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DER SANG DES SCHNEIDERS

Und wenn ihr nach dem Grunde wolltet fragen
So schwer litt ich an meinen Augen Schaden,

Daß mir das Nähen nimmer will geraten.

O stillet gütig meine bittern Klagen!

Um Schätze nicht noch Kleider möcht' ich bitten,
Versorgt mich nur mit irgendeiner Stelle,
Ich habe Hunger nun genug gelitten.

Ob hier, ob auswärts fließ' die neue Quelle

Mit jeder macht ihr euren Hansen selig,

Es gilt ihm gleich, wo man ihn auch hinstelle.

Doch helft mir auf der Stelle!

O zögert nicht, mich warm zu unterstützen,
Und laßt im Elend mich nicht länger sitzen!"

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B. DAS ZWIEGESPRÄCH.

Zu Beginn der Fastenzeit 1498 befand sich Savonarola in der schwierigsten Lage. Die Spannung zwischen den um Franz Valori als ihren Parteiführer gescharten Frateschen, den zähesten Vorkämpfern der Volksherrschaft, und den mit dieser von Anfang an unzufriedenen, auf Errichtung einer aristokratischen Oligarchie bedachten Arrabbiaten war aufs höchste gesteigert, die Verwandten und Freunde der im August 1497 als Rädelsführer der mediceischen Verschwörung enthaupteten Vornehmen konnten den Tag kaum erwarten, an welchem sie an Valori, dem Haupturheber der Hinrichtung, blutige Rache nehmen konnten, die Leidenschaften waren bis zur Siedehitze erregt. Wie um die innere, so tobte der Kampf um die äußere Politik aufs heftigste; hie Frateschen und Frankreich, hie Arrabbiaten und Liga erscholl die Losung. Als das mächtigste Bollwerk wie der Volksherrschaft, so der französischen Politik erschien der Frate. Ihn galt es zu stürzen, sollte die Bahn frei werden für die Arrabbiaten und für die Liga. Diesem Zwecke hatte schon der rohe Aufruhr während seiner Predigt im Dome am Himmelfahrtsfeste 1497 gegolten1, der aber zu dem ersehnten Ziele nicht geführt hatte;

war Peter degli Alberti an der Spitze einer arrabbiaten Signorie Herr der Lage, und es wurde ihm von seinen Parteigenossen nicht wenig verübelt, daß er sie nicht besser auszunützen verstanden habe. Keinem anderen Zwecke als der Unschädlichmachung des Frate diente auch der gleich darauf über ihn vergängte Kirchenbann, dessen Aufhebung die folgenden frateschen Signorien in Rom vergeblich betrieben. Seit dem 1. März 1498 war wieder eine arrabbiate Signorie am Ruder. Sie war zum letzten entscheidenden Schlage gegen den Frate entschlossen, und Peter Alberti mit ihr, obschon er ihr nicht angehörte; jetzt sah er die günstige Stunde gekommen, die Scharte vom letzten Himmelfahrtsfeste wieder auszuwetzen, jetzt hieß es siegen und den Sieg rücksichtslos auskosten.,,Möge es Gott gefallen," schrieb damals Franz Tranchedin, der Geschäftsträger des mailändischen Herzogs in Bologna2, „daß die gegenwärtige Signorie die Gelegenheit besser zu nützen versteht als jene frühere, um den verderblichen Wahn ihres Frate auszurotten. Näheres wird man ja bald hören, wenn diejenigen Hirn haben, welche es angeht. Denn alles wird sich klären, noch bevor die gegenwärtige Signorie zurücktritt, und es wird sich dann zeigen, welche von den bestehenden Parteien mehr Anhang im Volke hat, das gewohnt ist, denjenigen nachzulaufen, welche zu siegen wissen." Und die neue Signorie verstand dies. Ihre Hauptwaffe war die Durchführung des Bannes, dessen Gültigkeit der Frate wohl zu bestreiten, dessen furchtbare Auswirkung er jedoch nicht von sich abzuwenden vermochte. Seine Macht lag in seinem lebendigen Worte; er konnte nicht bestehen, wenn er nicht predigte. Seit dem Himmelfahrtsfeste hatte er die Kanzel nicht mehr bestiegen. Am Sonntage Septuagesima, 11. Februar 1498, kehrte er auf sie zurück, zum Jubel eines großen Teiles seiner Getreuen, welche mit seinem Einflusse ihre eigene politische Macht neu belebt und gestärkt sehen wollten, zum nicht geringen Ärgernisse der anderen, welche sich vor den unausbleiblichen wirtschaftlichen und politischen Folgen des Bannes ängstigten und daher von den Predigten fernhielten. Niemals hatte der Frate mit solch verzehrendem Feuer, mit solch hinreißender Begeisterung gesprochen. Aber gerade seine kühne Kampfansage gegen Rom war wiederum Wasser auf die Mühle der Arrabbiaten und der Liga, besonders der Venezianer, welche nichts unversucht

