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DER DRUCK

191 sind. Gewiß ist nur, daß er keine Briefe erkor, die den Orden und besonders ihn selbst hätten bloßstellen können. Gerade die für die Geschichte des Ordens bzw. seines eigenen Generalats belangreichsten Stücke, wie die langen, stürmischen Verhandlungen, welche mit seiner Absetzung endeten, seine Rechtfertigung gegenüber seinem Onkel1, seine Beschwerden über den Abt Basilius, die beredtesten Zeugnisse seiner schimpflichen Abhängigkeit und Nachlässigkeit, seine beweglichen Bittgesuche für seinen Leibkoch, seine leidenschaftlichen Äußerungen über Quirin und Justinian, wurden von ihm wohlweislich beiseite gelassen. Wie er aber nicht alle seine Briefe brachte und bringen konnte, so brachte er auch nicht immer alles aus den schon gewählten, sondern legte auch an sie noch die prüfende Sonde an. Er ließ sie keineswegs immer so drucken, wie er sie ursprünglich geschrieben und ins Auslaufbuch eingetragen hatte, sondern nahm nicht selten längere oder kürzere Streichungen vor13 und brachte zuweilen Korrekturen an, welche den Sinn nicht unwesentlich änderten". Natürlich dürfen wir ihn deshalb nicht böswilliger Fälschung bezichtigen, da er als Verfasser immerhin darüber zu befinden hatte, was von seinen Geisteserzeugnissen gedruckt werden sollte, und in welcher Fassung dies zu geschehen habe. Überdies mochte er sich zu solchem Vorgehen um so mehr für berechtigt halten, als er, der echte Humanist, der er stets war und blieb, das Schwergewicht seiner Briefe in ihrer formellen Seite erblickte, im Stil wie im reichen Schmucke an biblischen und klassischen Aussprüchen, die seiner Meinung nach ihren Ehrenplatz immer behaupteten. „Ich hege", schrieb er eben zur Zeit der Drucklegung15,,,das feste Vertrauen, nicht leicht werde es jemand tadelnswert finden, daß ich meine Briefe mit so vielen biblischen Stellen durchwoben habe. Ich tat es in dem Bestreben, in den Spuren der heiligen Lehrer der Kirche zu wandeln, die nichts schrieben, ohne es mit Zeugnissen aus der Hl. Schrift zu belegen. Das übrige mag jeder nach Gutdünken beurteilen und die mönchische Schlichtheit des Stiles beliebig mißachten.“ Eine solche Freude hatte er am Drucke seiner Briefe, daß ihm die Arbeit viel zu langsam vonstatten ging. Wir hinken beide," schrieb er damals16,,,der Drucker und der Verfasser."

Am 1. März 1524 war der Druck endlich vollendet, ein stattlicher Band in Goldschnitt und schmuckem Lederkleid lag in der

Hand des überglücklichen Verfassers wie ein Neugeborenes in den Armen des Vaters. Das erste Blatt trägt auf der Vorderseite den Titel: „Petri Delphini Veneti prioris Sacre Eremi et Generalis totius ordinis Camaldulensis Epistolarum Volumen." Darunter ein ausdrucksvolles Bild, welches den hl. Romuald darstellt, aufrecht inmitten hochragender Tannen, in der Rechten das Regelbuch, in der Linken ein von dichten Bäumen umrauschtes Kirchlein, vor ihm auf den Knien Peter Delfin mit gefalteten Händen, ihm zu Häupten das Camaldulenserwappen: zwei Tauben, die aus einem Kelche trinken, über dem Kelche ein Stern. Kelch und Tauben von stilisierten Delphinen umschlungen, das Ganze von einer herrlichen Bordüre umrahmt. Auf der Rückseite aber entbeut Jakob von Brescia, Prior von S. Martin zu Oderzo, dem Leser seinen Gruß und erklärt ihm in einem kurzen Vorworte, um seiner ganz besonderen Verehrung für den heiligen Wandel und das ehrwürdige Alter des Generals willen habe er seine Briefe aus mehreren Bänden auswählen und auf eigene Kosten drucken lassen, in der Hoffnung, daß sie ob ihres vielseitigen Inhaltes und gefälligen Stils nicht wenigen zur Erbauung und Belehrung gereichen, zumal da sie, häufig von biblischen Aussprüchen durchflochten, reichliche Seelennahrung gewährten. Das Werk, äußerst selten geworden und daher hoch im Preise", umfaßt zwölf Bücher, jedes Buch hundert Briefe; der schöne, deutliche Druck macht der Werkstätte des venezianischen Meisters Bernhardin Benalio alle Ehre, wenn er auch zahlreiche Versehen aufweist und in der Numerierung der Briefe nicht selten irrt. Der erste Brief ist am 15. Dezember 1480 an Bischof Peter Barozzi, der letzte am 9. Februar 1524 an Abt Euseb Prioli gerichtet. Da nun das Auslaufbuch in seinem fünften und letzten Teile schon mit dem 9. August 1517 endet, so stellen die Briefe, welche die Druckausgabe darüber hinaus, also vom 9. August 1517 bis zum 9. Februar 1524, noch enthält, einhundertsiebenundvierzig an Zahl, eine dankenswerte Ergänzung der handschriftlichen Sammlung dar und wären ohne den Druck wohl überhaupt nicht mehr erhalten.

