Obrazy na stronie
PDF
ePub

VIII. ZUM LEBEN UND STERBEN ALEXANDERS VI.

A. LUKAS BETTINI.

So wenig sich Delfin und Paul Justinian liebten und so weit ihre Anschauungen und Grundsätze in Angelegenheiten ihres Ordens auseinandergingen, so waren sie doch in einem Punkte eines Herzens und eines Sinnes, in der gemeinsamen Abneigung gegen Savonarola. Justinian erfreute sich in dem heißen Streite, welchen er mit seinem Generale um die Reform der heiligen Einsiedelei führte, der mächtigen Unterstützung der Medici, vor allem Leos X. selbst, ganz besonders aber auch seines Bruders Julian wie seines Vetters, des Kardinalbischofs Julius von Florenz, ohne welche er an einen glücklichen Ausgang seines schwierigen Unternehmens nie hätte denken dürfen. So war es nur billig, daß auch er den Medici seine Dienste in dem hartnäckigen Kampfe lieh, welchen sie gegen den Ferraresen noch über den Tod hinaus führten, da sie in ihm eine fortgesetzte schwere Gefahr für den Bestand ihrer Herrschaft erblickten. Noch immer wimmelte Italien von Einsiedlern, Mönchen, Nonnen, Geistlichen und Laien, welche, bewußt oder unbewußt, absichtlich oder unabsichtlich, an die Predigt Savonarolas anknüpfend, eine Züchtigung Italiens wie der Kirche und damit einen Umschwung aller Verhältnisse ankündeten und so dem Papste als dem Oberhaupte der Kirche und Erben der mediceischen Hausmacht keine geringe Sorge einflößten. Um dem Schwarme der Wanderprediger das Handwerk zu legen, verordnete er im V. Laterankonzile1, fürder dürfe ohne gründliche Prüfung durch die Oberen niemand mehr zur Predigt zugelassen werden. Erzbischof Julius aber schritt gegen jeden neuen Propheten ein, da er in jedem einen neuen Savonarola witterte. So ließ er einen Mönch Theodor verhaften und einkerkern, welcher sich ja auch in seinen Predigten ausdrücklich auf den Frate berief und einen großen Anhang gewonnen hatte.

DER SCHWINDLER THEODOR

287

Delfin, zur Zeit seiner Ergreifung in Florenz anwesend, übersandte seinem Freunde, dem Prior Jakob von Oderzo, den Prozeẞ Theodors mit einem Begleitschreiben, worin er ein anschauliches Bild von dem Leben und Treiben des seltsamen Mannes entwarf. Danach war Theodor, der Sohn griechischer Eltern, in seiner Jugend eine Zeitlang Novize im Engelkloster gewesen, dann aber zu den Olivetanern von S. Miniato übergetreten, wo er die Gelübde ablegte. Aber auch hier litt es ihn nicht. Er warf die Kutte ab und trieb sich nun, einem ausschweifenden Leben frönend, in den größeren Städten Italiens umher, diente auch als Soldat eine Zeitlang. Vom Heimweh nach den Fleischtöpfen Ägyptens ergriffen, zog er dann aber das Gewand des hl. Romuald wieder an und fand Aufnahme in der Abtei S. Felix zu Florenz3, wo er trotz gänzlicher Unwissenheit das Wort Gottes zu predigen anfing. Allmählich gelang es ihm, fromme Weiblein an sich zu locken, unter dem Vorgeben, er habe mehrmals Erscheinungen des Frate gehabt und verkündige seine Lehre. Schließlich gab er sich für den Engelspapst aus, dessen baldige Ankunft der Frate verheißen hatte, und ließ durch ein von ihm verführtes Mädchen das Gerücht ausstreuen, er sei der künftige Erneuerer der Kirche. Schon hatte sich eine ansehnliche Menge Volkes um ihn als ihren Propheten gesammelt, als er verhaftet und seines üblen Wandels überführt wurde. Er gestand vor dem erzbischöflichen Generalvikare, lediglich aus Herrschsucht und Liebe zur Schlemmerei den Heiligen gespielt zu haben. Zur Strafe wurde er zu zehnjähriger Klosterhaft bei den Olivetanern verurteilt, mußte aber zuvor im Florenzer Dome angesichts einer ungeheuren Menschenmasse ein offenes Bekenntnis seiner Missetaten ablegen.