BISCHOF HIERONYMUS PORCIUS

273 ließen, um den Zorn des Papstes zu schüren, und den Tag nicht erwarten konnten, an welchem dieser das zur Strafe für die MiBachtung des Bannes angedrohte Interdikt über Florenz verhängen und damit die Empörung des Volkes wider den Frate entfesseln würde, der dann als die alleinige Ursache alles über die Stadt hereingebrochenen Unheils hingestellt werden konnte. Schon bereiteten die Compagnacci, ein Bund vornehmer Lebemänner, knirschend über das unerträgliche Joch, welches die strenge Kirchen- und Sittenzucht des Frate auch auf sie legte, die Feuerprobe vor. Die Orden stellten sich dem Papste, der Liga, den Arrabbiaten und den Compagnacci zur Verfügung. Die Franziskaner donnerten in hl. Kreuz, die Augustiner in hl. Geist gegen den Frate. Durften da die Camaldulenser zurückbleiben? Predigen konnte Delfin zwar nicht, die Gabe des Wortes war ihm versagt. Aber er hatte eine Feder, er konnte schreiben; SO schrieb er. Der Bischof Hieronymus Porcius von Andria, ein Lobredner der Borja, hatte 1497 zu Cesena einen Dialog gegen Savonarola veröffentlicht, worin er den Grundsatz der Infallibilisten verteidigte, nur der sei ein Christ, welcher dem Papste blindlings gehorche". Des Bischofs Lorbeeren ließen den General, der ganz derselben Richtung huldigte, nicht schlafen, und so verfaßte auch er ein Schriftchen, welches in die dramatische Form eines in drei Abschnitten verlaufenden Zwiegespräches zwischen ihm selbst und einem von Zweifeln und Unruhe über die traurige Lage der Stadt und über das Ärgernis erregende Verhalten des Frate gepeinigten Bürger gekleidet war und den Titel führte: ,, Zwiegespräche wider Hieronymus aus Ferrara." Da hier die Wiederaufnahme der Predigt durch den Frate bereits vorausgesetzt, der Herausforderung zur Feuerprobe durch den Franziskaner Franz von Apulien am 25. März aber noch nicht gedacht wird, so fällt die Entstehung der Schrift in die ersten Märzwochen 1498, eine Annahme, welche zur vollen Gewißheit durch die eigene Erklärung Delfins erhoben wird, er habe sie während der Fastenzeit zu Florenz, und zwar noch vor der Einkerkerung des Frate, als dieser noch in höchstem Ansehen stand, niedergeschrieben. Da sich das Gespräch, wie schon bemerkt, in drei Auftritten abwickelte, von welchen die beiden ersten nach Fontebuona, der dritte nach Florenz verlegt wird, so 18 Schnitzer, Peter Delfin

zerfällt das Werkchen in drei Bücher. Im ersten wird die Frage erörtert, ob einem Ordensmanne oder Geistlichen die Beschäftigung mit Angelegenheiten des Staates gestattet sei, im zweiten der schrankenlose Gehorsam gegen den Papst als strenge Gewissenspflicht zu erweisen gesucht und im dritten gegen die Behauptung des Frate Sturm gelaufen, Ketzer seien alle, welche ihn für gebannt hielten. Um den Schein voller Unbefangenheit zu wahren und so seinem verdammenden Urteile um so größeres Gewicht zu verleihen, unterläßt Delfin es nicht, den Frate zunächst mit hohen Lobsprüchen auszuzeichnen; er habe das Wort Gottes als treuer Herold himmlischer Lehre in guter Absicht verkündet, ein makelloses Leben geführt, sein Haus wohl verwaltet und durch die Größe seines Geistes in kurzer Frist staunenswerte

