DIE FALSCHEN BRÜDER 81 kloster mit einem zisterziensischen zu vertauschen, denn die Zisterzienser hätten mehr zur Reform geeignete Leute als die Camaldulenser und seien auch eher in der Lage, die schwebenden Schulden zu bezahlen". Voll tiefster Entrüstung wies der General eine so schmähliche, den ganzen Orden beschimpfende Zumutung zurück. Bitter beklagte er sich über die falschen Brüder, über die Empörer gegen den Orden, über die Wölfe, in deren Mitte er leben müsse. Das ganze Leben war ihm zuwider, und er flehte zu Gott, es hinwegzunehmen". Florenz war ihm nicht mehr die Blumenstadt, da sie ihm keine Blumen, sondern nur Disteln und Dornen trage. Als ihn sein Landsmann, der Kardinal Zeno von St. Maria in Porticu, der sich eben in Prato aufhielt, zu Tische lud, brachen sie beide am folgenden Morgen in der Richtung nach Florenz auf, verweilten aber den ganzen Tag über im Camaldulenserinnenkloster Buldrone, nur um die Einkehr in die Stadt zu vermeiden; „,denn", bekannte Delfin", „,in ihr ist mir nie wohl“. „Wenn ich an mein unseliges Los denke," schrieb er an einen Freund",,,das mich aus der trauten Ruhe meines heimatlichen Klosters in die dornenvolle Amtsverwaltung des Generalats verschlug, so tritt mir so manches vor Augen, was mich Tag für Tag ärger quält. Vor allem komme ich mir hier in Camaldoli ganz unnütz vor". Was habe ich allein um des Engelklosters willen alles getan und gelitten! Weder Rast noch Ruhe gönnte ich mir, mitten im Winter machte ich mich auf den Weg, nicht das geringste unternahm ich ohne Wissen dessen, dessen Willen hier alles beherrscht, und doch stoße ich überall nur auf Widerstand und Hinterhalt. Was ich auch bisher zur Reform des Ordens versuchte, ich vermochte nichts auszurichten. Viel Mühe und kein Ertrag." Von einem Prälaten seines eigenen Ordens mußte er sich in Gegenwart fremder Leute sogar den Vorwurf ins Gesicht schleudern lassen, er sei der Ruin des Ordens und an allen Übeln schuld". Trotz allem gab er in Sachen der Engel nicht nach. Lieber sterben, erklärte er2. Wäre es doch eine ewige Schmach und Schande, ein solches Kloster fahren zu lassen, das vornehmste des ganzen Ordens, das rechte Auge unserer heiligen Einsiedelei, dessen Ruhm durch ganz Italien strahlt. Die Gefahr, es gleichwohl für immer zu verlieren, lag aber um so näher, je mächtiger der Einfluß des Magnifico auf Innozenz VIII. war, und sicher wäre es unwiederbringlich zur Beute der Gegner ge6 Schnitzer, Peter Delfin worden, wäre nicht ein Mann felsenfest auf seiten Delfins gestanden Franz Piccolomini, der sich gerade in diesem Falle als wirklicher Protektor bewährte. Lorenzo sandte nämlich Ende 1486 einen Unterhändler nach Rom, welcher dem Kardinale einen Ausgleich unter folgenden Bedingungen anbot28. 1. Das Engelkloster wird mit dem Zisterzienserorden vereinigt. 2. Seine Schulden werden vom Camaldulenserorden übernommen. 3. Leonhard Bruni, von Delfin zu Unrecht abgesetzt, wird mit der ersten sich erledigenden Ordenspfründe entschädigt. Lorenzo oder vielmehr sein Hintermann Guido hatte jedoch im Ernste selbst nicht erwartet, daß sich der Kardinal auf solche unannehmbare Vorschläge einlassen werde, die an dem unbeugsamen Widerstande Delfins von vornherein scheitern mußten. So leichten Kaufes gab jedoch Guido seinen Lieblingsgedanken nicht auf. Konnte er das Engelkloster nicht für seinen Orden erhalten, so wollte er es wenigstens für sich selbst retten, wenn auch um den Preis seines Übertrittes von der Regel des hl. Bernhard zu der des hl. Romuald, ein Wechsel, welcher einem Manne wie Guido nicht schwer fiel, der sich an die eine sowenig wie an die andere hielt. Der Unterhändler unterbreitete daher dem Kardinale anstatt der abgelehnten Bedingungen die folgenden neuen Vorschläge": 1. Ein Zisterzienser des Klosters Settimo übernimmt als Prior die Leitung des Engelklosters, nachdem er sein Ordenskleid mit dem des hl. Romuald vertauscht hat. 2. Er erhält die Vollmacht, auch andere Zisterzienser bzw. Mönche aus sonstigen Orden bis zur Zahl von zwanzig in den Camaldulenserorden bzw. ins Engelkloster aufzunehmen. 