet sich in dem langen Schreiben, welches er zu seiner Rechtfertigung an Guido richtete, und in den sonderbaren Gründen, welche er ins Feld führte.,,Es ist noch BEWUNDERUNG FÜR LORENZO MAGNIFICO ein junger Mann, sagt man, der den Mönchen zum Vater gegeben ward. Er ist erst sechsundzwanzig Jahre alt.",,Gott sei Dank," alt.“ erwiderte der General,,,daß er nicht erst sechzehn oder zwanzig Jahre alt ist!" Nach den Ordenssatzungen ist er alt genug, nicht einmal einer päpstlichen Dispens bedarf er.,,Wer mir aus der vorgenommenen Wahl einen Strick drehen will, der vertraue doch wenigstens auf das Urteil und die Klugheit Lorenzo de' Medicis, eines so berühmten und vielerfahrenen Mannes, der die Wahl sicher nicht mit seiner Gegenwart beehrt hätte, wenn er den von uns Gewählten nicht bestens gekannt hätte. So aber nahm er an der Wahl nicht nur mit größter Liebenswürdigkeit teil, sondern billigte und lobte sie auch und verabschiedete sich von uns mit der zuversichtlichen Hoffnung, das Haus werde eben durch unseren jungen Prior in alter Heiligkeit wieder erblühen.“ Es war der Glanz- und Höhepunkt im Leben Lorenzos, als am 9. März 1489 sein zweitältester Sohn Johannes, damals noch nicht vierzehnjährig er war am 11. Dezember 1475 geboren - "" zum Kardinale erhoben wurde, mochte der Papst es vorerst immerhin noch in petto behalten. Ein heiß und lange gehegter, mit unbeirrbarer Zähigkeit verfolgter Wunsch hatte damit seine Erfüllung erreicht. Ein Tropfen Wermut verbitterte den schäumenden Freudenkelch freilich auch jetzt noch, die strenge Bestimmung des Papstes nämlich, die Ernennung dürfe während der nächsten drei Jahre unter Strafe des Kirchenbannes nicht veröffentlicht werden. Das hinderte keineswegs, daß die Nachricht mit Blitzesschnelle durch ganz Italien flog und natürlich auch in Florenz sofort bekannt wurde. Es regnete Glückwünsche, und Delfin blieb selbstverständlich nicht zurück. ,,Außerordentlich freut es mich," schrieb er dem Knaben”, „daß Du zu der Würde erhoben wurdest, die der höchsten am nächsten kommt. Denn so verlangten es Deine ausgezeichnete Begabung sowie die Verdienste Deiner Ahnen und Vorfahren und besonders Deines berühmten Vaters. Niemand kann daher zweifeln, wie Aaron vom Herrn berufen werdest Du künftig in der heiligen Kirche ein strahlendes Licht sein und eine unerschütterliche Säule. Und um mich noch deutlicher auszudrücken, so drängt sich meinem Gedächtnisse bei der Betrachtung, wie Du durch Gottes Erbarmung in so zartem Alter so hoch gestiegen bist, der biblische Ausspruch auf: Der kleine Quell schwoll an zum reißenden Strome und ergoß sich in mächtigen SCHMEICHLERISCHE GLÜCKWÜNSCHE 93 Wogen' (Esth. 11, 10). Wie an Würde, so nimm nun auch an Alter, Weisheit und Gnade zu bei Gott und den Menschen (Luk. 2, 52). Du wirst der Vater der Armen, der Trost der Betrübten, die Stütze der Elenden und Unterdrückten sein. Denn dazu wurdest Du zu so erhabener Würde erhoben, auf daß Du möglichst vielen zum Heile und zur Säule nicht nur Toskanas, sondern der gesamten sinkenden Kirche werdest; auf daß ferner Deine Quellen nach außen fließen und Deine Wasserbäche auf freie Plätze, ich meine aber die Wasser der Weisheit und des Heiles (Spr. 5, 16). So möge denn Dein Aufstieg gesegnet und glücklich sein! Und wie