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seinen Mönchen wie in allen anderen Stücken, so in Sachen der Gelehrsamkeit als Muster voranleuchtende Abt Guarin jenen Gerbert von Aurillac unterwies, welcher später als Silvester II. den Stuhl Petri bestieg15. Eine verwirrende Masse neuer Eindrücke und Anregungen stürmte somit auf die Fremdlinge bei ihrer Ankunft in Cusan ein. Romuald hatte nunmehr Gelegenheit, sich nicht nur im Lesen weiter auszubilden, sondern auch schreiben zu lernen und sich die nötigsten theologischen Kenntnisse zu erwerben, auf Grund deren er die Priesterweihe empfangen konnte1. Indem er sich dem Rate des hl. Benedikt gemäß1 in die Schriften der alten Mönchsväter, besonders in die Bücher Johannes Cassians vertiefte, verstärkte sich in ihm die schon aus der Erfahrung gewonnene Überzeugung vom Vorrange des einsiedlerischen Lebens vor dem klösterlichen zur unerschütterlichen Gewißheit; die verehrungswürdigen Männer, von welchen jene Väter so Wunderbares berichteten, erschienen ihm als die leuchtenden Vorbilder, welche er niemals mehr aus den Augen verlor. Und wie mit den Schriften der Väter, so wurde er in S. Michael mit den kluniazensischen Reformidealen vertraut, welche Aufrichtung der entschwundenen Ordenszucht, Zurückgabe des entfremdeten Klostergutes, Freiheit von fremder Bevormundung, ganz besonders aber unnachsichtigen Kampf gegen Pfründeschacher und Priesterehe geboten18. Soviel aber Romuald dem Abte Guarin und seinem Kloster auch an Förderung und Belehrung mannigfachster Art zu verdanken hatte1, zum Eintritte in S. Michael ließ er sich nicht herbei. Er hatte in St. Apollinare das Ordensleben in so entarteter und verkommener Gestalt gesehen, daß er sehr wohl das lebhafteste Bedürfnis hätte empfinden können, es nunmehr in seiner so viel gerühmten kluniazensischen Ausprägung zu kosten. Er aber fand auch in S. Michael, wenn hier auch glücklicherweise die groben Auswüchse und Mißbräuche von Classe nicht noch nicht? - wucherten, doch nicht alles für Gold, was glänzte. Namentlich mußte er sich durch all den kluniazensischen Pomp und Reichtum mehr abgestoßen als angezogen und in jenem Heißhunger nach Armut, nach Entsagung, nach Weltflucht und Abtötung unbefriedigt fühlen, welcher den Einsiedler kennzeichnete. So nahmen denn zwar der Doge Orseolo, Gradenigo und Morosini das Ordenskleid aus der Hand des Abtes Guarin, Romuald aber setzte in einer nahe dem Kloster gelegenen

DIE EINSIEDELEI BEI S. MICHAEL

Zelle sein rauhes Einsiedlerleben fort, und das gleiche tat Marin, der sich nunmehr, vom Lehrer zum Schüler geworden, seiner Leitung willig überließ. Ja es währte nicht lange, so kamen auch Orseolo und Gradenigo zu ihm in die Einsiedelei und ordneten sich ihm demutsvoll unter, während Morosini nach Venedig heimkehrte, wo er das Kloster S. Georg auf der gleichnamigen Insel erbaute, dessen erster Abt er dann wurde20. Voll namenloser Verwunderung blickten die Gläubigen der Umgebung Cusans auf Romuald und Gradenigo, die mit dem Spaten das Erdreich lockerten und Weizen bauten, in härtestem Fasten von der Arbeit ihrer Hände lebend, mit einer Handvoll gekochter Erbsen zufrieden11; und gerade der Hintergrund des reichen Klosters mit seinen wohlgepflegten Bewohnern ließ die entsagungsvolle Armut der schlichten Büßer in ihren elenden Klausen im hellsten Lichte erstrahlen. So groß war Romualds Ansehen, daß eines Tages sogar der mächtige Graf Oliba, in dessen Herrschaftsbereich S. Michael lag, in seiner Zelle erschien und die Missetaten bekannte, welche sein Gewissen bedrückten. Unerschrocken erklärte der Einsiedler, für ihn gebe es, wenn er sein Heil nicht verscherzen wolle, keinen anderen Ausweg, als die Flucht aus der Welt. Der Graf erhob zwar lebhafte Einwendungen, noch niemals habe jemand eine so harte Zumutung an ihn gerichtet. Die Bischöfe und Äbte seines Gefolges stimmten aber dem Büßer mit der Entschuldigung bei, nur die Furcht habe sie bisher zurückgehalten, dem Grafen denselben Rat zu erteilen. So pilgerte dieser 988 samt dem Abte Guarin, Gradenigo und Marin der Doge Orseolo hatte das Zeitliche 987 bereits gesegnet nach Montecasino, wo er sein Leben als Mönch beschloß22; Gradenigo ließ sich in der Nähe als Einsiedler nieder, während Marin seine Klause weiter nach Süden verlegte, aber schon bald von den Sarazenen ermordet wurde2.

