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Diese Dinge erfuhr man aber in Florenz alle, und so hatte der Frate wahrlich guten Grund, wider das Verderben der Kirche zu donnern. Aber schon der selige Albert von Trient weissagte von ihm, ein reißender Wolf werde etwa von 1490 bis 1503 die Herde Gottes überfallen, die Kirche zur Ehebrecherin erniedrigen und mehrere Kinder haben, von welchen ein Bruder den anderen ermorden werde. Dieser Brudermörder werde den geistlichen Stand ablegen und in die Welt zurückkehren, er, der Sohn der Gottlosigkeit und des Verderbens, vom Dämon gesandtd. Um nun aber, so berichtet Razzi weiter, auf das klägliche Ende Alexanders VI. zu kommen, so muß man wissen, daß in der Stadt Corneto ein junger Mann namens Hadrian Castello lebte, ein armer Notar, welcher aber über eine ausgezeichnete Handschrift verfügte. Auf die Vorstellungen einer alten Frau, seiner Dienerin, hin, er möge nach Rom gehen, da werde er ein großer Mann werden, begab er sich in die Ewige Stadt, ohne einen anderen Vorzug, als eine schöne Feder und ein bißchen Grammatik, und fand bei den Schreibern der Kurie Verwendung. Als nun der Papst eines Tages ein von Hadrians Hand geschriebenes Breve zur Siegelung erhielt, bewunderte er die schöne Schrift des jungen Mannes, empfahl ihn dem ersten Kopisten und verlieh ihm, als dieser bald darauf starb, seine Stelle. So fügte es sich wie von selbst, daß er mit dem Schreiber häufig zu tun und dabei Gelegenheit hatte, seine Geschicklichkeit und Gewandtheit kennenzulernen. Er sandte ihn nun zur Eintreibung eines noch rückständigen Guthabens nach England, wo er ehedem als Kardinallegat selbst geweilt hatte, stattete ihn zum Lohne für seine trefflichen Dienste mit einem reichen englischen Bistume aus und erhob ihn nach seiner Rückkehr zum Kardinale mit dem Titel des hl. Chrysogonus. Sein großes Ansehen an der Kurie erweckte jedoch den Argwohn Cesares, welcher eines Tages zu seinem Vater ging und zu ihm sprach:,,Heiliger Vater, Ihr habt diesen Hadrian von Castello zum Kardinale gemacht und mit solcher Gunst überhäuft, daß ich fürchte, er wird uns über kurz oder lang großen Schaden zufügen; denn er hat großen Anhang am Hofe und hält sich besonders an solche, welche uns wenig gewogen sind." Auf die Frage des Papstes, was denn geschehen solle, gab Cesare zur Antwort:,,Ihn beiseite schaffen, wie auch die anderen gegnerischen Kardinäle." Der Papst stimmte seinem

HADRIAN VON CORNETO

307 ruchlosen Ratschlage bei, und so kamen sie überein, den Kardinal Hadrian mit einigen seiner Anhänger zur Tafel zu laden und zu vergiften. Cesare nahm zwei Flaschen kostbaren Weines und schüttete in die eine, durch ihren besonderen Verschluß gekennzeichnete, Gift, schärfte aber dem mit der Bedienung des Papstes betrauten Aufwärter nachdrücklich ein, von ihr nur dem Kardinal Hadrian und seinen Gefährten einzuschenken, dem Papste und ihm selbst aber von der anderen, da sie dem Geschmacke Seiner Heiligkeit besser entspreche5e. Der Diener, ein guter Freund Hadrians, schöpfte Verdacht und zog den Kardinal ins Vertrauen, der ihm riet, die Flaschen bzw. ihren Verschluß zu verwechseln3. So geschah es, daß der Papst und Cesare bei Tisch den vergifteten Wein erhielten, welchen sie für die anderen bestimmt hatten. Während der Tafel erschien ein Priester um die Unterschrift einiger Bullen, welche keinen Aufschub litten. Der Papst gab daher einem Sekretäre den Auftrag, in sein Gemach zu gehen und den Fischerring oder sonst etwas zum Siegeln der Bullen Geeignetes zu holen. Als nun der Sekretär das päpstliche Zimmer betrat, sah er den Dämon in Gestalt des Papstes auf einem schrecklichen Throne sitzen und erhielt von ihm den Befehl, dem Papste zu sagen, unverzüglich solle er zu ihm kommen, er wolle ihn mitnehmen. Und schon begann das Gift seine Wirkung zu äußern. Cesare nahm zum Mittel der ausgeweideten Mauleselinnen seine Zuflucht und entrann bei seiner Jugend dem Tode. Der greise Papst aber erhob sich von der Tafel und ging in Todesangst in sein Gemach, wo er dem Dämon vorwarf, er sei ein Verräter und Betrüger; denn er habe ihm zweimal neun Jahre versprochen. Die Kammerdiener fanden ihn tot in jämmerlicher Lage, mit dem Kopfe auf dem Boden und mit den Füßen auf dem Rande des Bettes. Das war das schlimme Ende Alexanders VI., welches seinem verbrecherischen Leben entsprach. Der Leser mag nun selbst beurteilen, was von einem Papste zu halten sei, welcher sich vom trügerischen Versprechen des Dämons täuschen ließ, als habe er ihm zweimal neun, d. h. achtzehn Jahre Papsttum in Aussicht gestellt, während es nach der Meinung des Dämons nur zwei und neun, d. h. elf Jahre sein sollten. Der Leser mag ferner entscheiden, ob er ein Räuber oder ein Hirte war, und ob die vielen, welche er ungerechterweise mit Gift, Eisen oder sonstwie umbrachte, deshalb als Verdammte und Bösewichter anzusprechen