uns in Dir ein Kind gegeben ward, auf dessen Schultern die Herrschaft schwebt, so möge Dich Gott, der Kinder Hort, auf allen Deinen Wegen geleiten und mit der Fülle seiner Gnade beschenken, auf daß Du, wie zu erwarten steht, die Würde und Amtsgewalt des Kardinals mit Tugend und Gelehrsamkeit und mit dem leuchtenden Beispiele guter Werke schmückest und zum heiligen Tempel des Herrn gedeihest, zum Zelte Gottes im heiligen Geiste!" Der Glückwunsch, mit welchem Delfin das Kind im Purpur begrüßte, kennzeichnete ihn selbst vielmehr noch als dieses. Daß ein Knabe mit einer der höchsten Würden der Christenheit ausgestattet wurde, war doch selbst in jener an vieles gewöhnten Zeit etwas Befremdliches und rief manchem wackeren Manne die Schamröte ins Gesicht. Es war nicht jedem gegeben, bei einer solchen für die Kirche so traurigen Begebenheit überschwengliche Huldigungen darzubringen jedenfalls gab es in Florenz selbst Leute und Ordensmänner, die nicht weniger Anlaß hatten, sich dem Palaste der Medici mit Blumensträußen zu nahen, aber über den dazu erforderlichen Höflingssinn nicht verfügten. Delfin begnügte sich nun aber mit seiner Gratulation beim Sohne nicht, sondern brachte sie auch dem überglücklichen Vater dar.,,Daß Dein Sohn", so schrieb er an ihn, „,,mit der Kardinalswürde ausgezeichnet wurde, erfuhr ich soeben eine Nachricht, die mir angesichts meiner Liebe zu Dir und Deinem Sohne äußerst erfreulich war. Sehe ich doch, wie der Ruhm Deines Hauses nunmehr den denkbar höchsten Gipfel erklommen hat, da Dein Sohn, kaum daß er ins Jünglingsalter trat, von Gott eine so erhabene Würde erhielt. So wünsche ich Dir denn Glück, bester Lorenzo, und das um so mehr, als die dem Sohne zuteil gewordene erhabene Würde auf das Ansehen und den Namen des Vaters zurückfällt, der sich die Erhebung des Sohnes sicherem Vernehmen nach so außerordentlich angelegen sein ließ. Denn es steht geschrieben: Der Vater wird im Sohne verherrlicht' (Joh. 14, 13). Möge ihm der Herr ein langes Leben verleihen und die Fülle seiner Gnade einflößen, auf daß er die ihm verliehene Würde im Laufe der Jahre mit dem Schmucke des Wissens und der Gelehrsamkeit und, was viel höher steht, eines verdienstvollen Lebens erleuchte. Möge der fromme und religiös gesinnte Jüngling an allen Tugenden wachsen, der Hoffnung gemäß, die ich von ihm hege. Dann wird er die mächtigste Stütze der ganzen Kirche sein und sich als großes und ewig denkwürdiges Vorbild nicht nur der Erhaltung, sondern auch Ausbreitung unseres Glaubens bewähren." Aber nicht bloß schriftlich, sondern auch mündlich durch Guido ließ Delfin den Medici seine Wünsche übermitteln. Der Kardinal, ließ er ihnen sagen", möge ein Joseph an Enthaltsamkeit, ein Samson an Stärke, ein Samuel an Heiligkeit und ein Johannes an Gerechtigkeit sein, denn was solle aus dem Knaben erst werden, wenn er einst erwachsen sei, da Gottes Hand jetzt schon in seinen zarten Jahren so sichtbar mit ihm war! Die vorbildliche Ergebenheit, welche Delfin den Medici bezeigte, trug schon bald reiche Frucht. Kaum war die dreijährige Frist, welche dem unbeugsamen Willen des Papstes zufolge bis zur Verkündigung des jungen Kardinals verstrichen sein mußte, abgelaufen, so ward der vornehme Jüngling am Samstag, 10. März 1492, in der Badia zu