Wie wir schon sahen, berücksichtigte Delfin in seiner für den Druck bestimmten Auslese nur die aus der Zeit des Generalats (1480-1524) stammenden Briefe; die Schreiben vor dem Generalate (1462-1480) ließ er unbeachtet, obschon sie, wenn sie auch

DIE VORGENERALATSBRIEFE

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für die auswärtigen Klöster nicht den lebendigen Reiz der Generalatsbriefe hatten, hinter diesen, soweit die Vorzüge des Stils und der Erbaulichkeit des Inhalts in Betracht kamen, keineswegs zurückstanden. Auch sie waren längst gesammelt und wurden in S. Matthias zu Murano aufbewahrt18; zusammen mit den fünf Bänden des Generalats besaß man also sechs Briefbände, welche das gesamte Ordensleben Delfins umfaßten. In diesem Sinne schrieb er selbst an seinen Vetter Zacharias Morosini: ,,Du hast alle Briefe meines Generalats gelesen, fünf Bände meiner Torheiten. Wenn Du nun auch noch den sechsten Band mit den Schreiben vor dem Generalate durchgehst, so bist Du nicht nur in all mein Tun, sondern beinahe auch in all mein Wollen und Denken eingeweiht. Darauf hast Du jedoch vor allen anderen Anspruch, weil Du mich vor allen anderen liebst1."

So nahe nun auch der Gedanke gelegen hätte, die Vorgeneralatsbriefe von S. Matthias und die Generalatsbriefe von Fontebuona zu einer großen, einheitlichen Briefsammlung zusammenzufassen, so ward er doch niemals verwirklicht. Delfin selbst war dazu nicht mehr imstande; er mußte zufrieden sein, wenigstens den Druck seiner Auswahl erlebt zu haben. Wohl ging man in Venedig nach seinem Tode daran, das bisher Versäumte nachzuholen; allein nun hatte man die nötigen Unterlagen nicht mehr zur Verfügung. Zwar hatte Delfin im Sommer 1511 seinem Verehrer Euseb Prioli, damals Mönch in S. Michael, in Aussicht gestellt, er werde bei seinem nächsten Besuche den dritten Band seiner Briefe mitbringen, auf daß er neben den schon früher gesandten daselbst aufbewahrt werde20. Er selbst aber hatte sich zur Herstellung der Druckausgabe der Bände von Camaldoli bedient, welche nachher zurückgeschickt wurden, ohne daß der eigene venezianische Bestand ergänzt und vervollständigt worden wäre. Man konnte daher in Venedig nur eine Abschrift anfertigen, welche die Vorgeneralatsbriefe und die Schreiben der ersten drei Generalatsbände enthielt, also keine vollständige Sammlung, sondern nur ein, wenn auch noch so beträchtliches Bruchstück darstellte, wie es uns in Cod. XCII, CI. XI der Bibliotheca Marciana zu Venedig, Manoscritti Marciani 3828 Provenienza S. Michele di Murano vorliegt. Dieser Cod. XCII ist ein gewaltiger Folioband mit 3168 von einer Hand geschriebenen Briefen auf 1288 Seiten. S. 1 bis 95 stehen die Briefe der Vor13 Schnitzer, Peter Delfin

generalatszeit unter dem Titel: „Fragmentum Epistolarum D. Petri Delphini Ordinis Cam a l. sero ad manus perventum ne pereat. Annorumque servato ordine merito hic apponen. Placuit." S. 95 folgt ein Verzeichnis der Briefempfänger, nur vierzehn Namen. Hierauf beginnt eine neue Seitenzählung mit der Überschrift:,,D. Petri Delphini Veneti, Generalis Camald., Epistolarum Tomus Primus Liber I." Statt ,,Tomus Primus" sollte es jedoch,,Pars Prima" heißen; denn ihr entspricht später eine,,Pars Secunda“ und „Pars Tertia". Jeder dieser drei Teile zerfällt in zehn Bücher, jedes Buch in hundert Briefe, so daß hier dreitausend Briefe geboten sind. Zeitlich reicht Pars I vom 15. Dezember 1480 bis 7. Oktober 1491; Pars II vom 4. Februar 1492 bis 30. Dezember 1498; Pars III vom 2. November 1498 bis 25. Juni 1505.