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Aber auch für Romuald hatte die Stunde des Abschieds von S. Michael geschlagen. Er hatte die Nachricht erhalten, sein Vater Sergius sei als Büßer ins Kloster S. Severo bei Ravenna eingetreten, nun aber wieder rückfällig geworden und gesonnen, zu den Fleischtöpfen Ägyptens zurückzukehren. Um dies zu verhindern, hatte sein Sohn in die Heimat zu eilen beschlossen. Kaum hatte jedoch das Volk der Umgegend von Cusan vernommen, der Gottesmann wolle sie verlassen, als sie dies um jeden Preis zu vereiteln trachteten und selbst vor dem Entschlusse, ihn nötigenfalls

zu töten, nicht zurückschreckten, nur um ihn zum Schutze ihres Landes, wenn nicht lebend, so tot in ihrer Mitte zu behalten; erst als er zur List griff, seinen Kopf kahl zu scheren und beim Nahen der Mörder gierig zu essen, ließen sie ihn schwer enttäuscht ziehen". So konnte Romuald nach zehnjährigem Aufenthalte in der Fremde den Heimweg antreten (988), welchen er barfuß zurücklegte. In Ravenna angelangt, trieb er seinem Vater die weltlichen Gelüste aufs gründlichste aus, indem er ihn in den Block preßte und in schwere Fesseln warf, kurz seinen Leib mit harten Schlägen solange in frommer Zucht hielt, bis er seine Seele auf den Weg des Heils zurückgeführt hatte. Kindisch geworden, wähnte der greise Sergius schließlich, den hl. Geist zu sehen, und lief im Kloster herum, ihn zu erhaschen; bald darauf entschlief er".

Romuald aber nahm nun sein abtötungsreiches Einsiedlerleben in fast leidenschaftlichem Ungestüm mit verdoppeltem Eifer wieder auf. Ohne Rücksicht auf seine Gesundheit, ohne Furcht vor elendem Tode schlug er seine gebrechliche Zelle in den verrufensten Gegenden auf, erst in den von fieberschwangeren Ausdünstungen erfüllten Sümpfen von Classe, dann in den ebenso unwirtlichen Niederungen der Pomündung zu Comachio, zuletzt auf der kleinen Poinsel Pereum unweit Ravenna. Wiederholt kam es vor, daß er von bösen Geistern und unheimlichen,,Äthiopiern“, in welchen wohl handfeste Klosterbrüder von St. Apollinare steckten, überfallen und jämmerlich verprügelt wurde. Aber je größer die äußere Not, desto reicher der innere Segen. Der hl. Bononus, welcher mit ihm zu Pereum weilte und seine Lebensweise teilte, glaubte sich in die selige Zeit der großen Einsiedler der ägyptischen Wüste versetzt.,,Mit welch außerordentlicher Häufigkeit", rief er bewundernd aus", „,oblag man den heiligen Übungen, wie unablässig den Nachtwachen, wie äußerst strenge dem Fasten, wie beharrlich der Handarbeit! Welch unermüdlicher Gebetseifer, welcher Triumph göttlicher Gnade in zerbrechlichen Gefäßen!“

Eines Tages, schon tauchte die Sonne in den Wogen des Meeres unter, legte ein Kahn an. Ein blasser Jüngling kam mit ihm, in herrlicher Rüstung, mit den feurigen Augen des Schwärmers. Es war Kaiser Otto III. Eiligen Schrittes trat er auf Romualds Zelle zu, in ehrfurchtsvoller Verbeugung küßte er ihm die knochigen Hände. Bald war er mit ihm in ein Gespräch verwickelt, welches ihn Nacht und Schlaf, Speise und Trank vergessen ließ und erst

