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DIE FRANZISKANISCHE ARMUT

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Ermahnungen an das Volk zu richten, und es, ganz im kluniazensischen Sinne, vor Simonie und Priesterehe zu warnen, und es machte nur um so tieferen Eindruck, wenn er mitten in seiner Rede in einen Tränenstrom ausbrach, so daß er seinen Vortrag unterbrechen und sich zurückziehen mußte". Und wahrlich, mit ganz anderem Nachdrucke als die Kluniazenser selbst konnte er für die Forderungen der Kluniazenser eintreten, er, die verkörperte Armut und Weltverachtung, von Wasser und Brot, von Wurzeln und Kräutern lebend, in einer elenden Bretterhütte hausend und seinen Leib zermarternd, während die Odone, Odilone und Majole in prächtigen Klöstern residierten und an wohlbesetzten Tafeln schmausten. Ein Franz vor dem hl. Franz so wenig er auch in seiner herben, oft abstoßenden Art mit dem milden Heiligen von Assisi gemeinsam hatte —, lebte er den Christen seiner Tage das arme Leben Christi und der Apostel vor und versöhnte so viele Gemüter, welche am Christentum irre zu werden begannen. Denn,,allerhand wunderliche Gedanken waren im Gehirne der Menschen aufgestiegen, dies könne die wahre Kirche unmöglich sein, es müsse noch eine andere geben“, eine reinere, geistigere, heiligere. Und nun glaubten sie diese arme Kirche des armen Erlösers zu schauen in Romuald und seinen Söhnen, die alle Güter und Genüsse, an welchen sonst des Menschen Herz hing, verabscheuten und ihren Leib als ihren Todfeind aufs grausamste züchtigten, in diesen Einsiedlern, deren die Welt nach einem Worte der Schrift (Hebr. 11, 38),,nicht wert war, die umherirrten in Wüsten und Gebirgen, in Höhlen und Klüften der Erde". In der für die damalige Zeit unwiderstehlichen Macht ihrer Persönlichkeit, in der hinreißenden Kraft ihres lebendigen Beispieles lag das Geheimnis des Erfolges, welchen die Romualde und Nile, die Brunone und Benedikte auf empfängliche Herzen ausübten, auf Männer, wie Otto III., den Dogen Orseolo oder den Grafen Oliba von Cusan. Jeder Büßer, welchen Romuald für sich gewann, ward sein Prophet; jede Einsiedelei, welche er hervorzauberte, ward eine Hochburg der Bestrebungen, welche er mit den Besten seiner Zeit teilte. Sein Geist lebte nicht nur in Pereum, in Parenzo, in Sitria, Valdicastro oder Camaldoli. Er lebte in Vallombrosa, einer Stiftung, welche auf ihn zurückging, später aber von Johannes Gualbert zu einem eigenen Ordensverbande ausge. baut wurde. Er lebte in Fontavellana", wo Romuald einst lange ge

weilt, und wo Peter Dami a ni, der sprachgewaltige Einsiedler, Schriftsteller und Kardinal, seinen Lieblingssitz hatte. Er lebte in der berühmten Abtei des hl. Vinzenz am Volturno, wo Damiani Romualds Leben schriebs. „Der Kampf gegen die verweltlichte Kirche, gegen den simonistischen und nikolaitischen Klerus, gegen die üppigen und faulen Mönche alten Schlages war die Aufgabe aller dieser von Romualds Beispiel angeregten Kongregationen und Klöster""" Gleichwohl darf man sich von der Wirkung, welche er auf seine Zeit ausübte, keine übertriebenen Vorstellungen bilden. Da sein Einfluß wesentlich in dem lebendigen Beispiele wurzelte, mit welchem er und seine Jüngerschar allen voranleuchteten, so konnte er nicht von nachhaltiger Dauer sein; das Feuer, welches er in verwandten Seelen entzündet hatte, brannte allmählich aus. Seiner eigenen praktischen Reformtätigkeit waren ohnehin nur geringe Erfolge beschieden; er scheiterte überall, wo er selbst reformerisch eingriff, in St. Apollinare, in St. Adalbert auf Pereum, in Amiate. Am wenigsten konnte aber auf Bestand das neue Ordensideal rechnen, an dem seine Seele hing; es trug den Keim unaufhaltsamen Verfalls schon von allem Anfange in sich. Denn wenn seiner Absicht gemäß das Kloster die Vorschule und Pflanzstätte der Einsiedelei sein sollte, so kam doch schließlich alles auf fromme Klöster an, und eben an solchen gebrach es. Standen die Klöster auf der Höhe ihres Berufes, so waren die Einsiedeleien entbehrlich; Romuald selbst hätte sich nicht in solche geflüchtet, wenn er in jenen Ruhe und Frieden gefunden hätte. Entartete Klöster aber brachten den Schwung und die Spannkraft zur Vorbereitung für die Einsiedelei nicht mehr auf, steckten im Gegenteile nur diese selbst mit dem Geiste ihrer Verweltlichung an100. Erst recht unmöglich war aber die Zumutung, welche Romuald an die Äbte stellte, sie sollten sich die Woche über in ihre Zelle in der Einsiedelei vergraben und nur am Sonntage inmitten der Brüder erscheinen; das hieß ja doch, diese während der Abwesenheit ihres Oberen der Verwahrlosung ausliefern, ganz abgesehen davon, daß die Äbte selbst zum Einsiedlerleben für gewöhnlich recht wenig Lust in sich spürten. All das mochte sich Romuald selbst nicht verhehlen und mit Angst und Bangen um seine Schöpfung in den langen Tagen und Nächten, während welcher er als Eingeschlossener in Valdicastro des Todes harrte, in die Zukunft blicken.