Theodor war zwar niemals Schüler Savonarolas gewesen, obschon er seine Prophezeiungen wiederholte und Erscheinungen von ihm vorgab. Allein gerade der Umstand, daß das Auftreten des nächsten Besten genügte, um das trotz härtester Verfolgung niemals ausgerottete Andenken des Frate zum mächtigen Feuer zu entfachen, führte den Medici die ständige Gefahr, welche ihnen von dieser Seite her immer noch drohte, lebendig vor Augen. Am 2. Februar 1515, zur selben Zeit, als das Verfahren gegen Theodor schwebte, ging daher der florentinische Inquisitor im Auftrage des Erzbischofs auch gegen das Andenken Savonarolas vor und gebot die Auslieferung seiner Reliquien, Schriften und Bildnisse", wäh

rend der Generalvikar unter Strafe des Kirchenbannes alle eigenmächtige Predigt wie alles Prophezeien verbot. Schon unter Alexander VI. lautete eine Hauptanklage gegen den Frate, er verkünde ein neues, verkehrtes und verderbliches Dogma, womit die Predigt von der Notwendigkeit einer Erneuerung der Kirche nach vorausgegangener schwerer Züchtigung gemeint war. Kaum hatte nun Leo X. den Stuhl Petri bestiegen, so schickte sich der Vikar des Erzbischofs von Florenz samt dem Domkapitel an, diese Lehre als förmliche Ketzerei zu brandmarken und zu verdammen (1514)! Natürlich mangelte es anläßlich der Anwesenheit Leos X. in Florenz 1516 erst recht nicht an Bemühungen, den Papst zu neuer Prüfung, und das hieß unter den obwaltenden Verhältnissen zu strenger Verurteilung der Predigten und Schriften des Frate, zu bewegen, und da diese Bestrebungen damals ihr Ziel nicht erreichten, so gedachte man das Versäumte auf der für das Frühjahr 1517 anberaumten Provinzialsynode nachzuholen. Um ihr die Verdammung zu erleichtern, schrieb Justinian nicht nur selbst viel gegen Savonarola und einige Ketzer, sondern war auch darauf bedacht, den Vätern entsprechende Gutachten angesehener Männer zu unterbreiten. So bat er Delfin um Überlassung seiner Zwiegespräche gegen den Frate, von welchen er sich einen starken Eindruck auf die Synodalteilnehmer versprach. Der General sandte sie ihm mit der Bitte, ja dafür zu sorgen, daß sie nicht verlorengingen oder in die Hände von Piagnonen fielen, die sich leicht daran stoßen könnten. Einen weiteren, seinen Absichten dienstbaren Sachverständigen glaubte Justinian in einem anderen Landsmanne, dem geschätzten Kanonisten Gasparre, gefunden zu haben, welchen er daher ebenfalls um seine schriftliche Äußerung über die Verdammungswürdigkeit der Haltung Savonarolas gegenüber dem Papste wie seines prophetischen Anspruches ersuchte. Zu seinem nicht geringen Erstaunen trat jedoch Gasparre in beiden Fragen offen und rückhaltlos auf die Seite des Frate, mit der Begründung, eine ungültige und als solche öffentlich erwiesene Exkommunikation brauche man der Lehre gefeierter Meister zufolge auch nicht zu fürchten, wie man es niemandem wehren könne, an die Möglichkeit prophetischer Sendung noch in der Gegenwart zu glauben; die Prophetie des Frate selbst aber stehe mit der kirchlichen Lehre sicher in keinerlei Widerspruch1o.