Erfolge erzielt. Er scharte eine Menge begeisterter Anhänger um sich, welche sein Wort wie eine göttliche Offenbarung hinnehmen, bereit, auf jeden Wink von ihm in Kerker und Tod zu gehen. Für ein wahres Wunder ist es zu achten, daß er so viele Leute zum Empfange der hl. Sakramente auch außerhalb der von der Kirche vorgeschriebenen Zeiten zu bewegen vermochte; aber die Kraft seines Wortes ist eben ganz ungewöhnlich, er ist beredter als Demosthenes, weiser als Plato. Leider ist er aber der Philosophie nur zu sehr ergeben; so läßt er sich durch Trugschlüsse und den berückenden Schmuck schöner Rede vom Pfade der Wahrheit ablenken, um dann seine zahlreichen Hörer mit seinen Spitzfindigkeiten und Haarspaltereien zu betören. Hätte Delfin den Frate je selbst gehört oder seine Schriften und Predigten, besonders sein Werkchen,,Über die Einteilung, Rangordnung und Nützlichkeit der Wissenschaften", aufmerksam gelesen, so hätte er gerade diesen Vorwurf gegen den Frate am wenigsten erheben können, der aus seiner Abneigung gegen allen künstlichen Redeputz wie gegen alles Pochen auf menschliche Weisheit und Wissenschaft nie ein Hehl machte und in all seinen Vorträgen und Büchern immer nur auf die innere sieghafte Gewalt der göttlichen Sache selbst, nicht aber auf den gleißenden Schein kunstvoller Darstellung baute. Seltsam muß es berühren, wenn Delfin dem Frate seine Beschäftigung mit staatlichen Dingen vorwarf. Er selbst stand ja, wie wir uns erinnern, seit 1495 als politischer Spion im Dienste der venezianischen Regierung, welcher er nicht nur eingehende Berichte über die wich

DIE BESCHÄFTIGUNG MIT POLITIK

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tigsten Vorgänge von Florenz erstattete, sondern auch wiederholt als geschäftiger Unterhändler diente. Wir sahen auch, wie stolz er auf seinen Liebling war, den Abt Basilius, als sich dieser den Harnisch umschnallte und als Führer einer bewaffneten Bande zum Schwerte gegen die Ligisten griff. Und da brachte Delfin den traurigen Mut auf, die Anklage politischer Einmischung wider einen Mann zu schleudern, welcher sich am Staatsleben immer nur vom Standpunkte des Seelsorgers aus beteiligte und die äußere wie innere Politik lediglich als erlaubtes, ja notwendiges und gebotenes Mittel zum erhabenen Zwecke der Kirchenreform benützte! Von Bischof Barozzi auf den bekannten Apostelspruch 2. Tim. 2, 4 aufmerksam gemacht, entschuldigte sich Delfin in sichtlicher Verlegenheit1o, bei der nächsten Zusammenkunft werde er dem Freunde Rede und Antwort darüber stehen, daß er das apostolische Verbot politischer Tätigkeit niemals verletzt habe. Wenn er in den letzten Jahren gleichwohl weltlichen Mächten gegenüber als Mittler und Dolmetsch zur Herstellung der Eintracht und des Friedens aufgetreten sei, so sei dies niemals von ihm aus, sondern immer nur auf Ersuchen höchster Behörden geschehen, welchen er sich nicht habe entziehen dürfen. Wie sehr er die Beteiligung geistlicher Personen an staatlichen Dingen mißbillige, das könne der Freund aus dem Schriftchen ersehen, welches er in der letzten Fastenzeit gegen den Frate gerichtet habe. Freilich könne ihm Barozzi nun vorhalten: Wie? ,,Andere belehrst du, dich selbst aber belehrst du nicht? Andere warnst du vor dem Diebstahle, du selbst aber stiehlst?" (Röm. 2, 21); doch darüber werde er sich mündlich verantworten. Allem Anscheine nach huldigte Delfin dem damals in weitesten Kreisen geteilten naiven Grundsatze, zum Vorteile der Liga, wie er selbst es tat, Politik treiben, das sei freilich ein gutes und verdienstliches Werk; aber eine Politik zum Nachteile der Liga sei höchst verdammenswert. Gewiß konnte er sich darauf berufen, er habe sich nur auf ausdrücklichen Wunsch der Obrigkeit und zum Besten des Gemeinwohles und Friedens zu politischen Geschäften herbeigelassen. Denselben Entschuldigungsgrund mußte er dann aber auch dem Frate zugute halten, der seine Gesandtschaften an Karl VIII. ebenfalls nur auf dringenden Wunsch der Behörden übernahm und sich in die schwierigen Erörterungen über die Neuordnung der Ver

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