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daß zu erwarten stehe, es werde da, wo noch vor kurzem seit vielen Jahren größte Unwissenheit herrschte, Zucht und Sitte und eine Schule aller Tugenden erblühen. Aber die Freude des Generals am Prior des Engelklosters war von kurzer Dauer. Wie es nicht selten vorkommt, daß der Beichtvater im geistigen Banne seines Beichtkindes steht, so hielt Guido an sich, solange Lorenzo am Leben war, um seine Gunst nicht zu verscherzen; kaum hatte dieser jedoch die Augen geschlossen, so ließ er, des Schutzes der jungen Medici Peter und Johannes gewiß, seiner niedrigen herrschsüchtigen und habgierigen Natur ungehemmt die Zügel schießen31. Es hatte schon einen unangenehmen Eindruck auf Delfin machen müssen, wenn Guido, kaum mit dem Kleide des hl. Romuald angetan, auch schon eine Änderung im Sinne einer Verfeinerung des Schnittes forderte52, was der Obere selbstverständlich ablehnte. Ebenso mußte es diesen bei aller Verehrung für Humanismus und Wissenschaft peinlich berühren, wenn der Prior die humanistischen Vorträge in der Kirche abhalten ließ und gar ihren Chor, den heiligsten Ort des Klosters, in welchem ehedem strengste Klausur waltete, in ein Gymnasium verwandelte und zum Tummelplatze schwatzender Laien entweihte, was er ihm ernstlich verwies. Aufs tiefste empörte aber den General die unersättliche Gier, in welcher Guido die Hände nach dem Kloster S. Benedikt ausstreckte, welches er um so leichter an sich zu reißen hoffen durfte, als Delfin hier eben erst einen unerfahrenen sechsundzwanzigjährigen Mann zum Prior eingesetzt hatte. Die Mönche von S. Benedikt aber jammerten laut über seine unerträgliche Tyrannei. Sie könnten es nicht mehr aushalten, erklärten sie, wie sich diese scheußliche Bestie aufführte, und wollten lieber den Teufel als Guido zum Oberen haben. Wenn der General sie diesem Hunde überantworte, so zögen sie es vor, das Kloster zu verlassen und auszuwandern. Da die Klagen nicht verstummten, so sah sich der General den Protektor zu ersuchen veranlaßt57, den anmaßenden Prior nötigenfalls mit dem Kirchenbanne zu zähmen. Denn dieser benehme sich in einer Weise, daß man sich nur wundern müsse, wenn ihn der Erdboden nicht verschlinge. Niemals habe sich das Engelkloster in einem so verwahrlosten Zustande befunden wie eben jetzt, da es als reformiert gelte. Doch vermochte selbst Piccolomini nichts gegen ihn auszurichten, da sich die mediceischen Brüder Peter und Johannes, der Kardinal,

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GUIDOS SCHRECKENSHERRSCHAFT

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seiner aufs kräftigste annahmen. Nun halfen sich die Mönche auf eigene Faust, indem sie davonliefen und in Camaldoli Zuflucht suchten, wo sie Guidos tyrannisches Wesen schilderten und ihn als einen Mann vom Schlage der Schriftgelehrten und Pharisäer zeichneten, die anderen schwere Lasten aufbürdeten, selbst aber keinen Finger rührten. Delfin selbst beschuldigte ihn in mehreren Schreiben an den Kardinal, er habe einen Novizen, der ausgetreten, dann aber noch einige Tage in der Stadt geblieben war, ergreifen, einkerkern, sechzig Tage lang bei Wasser und Brot fasten, sodann im Kapitel blutig schlagen und endlich aus dem Kloster hinauswerfen lassen, und das gleiche, ja ein noch schlimmeres Los habe er dem Priester Jakob bereitet, den er Tag für Tag aus dem Kerker hervorschleppen und im Kapitel verprügeln ließ1.