Der Schreiber bemerkt am Schlusse des dritten Teiles:,,Finis Epistolarum tertiae partis Rmi D. Petri Delphini, patritii Veneti, Generalis Ord. Camal. Reliquas vero usque ad annum 1524 non potui invenire, nisi in volumine impresso anno 1524 prima Martii." Beigegeben sind dann noch verschiedene Reden und Ansprachen, welche Delfin bei Kapitelsversammlungen und vor den Päpsten von Sixtus IV. bis Leo X. hielt, endlich Reden Traversaris vor dem Konzile von Basel und vor Kaiser Sigismund. Wie ersichtlich, kennt der Schreiber die Druckausgabe; er macht alle hier aufgenommenen Stücke in seiner Sammlung in der Weise kenntlich, daß er dem entsprechenden Briefe das Buch und die Nummer des Druckes beifügt, wie er auch etwaige Auslassungen des Druckes durch rote Klammern und das Wort: ,,Vacat“ am Rande kennzeichnet.

Eine Nachlese ungedruckter Briefe Delfins veranstaltete J. Mabillon, der berühmte Mauriner, als er 1686 auf seiner italienischen Reise auch nach Venedig kam. Die vier Briefbände, auf welche er in der heiligen Einsiedelei stieß, gewährten ihm reiche Ausbeute; er entlehnte ihnen vierundsiebzig Schreiben, darunter die ausführlichen Berichte, welche Delfin 1513 seinen venezianischen Getreuen Jakob von Brescia und Euseb Prioli über die Unbilden und Verfolgungen, denen er von seiten Quirins und Justinians ausgesetzt war, erstattete. In Venedig nahm er von den einhundertsiebenundsechzig Vorgeneralatsbriefen Abschrift, welche er in der Bibliothek des Klosters S. Matthias auf

DIE NACHLESE MABILLONS

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Murano aufgestöbert hatte". Alle diese Stücke, zweihundertzweiundvierzig an Zahl23, wurden dann später von seinen Ordensgenossen Martène und Durand, durch eine dankenswerte Einführung in das Leben und Wirken sowie in das Schrifttum Delfins bereichert, der Gelehrtenwelt zugänglich gemacht".

Delfins Briefen wird nicht nur Glanz und Schönheit, Anmut und Gefälligkeit der Sprache sowie eine Fülle biblischer und dichterischer Aussprüche, sondern ganz besonders auch Reichhaltigkeit des Inhalts an wertvollen Nachrichten über die kirchenund weltgeschichtlichen Ereignisse seiner Zeit nachgerühmt25. Bedenkt man, daß er beinahe ein halbes Jahrhundert hindurch an der Spitze eines weitverzweigten Ordens stand; erwägt man ferner, daß er jahrzehntelang das volle Vertrauen des Kardinals Piccolomini genoß, mit welchem er nicht bloß beständigen schriftlichen, keineswegs nur amtlichen, sondern wiederholt auch persönlichen Verkehr pflog; berücksichtigt man überdies, daß er auch zu anderen einflußreichen Männern des römischen Hofes, besonders zu seinem Prokurator Mariano Cuccini, welcher sich des größten Ansehens an der Kurie erfreute, lebhafte Beziehungen unterhielt; vergegenwärtigt man sich, daß er wiederholt auch selbst längere oder kürzere Zeit in Rom weilte, einen nicht geringen Teil des Jahres bald in Florenz, bald in Venedig, den Heimstätten kirchlichen und politischen Ränkespiels, zubrachte, mit den venezianischen Botschaftern, seinen Landsleuten und Freunden, welche in die geheimsten Machenschaften der fürstlichen Höfe, an erster Stelle des römischen, eingeweiht waren, auf vertrautestem Fuße lebte, endlich durch Boten aus den wichtigsten Stätten seines Ordens über alle nur einigermaßen wichtigen Vorfälle auf dem laufenden erhalten wurde, so läßt sich unschwer erkennen, welch unermeßlichen Stoff kostbarster zeitgeschichtlicher Nachrichten er aufzuhäufen und der Nachwelt zu überliefern in der Lage war. Er reichte noch in die Zeiten der heißen Kämpfe Sixtus' IV. mit den Medici zurück, die Pontifikate Innozen z' VIII., Alexanders VI., Julius' II., Leos X., Hadrians VI. hatte er vollständig miterlebt, die furchtbaren Jahrzehnte, welche über das Schicksal der abendländischen Christenheit auf Jahrhunderte hinein entschieden. Ein Mann der Feder durch Beruf und Neigung, der, wie wir sahen, nicht weniger als viertausend Briefe hinterließ,

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