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DIE ERSTEN JÜNGER

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B. VON ROMUALD ZU DELFIN.

Nichts legte von dem ernsten Geiste, welcher die unmittelbaren Söhne Romualds beseelte, beredteres Zeugnis ab als der brennende Eifer, welchen sie über den Tod ihres geistigen Vaters hinaus zunächst noch immer entfalteten. So groß war in den ersten Jahrzehnten die fromme Begeisterung, daß sich die Brüder mit den herkömmlichen Bußübungen gar nicht begnügten, sondern geradezu erfinderisch in neuen Selbstpeinigungen waren1. Tag und Nacht widerhallten Bethaus und Zellen vom dumpfen Klatschen der Rutenhiebe, welche auf den entblößten Rücken der Büßer niederprasselten. Man verband das Psallieren mit zahllosen Kniebeugungen, Metanöen'; oder man streckte die Arme kreuzweise aus oder reckte die Hände empor, bis sie die Decke berührten. Man legte sich einen Bußgürtel mit spitzigen Nägeln um oder zwängte den Leib in einen eisernen Harnisch, und was dergleichen Quälereien mehr waren. Freilich war das nun eine Frömmigkeit eigener Art, ganz dazu angetan, die Religiosität zu vergröbern und zu verrohen. Sie lag aber durchaus im Sinne jener rauhen Gemüter, die, für eine Anbetung,,im Geiste und in der Wahrheit" noch nicht reif, handfeste Leistungen liebten und sich, dem beschwerlichen irdischen Kriegsdienste entrückt, dem noch entsagungsvolleren himmlischen Kriegsdienste wider den heimtückischen Höllenfeind hingaben. Gewiß ist, daß der Wandel der Einsiedler den Gläubigen zur größten Erbauung gereichte. Bischof Theodald von Arezzo gab wenige Wochen nach dem Hinscheiden Romualds dem Prior Peter Dagnin von Camaldoli und seinen Genossen die Kirche, welche er selbst zuvor auf Ersuchen Romualds,,,des frommen Vaters der Einsiedler", wie er ihn nannte, zu Ehren des Erlösers eingeweiht hatte, mit weiteren Zuwendungen an Grund und Boden zu eigen, mit dem ausdrücklichen Vorbehalte, daß es den Brüdern niemals gestattet sei, das einsiedlerische und beschauliche Leben aufzugeben oder den heiligen Ort in ein Kloster zu verwandeln. Bischof Em mo aber bestätigte zehn Jahre später die Schenkung seines Vorgängers nicht nur, sondern erweiterte sie noch erheblich und spendete den Einsiedlern das Lob, sie seien Gottes voll, vom Feuer göttlicher Betrachtung entflammt, von heiligem Eifer entbrannt und nur dem Dienste des