Guidos Schreckensherrschaft währte jedoch nur so lange, wie Peter Medici, über welchen er alles vermochte, die schirmende Hand über ihn hielt. Mit der Vertreibung der Medici im November 1494 und dem Zusammenbruche ihres Hauses war auch Guidos Stern erloschen, und wie er bisher an der Macht und Herrlichkeit des mediceischen Namens teilgehabt hatte, so übertrug sich nun auch der solange mühsam verhaltene Haß des Volkes gegen Lorenzo und seine Söhne auch auf ihn, ihren Günstling, der ob seines üblen Wandels ohnehin schon berüchtigt war. Da er wohl wußte, daß der General bestürmt werde, ihn abzusetzen und zu vertreiben, so ging er von Haus zu Haus und flehte die angesehensten Bürger um ihren Beistand an; und da er allen Grund zu der Befürchtung hatte, das einigen Günstlingen der Medici widerfahrene furchtbare Los" könnte auch ihn ereilen, so flüchtete er sich unter den Mantel des mailändischen Gesandten, der sich seiner auch annahm85. Aber auch dies schien ihm nichts mehr zu helfen; eines Tages wurde er aus seinem Kloster hervorgeholt, an Händen und Füßen gefesselt und in den Kerker geworfen. Schon meinten manche, Delfin werde den Prior, um sich an ihm zu rächen, nunmehr kreuzigen lassen; viel besser waren aber andere unterrichtet, welche vermuteten, dem Prior werde nicht viel geschehen, da die reichen Geschenke, welche er den Bürgern aus dem Klosterbesitze zu machen pflegte, nunmehr reichliche Zinsen trügen. Bald kehrte Guido unversehrt ins Kloster zurück, und es hieß sogar, die ganze Verhaftung sei nur eine von ihm selbst schlau ausgeklügelte Mache gewesen, um die Volkswut auf solche Weise von sich abzulenken"".

Auch die Gunst Delfins gewann er bald wieder. Er ließ nicht ab, ihm mancherlei Geschenke zu senden, bis sich der General schließlich solche gelinde verbat". Im Herbste 1495 zitterte ganz Florenz vor einem Anschlage Peter Medicis auf die Stadt. War doch bekannt, daß er mit Hilfe des Papstes, der Venezianer und der Orsini gen Perugia vorrücke, um ins Florentinische einzubrechen. Aus Furcht, seine alten Anhänger könnten ihm hierbei in der Stadt selbst in die Hände arbeiten, wurden die Verdächtigsten in Schutzhaft genommen, unter ihnen auch Guido; er ward in der Badia untergebracht", doch nach wenigen Wochen wieder entlassen. Aber wenn er nun auch vor Nachstellungen von außen her nicht mehr zu bangen brauchte, so gärte es um so bedrohlicher im Kloster selbst. Seitdem mit dem mediceischen auch sein Glücksstern erblichen war", ließen sich seine Untergebenen, der Rücksicht auf die Medici ledig und aller Achtung vor seiner Person bar, seine harte Faust nicht mehr gefallen, sondern lehnten sich mit einer Heftigkeit gegen ihn auf, daß er einen großen Teil von ihnen, soweit sie nicht freiwillig gingen, aus dem Kloster verstieß". Nicht als wäre es den Widerspenstigen im Ordenskleide zu enge geworden. Was sie an Guido aussetzten, das war im Gegenteile sein gänzlicher Mangel an Ordensgeist, wie er in seinem anstößigen Konventualismus zum Ausdrucke kam. Begeisterte Jünger Savonarolas, dessen Predigten sie bei Tisch beständig vorlesen ließen, wollten sie von einem Klosterleben nichts wissen, welches vom Kloster nur mehr den Namen trug; ihr Ideal war die Observanz von S. Marco, sie kannten keinen heißeren Wunsch, als sie unter einem Oberen von Savonarolas Art zu verwirklichen, sie waren sogar bereit, diesem ihr Kloster abzutreten, und hatten auch schon eine notarielle Urkunde in diesem Sinne ausfertigen und dem Prior von S. Marco überbringen lassen; der sich auf ihren Antrag jedoch klugerweise nicht einließ". Observanz und Savonarola waren aber selbstverständlich einem Manne wie Guido ein Greuel, und da von beiden auch Delfin nicht viel wissen wollte, so lagen sie sich neuerdings wieder in den Armen, als hätten sie sich niemals entzweit. Guido versäumte keine Gelegenheit, sich beim General einzuschmeicheln; als 1495 die Weinernte mißraten war, stellte er ihm die vorzüglichen Kellerbestände des Engelklosters zur Verfügung, von welchen Delfin im Bedürfnisfalle Gebrauch machen zu wollen erklärte".