3. Als Prior auf Lebenszeit ist er unmittelbar dem Papste unterworfen und der Amtsgewalt des Ordensgenerals entrückt, welchem erst seine Nachfolger wieder unterstehen. 4. Der Camaldulenserorden bereinigt binnen zwei Jahren die Schulden des Engelklosters. 5. Leonhard Bruni erhält die erste frei werdende Ordenspfründe. Der Kardinal erklärte sich mit diesen Vorschlägen im ganzen und großen einverstanden, nur der Enthebung des Priors von der Amtsgewalt des Generals widersprach er. Er empfahl dem Generale, dieser Übereinkunft als dem kleineren Übel seine Zustimmung zu gewähren, was dieser in der Erwägung tat, daß auf diese Weise doch wenigstens das Kloster erhalten bleibe und sogar eine stattliche Anzahl von Brüdern gewonnen werde, an welchen der Orden so großen Mangel GUIDO, PRIOR DES ENGELKLOSTERS leide. Dem früheren Prior Leonhard Bruni übertrug er das Priorat von Massaccio31, in der Erwartung, er werde sein Amt fürderhin besser verwalten, da er ja doch ein rechtschaffener Ordensmann sei und sich nur vor seinen Verwandten mehr in acht nehmen sollte. Guido trat die von ihm so heiß erstrebte Würde eines Oberen des Engelklosters am 26. Dezember 1486 an, nachdem er zuvor in die Hände des Priors von S. Benedikt die Camaldulensergelübde abgelegt hatte. Daß von einer Klausur, die ja schon früher aufgehoben worden war, nun erst recht keine Rede mehr sein konnte, versteht sich von selbst. Der General verfehlte nicht33, seinem jüngsten Ordensgenossen alles Glück zum Eintritte zu wünschen. Als echter Humanist antwortete ihm Guido mit einem schmeichlerischen lateinischen Gedichte". Wäre Delfin ein Menschenkenner gewesen, so hätte er den seichten Streber längst durchschaut und zum wenigsten eingesehen, daß aus einem lauen Zisterzienser niemals ein eifriger Camaldulenser werden könne, zumal wenn dieser schon zum Prior ernannt war, ehe er dem Orden selbst angehörte. Zunächst freilich ging alles vortrefflich, Delfin und Guido schienen ein Herz und eine Seele. Delfin setzte zu seinem Stellvertreter während seiner Abwesenheit den Abt B asilius ein und wies ihn an, sich in allem an Guido zu halten. Er glaubte in Guido den kostbarsten Schatz gewonnen zu haben, da er hoffte, dieser werde seinen mächtigen Einfluß auf sein Beichtkind Lorenzo zum Besten des Ordens verwerten. Wirklich brachte er diesem gleichsam als Morgengabe die Abtei S. Michael von Arezzo zu3, welche Lorenzo noch kurz zuvor für sein Söhnchen Johannes beschlagnahmt hatte, nunmehr aber auf Fürsprache seines Beichtvaters wieder freigab. Delfin war selig, als er vom Magnifico zweimal im Engelkloster besucht und mit größter Auszeichnung behandelt wurde. Angesichts des außerordentlichen Ansehens Guidos beim Medici sprach er den Wunsch aus, sich fortan mit dem Prior, der sich im Eifer für das Haus Gottes verzehre, in die Sorge um den Orden zu teilen, wovon er sich die größten Vorteile, namentlich Herabsetzung der übermäßigen Steuern und Befreiung noch weiterer versklavter Klöster, versprach. Er war untröstlich, als Lorenzo seinen in Aussicht gestellten Besuch in Camaldoli, wo man alles zu seiner Bewirtung vorbereitet hatte, wieder absagte; hätten ihn doch die Einsiedler mit derselben 36 83 heißen Sehnsucht erwartet wie die Patriarchen in der Vorhölle den Messias". Bei all dem ging die Hauptsache, die Reform des Engelklosters, freilich nur langsam voran. Die Florentiner sahen darauf, daß es mit gelehrten und womöglich einheimischen Brüdern besetzt werde, solche aber standen dem Orden nicht zur Verfügung. ,,Möchte ich mich doch endlich im Herrn rühmen können," seufzte Delfin", „dieses Haus gründlich reformiert und der ursprünglichen Freiheit zurückgegeben zu sehen.