seien. Der Leser mag endlich darüber befinden, ob unser Frate nur aus dem Grunde, weil er von einem solchen Menschen dem Tode überliefert ward, der Märtyrerkrone nicht würdig sei, obschon er doch sein Leben für die evangelische Wahrheit in die Schanze schlug. Wie daher der Heiligkeit Peter Cölestins kein Abbruch dadurch geschah, daß er von Bonifaz VIII. im Kerker ermordet wurde, aus Furcht, er könnte neuerdings auf den Päpstlichen Stuhl erhoben werden, von welchem er ihn bōswilligerweise verdrängt hatte, ebenso schadet es weder vor Gott noch in den Augen verständiger Menschen dem Andenken des Frate, daß er von einem Alexander VI. dem Tode überantwortet wurde h

Razzi war ein Ordensmann von peinlicher Gewissenhaftigkeit, welchem es vollkommen ferne lag, gegen einen Nebenmenschen, und nun gar gegen das Oberhaupt der Christenheit, ungerechtfertigte Vorwürfe zu schleudern. Als er heranwuchs, gab es noch Leute genug, welche die furchtbaren Tage der Borja miterlebt, den tragischen Ereignissen, welche sich damals in der Ewigen Stadt abspielten, als Augenzeugen mitangewohnt hatten. So konnte er noch im Alter aus dem reichen Schatze seiner Erinnerungen schöpfen und aus dem Treiben der Borja manche Einzelheiten mitteilen, wie sie nur wohlunterrichteten Zeitgenossen bekannt waren. In der Tat wird ja auch, was er vom ärgerlichen Leben Alexanders vor und nach seiner Thronerhebung und besonders von seiner Vorliebe für schamlose Tänze und Komödien sagt, durch anderweitige unanfechtbare Zeugnisse vollauf bestätigt. ,,Heute", berichtet der venezianische Botschafter Justinian,,,beschäftigte sich der Papst nach dem Mittagessen den ganzen Tag mit Lustbarkeiten, zuerst mit dem Zuschauen bei Wettrennen, dann mit Anhören von Komödien, an welchen er großes Gefallen hat, und häufig läßt er für sich allein eine vortragen, heute aber war sie öffentlich, und es nahmen viele Kardinäle an ihr teil, einige in ihrer Kardinalstracht, andere in Masken, und dazu jene Gesellschaften (von Dirnen), wie sie dem Papste zu behagen pflegen, und eine von ihnen kauerte zu Füßen des Hl. Vaters.",,Gestern abend", schreibt derselbe Gesandte ein andermal',,,war ich im Vatikan zur Abendtafel beim Papste und wohnte bis fast Tagesanbruch den herkömmlichen Lustbarkeiten des Papstes an, woran Frauenzimmer beteiligt waren, ohne welche