GUIDOS ABSETZUNG

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Und schon ballten sich neue Wetterwolken zusammen. Der mißlungene Angriff, welchen Peter Medici im April 1497 auf seine Vaterstadt unternommen hatte", gab Anlaß zu einer peinlichen Untersuchung gegen seine florentinischen Freunde und zu einem unglückseligen Hochverratsprozesse, welcher fünf angesehenen Bürgern das Leben kostete". Als erklärter Parteigänger der Medici ward auch Guido zur Freude seiner Untergebenen, die seiner auf gute Weise loszuwerden erwarteten, gefänglich eingezogen, doch bald wieder auf freien Fuß gesetzt, da sich ihm eine Teilnahme an der Verschwörung nicht nachweisen ließ. Doch blieb ihm die öffentliche Stimmung nach wie vor abgeneigt, im Kloster aber erreichte nunmehr die Erbitterung über ihn den höchsten Grad. Die Brüder legten sogar Hand an ihn an, fesselten ihn und warfen ihn in den Kerker; im Kloster wie in der Stadt ertönte nur die eine Stimme: Ans Kreuz mit ihm! Des ewigen Haders mit seinen von ihm schlecht behandelten Mönchen müde und seines Lebens in ihrer Mitte nicht sicher, erbot er sich, freiwillig abzudanken, wenn ihm der dritte Teil der etwa achthundert Gulden betragenden Klostereinkünfte als Pension zugesprochen werde". Da er ohnehin schon beschuldigt wurde, daß er die Klostergüter verschleudert habe, so ließen sich die Brüder, wenn auch widerwillig, auf seine Forderung ein. Um gründlichen Wandel zu schaffen und die schon so lange wieder und wieder in Angriff genommene Reform endlich ins Werk zu setzen, drang Delfin darauf, daß sein Lieblingsschüler Bernhardin Gadolo von S. Michael auf Murano durch Alexander VI. zum Prior des Engelklosters auf drei Jahre ernannt ward". Guido aber ergriff in der Angst, Rechenschaft über seine Amtsführung ablegen zu müssen, noch vor Ankunft seines Nachfolgers die Flucht, nicht ohne zuvor die wertvollsten Einrichtungsgegenstände auf die Seite geschafft und das Kloster mit beträchtlichen Schulden belastet zu haben00. Er begab sich nach Rom, wo er außerhalb des Ordens ein vergnügliches Leben führte, bis er im Jubiläumsjahre 1500 von der Pest hinweggerafft wurde1.

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Die schweren Stürme, die zwei Jahrzehnte lang über das Engelkloster hinweggebraust waren, legten sich nach Guidos Abgang noch lange nicht; so wenig wie die früheren, war Delfin die späteren zu beschwören imstande. Das Kloster scheine keine Ruhe mehr finden zu können und den erblichen Hang zum Aufruhr zu be

sitzen, schrieb er an den Kardinalprotektor"; schwerer als der Ätna laste die Sorge um seine Leitung auf ihm. Die Hoffnungen, die er auf Bernhardin Gadolo gesetzt hatte, konnten sich nicht erfüllen, weil dieser zum namenlosen Schmerze seines Meisters schon 1499, erst sechsunddreißig Jahre alt, starb. Sogar in Rom waren die Engel verrufen, weil sich die meisten an Weiber hängten, und wenn auch Delfin eine solche Beschuldigung als gemeine Verleumdung entrüstet zurückwies, so mußte er doch selbst anerkennen, daß es zu ihrem Ruhme nicht beitrug, wenn sich die Mönche im Klostergarten in Laiengesellschaft bis tief in die Nacht hinein den Freuden der Tafel ergaben. Immer wieder kam es zu häßlichen Streitigkeiten der Brüder unter einander und mit ihren Oberen und zu gehässigen Auflehnungen gegen dieses. Im Jahre 1504 brachen neue Unruhen im Kloster aus, welche der General auf einem Generalkapitel zu schlichten gedachte. Der Ordensprotektor So derini hatte jedoch alles Vertrauen auf ihn so sehr verloren, daß er zwei Weltpriester abordnete, um das Kapitel zu überwachen und dafür zu sorgen, daß alles in Ruhe und Ordnung verlaufe, worüber Delfin begreiflicherweise sehr aufgebracht war; aber selbst der zur Reform herbeigerufene würdige Abt Ignaz der Kongregation von Montecasino vermochte nichts auszurichten"". Die Zustände blieben nach wie vor trostlos; mit Messern gingen die Brüder schließlich auf ihren Oberen los 7. Gerade am Engelkloster bewahrheitete sich Delfins Wort glänzend, daß nichts so schwer sei, wie ein Kloster zu reformieren und Eintracht und Liebe in ihm herzustellen. Gerade am Engelkloster aber erlebte er das nur im kleinen, was er am Gesamtorden im großen erlebte — das völlige Scheitern seiner Reformarbeit. So begreifen sich die heftigen Ausbrüche der Mutlosigkeit und Verzagtheit, die uns in seinen Briefen immer wieder begegnen".

C. DELFIN UND DIE MEDICI.

Seit der gütlichen Beilegung des Streites um das Engelkloster währte das freundliche Einvernehmen zwischen Delfin und Lorenzo de' Medici bis zu dem freilich schon nahen Tode des letzteren ungetrübt fort. Mit einer Wärme, die der sichtlich unge

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