OTTO III. IN PEREUM

am Morgen, als die Sonne dem Meere wieder entstieg, beendet ward. Dann nahm er den widerstrebenden Einsiedler mit sich nach Ravenna in seine Pfalz und nötigte ihm die Abtei von St. Apollinare auf, da ihm die Reform dieses Klosters sehr am Herzen lag28 (Frühjahr 998). Wohl war dieses schon 972, also unmittelbar vor Romualds Eintritt, durch den berühmten Majolus von Cluny reformiert worden". Aber diese Reform war offenbar eine recht äußerliche geblieben, jedenfalls war die kluniazensische Ordnung in St. Apollinare nicht eingeführt. Kaum hatte nun Romuald sein dornenvolles Amt übernommen, als er sich auch schon überzeugen mußte, daß die Verhältnisse noch immer dieselben waren wie zur Zeit seines Noviziats, daß noch immer dieselbe Ungebundenheit herrschte, noch immer dieselbe Unbotmäßigkeit und Verstocktheit. Zwar ließ der neue Abt nichts unversucht, um die alte Ordensregel wieder zu Ehren zu bringen, ohne Ansehen der Person, ohne Rücksicht auf vornehme Abstammung oder große Gelehrsamkeit rügend und strafend. Da er aber gewahrte, daß es statt besser nur immer schlechter gehe, so verließ er, an allem Erfolge verzweifelnd, das Kloster zum zweiten Male und diesmal für immer, und warf dem Kaiser und dem Erzbischofe von Ravenna an seiner Seite den Hirtenstab unwillig vor die Füße31. Dann aber eilte er,,einem Flüchtigen ähnlich" nach Montecasino zum Besuche seines getreuen Jüngers Johannes Gradenigo3. Er kam hier an, wie ein Engel vom Himmel ersehnt. Gradenigo hatte die Bekanntschaft eines jungen Mannes namens Benedikt aus Benevent gemacht, welcher sein Heil ebenfalls zuerst im Kloster gesucht, dieses dann aber, angewidert durch das ärgerliche Treiben der Mönche, bald wieder verlassen und mit der Einsiedelei vertauscht hatte. In seiner Unerfahrenheit bat er den älteren Genossen Gradenigo um Rat und Hilfe und erhielt von ihm die Auskunft, alle seine guten Lehren verdanke er seinem früheren Meister Romuald,,,dem ersten in gegenwärtiger Zeit, welcher das Einsiedlerleben nicht nach eigenem Gutdünken, sondern den Gesprächen der Einsiedlerväter gemäß in den schönen, erhabenen und durch Demut großen Dingen führte und uns im rechten Wege unterwies." Benedikt brannte vor Begierde, einen so bewährten Seelenführer auch selbst kennenzulernen, und kaum hatte er erfahren, der gefeierte Gottesmann sei bei Johannes Gradenigo eingetroffen, als er unverzüglich herbeieilte und nicht mehr von sei

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ner Seite wich. Nichts war in seinen Augen mehr recht und nichts mehr heilig, als was Romuald billigte; fügsam beugte er seinen Nacken unter das Joch seines „rauhen Zuchtherrn", welcher ihm ob seines keuschen Wandels und willigen Gehorsams alles Lob spendete und das rühmende Zeugnis ausstellte, er sei,,wie ein Stein im Fasten und Wachen 35". Im Herbste erkrankte Romuald auf den Tod, genas aber wieder unter Benedikts sorgsamer Pflege. Dann zog er mit seinem jungen Freunde nach Rom", wo soeben auch Otto III. wieder weilte (Oktober 1000), an seiner Seite zwei edle deutsche Jünglinge, an welchen sein Herz mit besonderer Liebe hing: der eine war Tam mo, dem Herrscher so teuer, daß beide häufig ihre Gewänder austauschten und aus gemeinsamer Schüssel aẞen37; der andere aber war ein Vetter des Kaisers, ja ,,seine Seele", der sächsische Hofkaplan Bruno von Querfurt, auch Bonifaz genannt, ein in den freien Künsten und besonders in der Musik ausgezeichneter Mann". Sie aber verließen den Dienst des Kaisers, um sich dem Dienste Gottes zu weihen, und schlossen sich dem Einsiedlervater Romuald an, der mit ihnen und Benedikt im Frühjahre 1001 den Rückweg nach Pereum antrat. Von den aufrührerischen Römern aus der Stadt vertrieben und zum Rückzuge nach Ravenna gezwungen, gab sich Otto III. während der Fastenzeit 1001 in St. Apollinare den strengsten Bußübungen hin; aber bald mitten in der Nacht, bald am hellen Tage, ließ er sich zu den Einsiedlern nach Pereum rudern, wo er zu Ehren seines von ihm schwärmerisch verehrten ehemaligen Freundes, des 997 an der preußischen Küste als Märtyrer gefallenen Erzbischofs Adalbert von Prag, ein Kloster und eine Kirche erbaute, deren Einweihung schon im Herbste 1001 gefeiert werden konnte. Der Kaiser entsprach mit dem Baue des Klosters einem Wunsche Romualds, der aber damit vielen Ärgernis gab und sich den Vorwurf der Habsucht zuzog, da das neue Kloster im schneidenden Gegensatze zu den ärmlichen Zellen stand, welche er mit seinen Genossen bisher bewohnt hatte. In Pereum war es auch, wo der Kaiser in Gegenwart Romualds das Gelöbnis ablegte, binnen dreier Jahre seiner Krone zu entsagen und ganz dem Erlöser zu folgen; als er dann später, von diesem an sein Versprechen gemahnt, zur Antwort gab, er müsse zuvor erst das störrische Rom züchtigen, brach Romuald in die prophetischen Worte aus:,,Wenn du nach Rom ziehst, wirst du Ravenna nicht

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