Fiesole vom Prior Matthäus Bosso mit den Abzeichen seiner hohen Würde bekleidet und in festlichem Zuge nach Florenz geleitet, wo er am Sonntage, 11. März, dem Hochamte im Dome anwohnte Festlichkeiten, die Delfin auf Grund besonderer Einladung mitansehen durfte und in einem Briefe an den Vorsteher der heiligen Einsiedelei beschrieb12. Aber eine noch viel höhere Ehre war ihm zugedacht. Der Kardinal sollte nunmehr nach Rom ziehen und sich dem Hl. Vater und seinen Kollegen vorstellen, und auf dem Zuge dorthin und zurück sollte Delfin ihn geleiten13. Dieser wollte anfangs von einer neuen Romreise nichts wissen, aus Furcht, sie könnte ihm übel ausgelegt und mit streberischen Absichten auf das Kardinalat in Verbindung gebracht werden. Aber sein Sträuben half nichts, war sicher auch nicht allzu ernsthaft gemeint.,,Ich reise nicht DIE REISE NACH ROM 95 nach Rom," schrieb er an Freund Baro z z i1,,,man reißt mich dorthin. Ich muß der höchsten florentinischen Behörde gehorchen, dem Magnifico, dem Kardinale, seinem Sohne, dem ganzen Senate, in deren Namen ich gestern von einem der ersten Bürger zwar nicht durch einen ausdrücklichen Befehl gezwungen, aber doch aufs inständigste und liebenswürdigste gebeten wurde, den Kardinal auf seiner Romreise hin und her zu begleiten, wie dies auch die übrigen Prälaten seines Gebiets zu tun im Begriffe stünden15. Ich entschuldigte mich mit allzu vielen Ordensgeschäften. Doch entwaffnete er mich mit der Erwiderung: ich möge ihm aufbürden, was ich wolle, er werde statt meiner alles erledigen (!), wenn ich nur jetzt der Stadt, in der ich so lange schon lebte, einen so wichtigen Dienst nicht versagte. Solch dringender und freundlicher Einladung vermochte ich nicht länger zu widerstehen, und so gab ich nach." „Ich mußte mich", entschuldigte sich Delfin auch bei seinem römischen Prokurator Cuccini, ,,notwendig Männern fügen, die über mich zu befehlen hatten, um mir nicht den Vorwurf der Undankbarkeit und Selbstüberhebung zuzuziehen. Eben im Begriffe, zu Beginn der Fastenzeit in unsere Einsamkeit zurückzukehren, sehe ich mich ganz unverhofft zu einer Änderung meines Vorhabens genötigt." Am Montag, 12. März 1492, nachmittags, verließen sie Florenz, und Lorenzo1, von langer unheilbarer Krankheit entkräftet und von banger Todesahnung erschüttert, nahm bewegten Abschied von ihnen1". In der reichen Vallumbrosaner-Abtei Passignano, welche er als Commende besaß, verbrachte der Kardinal die erste Nacht, während der größte Teil seines Gefolges weiter zog, um in Poggibonzi Herberge zu nehmen. Über Siena, Viterbo und Bracciano, die trotzige Burg der Orsini, ging die Reise weiter; sie endete am 22. März in der ewigen Stadt bei strömendem Regen. Die nächsten Tage vergingen mit den Aufwartungen, welche der Medici dem Papste und sämtlichen Kardinälen zu machen hatte. Der Eindruck, welchen sie von ihm gewannen, war unverhofft günstig; ein unreifes Kind hatten sie zu sehen erwartet, und einen über sein Alter aufgeschossenen, in Wort und Haltung gesetzten jungen Mann lernten sie kennen, der sich in seiner neuen Würde mit einer Ungezwungenheit und Leichtigkeit bewegte, als hätte er schon viele Jahre in ihr hinter sich18. Unverweilt statteten ihm die Kardinäle ihre Gegenbesuche ab, und der letzte hatte die |