dem

BETTINI

-

289 Aber auch die Brüder von S. Marco selbst erschienen nun auf dem Plane. In der Tat war Gefahr auf Verzug. Führten doch die Gegner nichts Geringeres im Schilde, als die Lehre des Frate zunächst auf der ihnen voraussichtlich willfährigen Synode von Florenz verdammen und hierauf dieses Urteil von dem zugleich tagenden V. Laterankonzile bestätigen zu lassen", so daß dann Savonarola von einer allgemeinen Kirchenversammlung unter Zustimmung des Papstes als Ketzer gebrandmarkt und damit kirchlich unrettbar verworfen war der furchtbarste Schlag, welcher ihn und seine Jünger überhaupt treffen konnte. Gereizt und erbittert über die unaufhörlichen Angriffe der Gegner, ließen es die Piagnonen an scharfen Antworten nicht fehlen. Zacharias von Lunigiana, Mönch in S. Marco, erwiderte auf die Erklärung der florentinischen Domherren, wer für eine Reform der Kirche eintrete, der sei ein Ketzer, mit überlegenem Spotte, es sei doch sonderbar, daß der Glaube an eine kirchliche Erneuerung als Ketzerei zu einer Zeit angeschwärzt werden wolle, da Julius II. das lateranische Konzil und der Generalvikar selbst die Provinzialsynode zu keinem anderen Zwecke als zur Reform der Kirche einberufen hätten1. Ähnliche Töne schlug Lorenz Macciagnini an13, ebenfalls Mönch in S. Marco; weitaus die schneidigste Klinge schwang aber Lukas Bettini, der gelehrtesten und begeistertsten einer unter den treuen Söhnen des Frate. 1489 zu Florenz von frateschen Eltern geboren, legte er am 23. Oktober 1506 in S. Marco die feierlichen Gelübde ab", ein Beispiel, welchem vier jüngere leibliche Brüder folgten; eine Schwester war die Gattin des biederen florentinischen Geschichtschreibers Jakob Nardi. Dem Frate, welcher in dem aufgeweckten Knaben unvergeßliche Eindrücke hinterlassen hatte, mit Leib und Seele ergeben, stand Lukas stets in vorderster Reihe, wenn es galt, sein teures Andenken wider gegnerische Verunglimpfung in Schutz zu nehmen oder seine Lehre zu verbreiten. So gab er nicht nur die Predigten über die Psalmen und über Ezechiel heraus, sondern veranstaltete auch eine Sammlung der Aussprüche des Frate über die Erneuerung der Kirche, die unter dem Titel „,Orakel von der Erneuerung der Kirche nach der Lehre Savonarola s16 1543 zu Venedig im Drucke erschien, aber schon bald der Liste der verbotenen Bücher verfiel16. Ganz besonders aber ließ es sich Bettini angelegen sein, den gefährlichen 19 Schnitzer, Peter Delfin

[ocr errors]

Vorwurf der Ketzerei zurückzuschlagen, welcher am Vorabende der Synode von Florenz nachdrücklich wider den Frate erhoben ward, um ihn für immer kirchlich zu ächten. Daher verfaßte er 1516 seine von gründlicher kanonistischer wie scholastischer Gelehrsamkeit zeugende Schrift Zur Verteidigung des Bruders Hieronymus Savonarola1", worin er nicht nur die Anklage auf Ketzerei siegreich zurück wies, sondern auch dankenswerte Aufschlüsse über die angeblichen Geständnisse des Frate bei den peinlichen Verhören gab. In der Tat zog die dräuende Wetterwolke, welche sich über diesem zusammengeballt hatte, glücklich vorüber. Weder auf der florentinischen Synode noch auf dem Laterankonzile fiel der von den Gegnern so emsig vorbereitete, vernichtende Schlag18, sei es nun, daß sich Justinian durch das warme Gutachten Gasparres, sowie durch die Schriften der Dominikaner eines Besseren hatte belehren lassen, sei es, daß es die Medici selbst angesichts der Drohung der Piagnonen, im Falle eines feindseligen Vorgehens der Synode gegen ihren Meister die peinliche Frage der Rechtmäßigkeit Alexanders VI. aufzurollen, für geraten erachtet hatten, zur Vermeidung aller ärgerlichen Enthüllungen die Savonarolafrage lieber nicht auf die Tagesordnung zu setzen. Dieser unerwartete Erfolg wurde von den Verehrern wie von den Gegnern des Frate nicht zuletzt den Bemühungen Bettinis zugeschrieben, welcher, obschon erst achtundzwanzig Jahre alt, 1518 zum Generalvikare der Kongregation von S. Marco gewählt wurde. Die Wahl stieß jedoch sofort auf entschiedensten Widerspruch gerade in der Kongregation selbst und wurde vom Ordensgenerale Thomas de Vio von Gaëta, dem bekannten Kardinale Cajetan, unter Berufung auf seine Jugend sowie auf Grund einer Bestimmung verworfen, wonach Piagnonen zu wichtigen Ordensämtern überhaupt nicht zugelassen werden durften1o. So kannte denn auch Bettini keine Rücksicht mehr und schnellte in einer Nachschrift zu seiner Apologie des Frate den spitzigsten Pfeil wider die Gegner ab, indem er den Schleier von den gräßlichen Vorgängen beim Ende des Borjapapstes lüftete.

Nicht erst für die Protestanten, sondern schon für zeitgenössische Katholiken, soweit sie nicht allen kirchlichen Glauben eingebüßt hatten, bedeutete das Papsttum eines solchen Scheusals ein,,mysterium iniquitatis", welches sie sich nur als eine von Gott

« PoprzedniaDalej »