DIE VATIKANISCHEN ORGIEN

309 in diesem Palaste zur Zeit kein Fest, welches auf Beifall rechnen will, stattfinden kann. Überdies wurde so manches hundert Dukaten ausgespielt." Der Umgang Alexanders und der Höflinge mit den Weibern war somit keineswegs nur eine seltene Ausnahme, sondern die tägliche Regel, wie wir ja auch früher schon sahen; so sehr war der Papst an derartige Vergnügungen gewöhnt, daß er sie auch bei auswärtigen Besuchen nicht missen mochte. Als er sich im März 1502 kurze Zeit in Piombino aufhielt, ließ er sich trotz des Fasttages seine Fleischmahlzeit wohlschmecken, auf dem Platze vor dem Palaste aber mußten ihm schöne Mädchen und Frauen stundenlang vortanzen. Daß er bestrebt war, seinen Gästen zur Abwechslung auch nackte Männer vorzuführen, kann bei einem Manne von so zügelloser Sinnlichkeit nicht überraschen; das von Razzi berichtete Auftreten der Hirten, deren Blöße die anwesenden Damen ansehen mußten, liegt lediglich in der Linie der von Burchard1o geschilderten scheußlichen Orgie am Vorabende des Festes Allerheiligen 1501, bei welcher fünfzig Dirnen erst bekleidet, dann nackt mit Hofbediensteten tanzen mußten, worauf die Lichter ausgelöscht wurden - das alles in Gegenwart des Papstes, Cesares und Lukrezias11. Fast noch unwahrscheinlicher als Razzis Bericht über die Hirten klingt seine Erzählung von dem ekelhaften Schauspiele, welches der Papst sogar in Gegenwart der Kardinäle und des Volkes mit den Mauleseln und Stuten veranstaltete. Und doch wird gerade sie auch von zeitgenössischen Schriftstellern unanfechtbar bezeugt12, womit nicht behauptet werden will, daß sie genau denselben Vorgang im Auge hatten, da der Papst sich selbst wie anderen solchen Anblick wohl öfter bereitete13.

Dagegen ist bereits legendär, was Razzi über den Kardinal Hadrian von Corneto meldet. Sein rätselhaftes Verschwinden seit seiner Reise nach Rom zum Konklave nach dem Tode Leos X. und sein früheres gänzliches Untertauchen in die sorgsam verschwiegene Abgeschiedenheit einer freiwilligen Verbannung schien als notwendiges Gegenstück ein ebenso geheimnisvolles Auftauchen aus einer aussichtslosen Jugend und Heimat zu heischen, und ohne Zweifel wäre sein Aufstieg aus niedrigen und armen Anfängen zu den höchsten kirchlichen Würden wie sein plötzlicher Abstieg in dunkle Verschollenheit als unheimliche Wirkung frevlen Teufelspaktes aufgefaßt worden, hätte ihn nicht

ein unverdient guter Leumund vor dem Argwohn eines Vertrages mit dem Dämon bewahrt. ,,Er war", wie ihm ein gleichzeitiger römischer Schriftsteller nachrühmt", „der einzige, welcher ob seines hervorragenden Geistes die gefährlichsten Zeiten nicht nur unversehrt bestand, sondern auch ruhmvoll überwand." Ist es nun an sich schon nicht eben sehr wahrscheinlich, daß ein Mann in den schönsten Jahren wie Hadrian, und dazu noch steinreich, als Vertrauter Alexanders, ohne Schaden zu nehmen, jahrelang Genosse seiner zügellosen Ausschweifungen gewesen sein sollte, so fehlt es nicht an Zeugnissen dafür, daß vom allgemeinen Verderben auch er nicht ganz frei blieb. Der Humanist Philipp Beroald der Jüngere, eine Zeitlang sein Sekretär, also ein Mann, der mit seinem Leben und Treiben aufs beste vertraut war, erhob wider ihn noch bei seinen Lebzeiten die schwersten Beschuldigungen: eine schändliche Jugend, Verführung armer Mädchen, Verstoßung der rechtmäßigen Gattin, Betrug, Kauf des Kardinalats, Undankbarkeit, Habsucht, beständige Falschheit und endlich sogar Vergiftung Alexanders VI.14b. Allerdings ist es ein Schmähgedicht, welches diese Anklagen vorbringt; aber in einem Stücke erweisen sich die Vorwürfe Beroalds doch als berechtigt der Verstoßung seiner rechtmäßigen Gattin machte sich Hadrian allerdings schuldig. Er hatte 1488, lange vor seiner Erhebung zum Kardinalat, ein Mädchen namens Brigida aus der vornehmen Familie Inghirami von Volterra geheiratet und mehrere Monate mit ihr zusammengelebt. Dann aber stellte er an den Papst das Ersuchen, die angeblich niemals vollzogene Ehe dem Bande nach aufzulösen, da er schwer leidend sei und die heiligen Weihen zu empfangen begehre. Innozenz VIII. gewährte ihm seine Bitte mittels Breves1c vom 4. April 1489, worin er ihn als seinen beständigen Tischgenossen bezeichnete und die treuen Dienste rühmte, welche er dem Hl. Stuhle bisher geleistet habe1d. Wie es sich nun auch mit dem schweren Leiden eines Mannes verhalten mag, welcher immerhin noch zweiunddreißig Jahre lebte und sich mancherlei Ämtern und Reisen unterzog1e, so wird doch sein Wunsch nach dem Empfange der heiligen Weihen durch die Angabe eines zeitgenössischen Kurialen, des Chronisten Cornelius de Fine, sehr begreiflich, er habe seine Gattin infolge eines nächtlichen Gesichtes verstoßen, welches ihm die päpstliche Würde verhieß.

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