Herrn ergeben; ihr Anblick habe ihm die höchste Freude bereitet, er danke Gott, in seinem Sprengel solche Diener Gottes gefunden zu haben. Solcher Wertschätzung erfreute sich die Einsiedelei von Camaldoli in weitesten Kreisen, daß sie nachgerade vielfach als die heilige Einsiedelei schlechthin, als die hochheilige, verehrungswürdige Stätte bezeichnet wurde. Nicht wenige Einsiedeleien und Klöster nahmen nach und nach ihre Einrichtungen und Bräuche an und unterstellten sich ihrer Leitung. Paschalis II. vereinigte sie 1113 zu einem Verbande, welcher sich a parte potiori Kongregation oder Orden von Camaldoli nannte, wonach seine Mitglieder Camaldulenser hießen; der Prior der heiligen Einsiedelei, so wurde zugleich bestimmt, sollte eo ipso der allgemeine Leiter, rector generalis, General, aller ihr angegliederten Einsiedeleien und Klöster sein. Somit ergibt sich von selbst, in welchem Sinne der Camaldulenserorden als eine Stiftung des hl. Romuald anzusprechen ist. Jedenfalls fällt seine Geburtsstunde nicht erst mit der Gründung Camaldolis zusammen; denn Romuald hatte hier seine Tätigkeit weder begonnen noch längere Zeit ausgeübt noch beendet und diesen Ort niemals vor anderen im geringsten bevorzugt, überhaupt niemals einen besonderen Orden zu stiften beabsichtigt. Will man in seinem Werke gleichwohl eine Ordensgründung erblicken, so darf man diese nicht erst mit Camaldoli, muß sie vielmehr schon mit den frühesten Niederlassungen, mit Pereum, Comachio, St. Adalbert usw. verknüpfen'. Und doch war die hl. Einsiedelei die Wiege des Camaldulenserordens, sofern eben sie den romualdinischen Geist am lautersten ausprägte und zu jenem edlen Kerne verdichtete, um welchen sich im Laufe der Zeit andere Einsiedeleien und Klöster wie die Schalen zu lagern begannen. Als Romuald seine Augen schloß, hatte er das mittlere und nordöstliche Italien mit einem Netze von Siedelungen umsponnen; aber weiter war sein Werk nicht gediehen, es umspannte also nicht einmal ganz Italien, geschweige andere Länder der Christenheit, und machte auch späterhin keine nennenswerten Eroberungen mehr, war also, schon rein räumlich betrachtet, sehr bescheidener Art und konnte sich mit den großen Familien eines hl. Benedikt oder später eines hl. Franz und Dominikus nicht entfernt messen. Und selbst dieser verhältnismäßig sehr enge Kreis romualdinischer Stiftungen schloß sich der hl. Einsiedelei nicht

DIE ÄLTESTEN SATZUNGEN

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sofort an; Valdicastro, wo der Heilige am liebsten geweilt, wo er seine Seele ausgehaucht und seine letzte Ruhestätte gefunden hatte, blieb der Kongregation lange Zeit ferne, und verschiedene Klöster, welche ihr beigetreten waren, rissen sich nach einiger Zeit von ihr los und suchten ihre ursprüngliche Selbständigkeit wieder zu crlangen. Die führende Rolle in der Kongregation spielte aber doch stets die hl. Einsiedelei; ihr verdankte der Verband als solcher sein Leben, da sie als starker Magnet die gleichgesinnten Glieder an sich zog.

Mit der zunehmenden Erweiterung der Kongregation stellte sich von selbst das Bedürfnis ein, die überlieferten Bräuche, welche den neu einverleibten Brüdern ja als Gesetze galten, aufzuzeichnen und allen ans Herz zu legen. Bisher hatte man sich, soweit man mit der Benediktinerregel nicht auskam, an das Vorbild des Stifters gehalten, auch wohl nach den Weisungen gerichtet, welche Peter Damiani für die vom selben Geiste wie Camaldoli beseelte Genossenschaft von Fontavellana entworfen hatte. Rudolph, vierter Prior von Camaldoli (1074-1088), schrieb 1080 die hier herrschenden Übungen zu Nutz und Frommen der ganzen Kongregation in Form von Satzungen nieder", nicht ohne zugleich einige Milderungen eintreten zu lassen; aber auch so legten sie im hohen Schwunge ihrer Forderungen ein erfreuliches Zeugnis davon ab, daß Romualds Geist in den Herzen seiner Söhne noch nicht erloschen war. Das ganze Jahr über fasteten sie an drei, während des Advents und der Fastenzeit an fünf Wochentagen, barfuß in ihren Zellen auf dem Boden sitzend, bei Wasser und Brot; an den übrigen Tagen war Gemüsebrei mit Obst, später an hohen Festen auch Käse, Fisch und Ei gestattet. Fleisch war das ganze Jahr über strengstens verpönt, ebenso ursprünglich der Wein, der aber später an gewissen Tagen gestattet war. Schon kurz nach Mitternacht fanden sie sich im Bethause zum gemeinsamen Chordienste ein, ohne nach seiner Beendigung ihr Lager nochmals aufzusuchen. Der Gebrauch der Orgel war unzulässig, wie es auch untersagt war, den gleichmäßigen Chorgesang mit einer höheren Stimme zu übertönen; einige Brüder, welche hiervon nicht abließen, wurden verstoßen, da es sich für Einsiedler eher zu trauern als zu jubilieren gezieme. Immer gab es auch solche, welche nach dem Vorbilde Romualds für kürzere oder längere Zeit, wenn nicht für immer als Eingeschlossene, inclusi, reclusi in

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