“ Immerhin erfüllte es ihn mit größter Genugtuung, als er, von Guido zur Tafel geladen, die erbauliche Tischlesung, die entzückenden Gesänge in süßer toskanischer Sprache und die atemlose Stille gewahrte, welche die ganze Zeit über herrschte; er glaubte sich auch überzeugt zu haben, der Prior gehe ganz in der Sorge um seine Untergebenen auf und sei Tag und Nacht nur auf Hebung des schwer belasteten Klosters bedacht. In den hellsten Tönen sang er dem Kardinalprotektor das Lob Guidos, von welchem er wiederholt reichlich bewirtet wurde. Ausführlich berichtete er seinem römischen Gönner über die Theateraufführung, welche Guido im Fasching 1491 in Gegenwart des jungen Kardinals Medici, der dem Hause ganz besonders zugetan war, wie einer großen Anzahl der angesehensten Männer geistlichen wie weltlichen Standes durch seine jungen Mönche veranstaltet hatte. Das Lustspiel, von einem erfahrenen Priester in lateinischer Sprache verfaßt", hatte das salomonische Urteil über das im Schlafe erdrückte Kind der Hure (3 Kön. 3, 16 ff.) zum Gegenstande und wurde von den jungen Leuten mit vollendeter Geschicklichkeit dargestellt. Dieses der Vorstellung im Briefe an den Kardinal gespendete Lob galt nun freilich, wie Delfin nachträglich bemerkte, nur der Aufführung als solcher, nicht aber dem Inhalte des Stückes. Denn, schrieb er an Guido", wenn er auch ganz im Einklange mit bewährten Männern heidnischen wie christlichen Glaubens der Meinung sei, man dürfe dem Leibe und Geiste zuweilen eine Erholung gönnen, so gehörten doch Komödien nicht in ein Kloster, sondern ins Theater, und nicht Mönche, sondern nur gemeine und niedrige Leute könnten ihre Darsteller sein, wie denn im alten Rom Schauspieler das Bürgerrecht einbüßten. Man dürfe sich auch nicht darauf berufen, es seien ja doch schon im Altertume Komödien gedichtet und die Dichter aller Ehren wert gehalten worden. Denn es sei doch ein großer THEATRALISCHE AUFFÜHRUNGEN Unterschied, ob man etwas nur lese oder theatralisch darstelle, auch in der Hl. Schrift stehe eine Menge unehrbarer Dinge, welche man wohl lesen, aber nicht aufführen dürfe. Unter keinen Umständen aber schicke es sich, daß junge Mönche, die ihr Ordenskleid niemals, nicht einmal beim Schlafe in der Nacht, ablegen sollten, in fremden Gewändern, geschweige in Frauen- und nun gar in Hurenrollen auftreten. Sogar Laien hätten sich darüber aufgehalten, mochten sie gleich in Gegenwart des Priors mit ihrem Lobe nicht geizen. Guido ließ sich dies gesagt sein und brachte das nächste Jahr wiederum in Gegenwart des Kardinals Medici, des Bischofs von Arezzo sowie anderer Prälaten und vornehmer geistlicher und weltlicher Herren - ein Lustspiel zur Aufführung, welches dem Ordensleben entlehnt war und daher keine Laienrollen enthielt. Auf anmutiger Höhe, das war der Inhalt des Stückes, lagen einander zwei Klöster gegenüber, das eine Camaldulenser-, das andere Zisterzienserordens, ersteres observantistischer, letzteres konventualistischer Richtung. Den Lockungen konventualistischer Lauheit erlegen, verließen nun die Camaldulenser ihren observantistischen Vater und liefen zum behäbigen, allen Genüssen huldigenden Zisterzienserabte über. Nach seinem Tode wurde einer der Überläufer sein Nachfolger und gab sich gleich seinen Mönchen ebenfalls allen Freuden der Welt hin. Da ward auch er von einem plötzlichen Tode hinweggerafft, worauf seine Genossen erschüttert zu ihrem alten Vater zurückkehrten. Die Seele des Verstorbenen aber ward durch die Fürsprache Mariens aus den Klauen des Teufels befreit und ins Leben zurückberufen, um mit dem Leibe wiedervereint Buße für die begangenen Sünden zu tun. Die Aufführung dieses ebenfalls lateinisch geschriebenen Stückes währte zwei Stunden und erntete allgemein bewundernden Beifall". Noch vor wenigen Jahren hatte sich Delfin nach dem Tage gesehnt, da er das Engelkloster nach so vielen schweren Stürmen endlich reformiert sehen dürfe. Nun hielt er ihn für angebrochen, und wie er sich ehedem im Vereine mit dem Protektor um das verfallene Haus abgemüht hatte, so glaubte er sich wieder im Bunde mit Piccolomini über seine Herstellung freuen zu dürfen". Diese aber, die immer noch bessere Früchte verspreche, sei das Verdienst Guidos, zu dessen Füßen die Brüder fast Tag für Tag säßen und zum großen Teile sichtliche Fortschritte machten, so 85 |