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ausrufen: „Ich trage die Wundmale Jesu an meinem Leibe" (Gal. 6, 17). Wenn ihm Piccolomini in seiner Güte den Rat gebe, nicht allzu streng gegen sich selbst zu sein, so dürfe er gestehen, auf zu große Enthaltsamkeit niemals bedacht gewesen zu sein, er müsse sogar bekennen, daß er in Anbetracht seiner Stellung als Oberhaupt der Mönche und erst gar als Prior der Einsiedelei allzu üppig lebe, ja geradezu schwelge. So war es kein Wunder, daß ihm sein paduanischer Leibkoch so sehr am Herzen lag; der General spielte aber freilich eine jämmerliche Rolle, wenn er, der Nachfolger jenes hl. Romuald, welcher den größten Teil des Jahres bei Wasser und Brot gefastet hatte, ohne seinen Küchenmeister nicht leben zu können beteuerte und vor Papst und Kardinälen kniefällig um Erbarmen mit einem Menschen bettelte, nach welchem sogar das Zuchthaus schon seine Krallen ausstreckte! Mit Rücksicht auf die Lauheit der Zeit, welche die alte Strenge nicht mehr zu ertragen vermöge, glaubte er, verschiedene Milderungen eintreten lassen zu müssen, durch welche er ernste Gemüter viel mehr abstieß als anzog; nicht ihm, der als lauer Konventuale gern beide Augen zudrückte, sondern den strengen Observanten, einem Justinian, einem Cajetan von Tiene, einem Carafa, welche die härtesten Anforderungen stellten, flogen die Seelen zu. Aller religiösen Wärme, jeglichen Schwunges bar, vermochte er das Feuer nicht an andere abzugeben, das er selbst nicht besaß, vermochte er die Herzen nicht zu erwärmen und mit jener tiefen christlichen Frömmigkeit, mit jener alles verzehrenden Begeisterung zu entflammen, welche die Welt mit sich fortreißt. Nicht ein Funke echter christlicher Liebe glühte in ihm. Er hatte keine Zunge, nur eine Feder, und auch sie war nur in wässerige Tinte, niemals in Herzblut getaucht. Von ergreifenden Kanzelvorträgen oder frommen Ansprachen, die er zur Erbauung, inneren Stärkung und Belehrung seiner geistigen Kinder gehalten hätte, um ihnen als liebender, fürsorgender Vater das Brot des ewigen Lebens zu brechen, hören wir nichts; wie er selbst kein Prediger war, so hielt er auch seine Söhne nicht zum Predigen an, verbot ihnen vielmehr ausdrücklich, in fremden Kirchen zu predigen. Delfin war kein Geistesmann, er war viel zu seicht und oberflächlich dazu; er kannte zwar Bibelsprüche, drang aber niemals in die Seele der biblischen, der prophetischen, der christlichen Frömmigkeit ein. Er war kein Theologe, weder in der

DIE BRIEFE

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Welt der Kirchenväter noch in den stolzen Lehrgebäuden der Scholastik war er zu Hause. Er war kein Verwaltungsmensch; es fehlte ihm alle organisatorische Anlage, ebenso Sinn und Neigung für wirtschaftliche Geschäftsführung. Was war er denn dann? Er war nur Humanist, und auch das war er nicht ganz,

hatte nicht den Mut zu einer gründlichen humanistischen Wissenschaft, wie sie einst sein größerer Vorgänger Traversari besaß. Er hatte nur Dichterstellen, Redensarten, Worte, Worte. So galt von ihm das Apostelwort:,,Wenn ich in Menschen- und Engelssprachen rede, habe aber die Liebe nicht, so bin ich nichts als ein tönendes Erz und ein schallendes Becken" (1. Kor. 13, 1).

VS

EN PET

DELPHIN

GENER

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Aus Mittarelli Costadoni, Annales Camald.,
T. VIII, S. 59

K. DIE BRIEFE.

Als General seines Ordens hatte Delfin den schriftlichen Amtsverkehr zu erledigen, wie ihn die mancherlei Ereignisse im Leben der ihm unterstellten Genossenschaft, der Eintritt, Austritt und Tod der Ordensglieder, ihre Zulassung zu den Gelübden, ihre Überwachung, Leitung, Zurechtweisung und Bestrafung, die Sorge für die heilige Einsiedelei, die Gründung neuer Klöster und die Bewahrung der alten, ihrer Gerechtsame, Einkünfte und Pfründen, die verschiedensten Anliegen, Bedürfnisse, Kümmernisse und

Nöte der einzelnen Ordensgemeinden, die Bestellung ihrer Oberen, die Einsetzung würdiger und die Absetzung unwürdiger Vorgesetzter mit sich brachten. Mit Päpsten, Kardinälen und Bischöfen, mit vornehmen weltlichen Machthabern und Würdenträgern und einfache»: Bürgern und Laien, mit den verschiedensten Behörden und Ämtern, kurz, mit Personen aller Rang- und Gesellschaftsklassen, aller Bildungsstufen und jedes Geschlechtes galt es zu verhandeln. Es galt, Bittgesuche, Beschwerden und Klagen an höhere kirchliche und weltliche Stellen zu richten, aber auch solche von Untergebenen entgegenzunehmen, Streitigkeiten zu schlichten, drohende Übel und Gefahren abzuwenden - lauter Aufgaben, die ein ungewöhnliches Maß von Erfahrung, Menschenkenntnis, Klugheit und Geschäftsgewandtheit erforderten. Wenn nun auch der Orden des hl. Romuald nur eine bescheidene räumliche Ausdehnung hatte, so war er doch immerhin groß genug, um einen sehr lebhaften Verkehr der zahlreichen Klöster mit der Ordensleitung in Camaldoli nötig zu machen. Wohl wenige Tage vergingen hier, ohne daß sich nicht Boten mit mündlichen oder schriftlichen Aufträgen eingestellt hätten, und wo man auch sein Auge hinschweifen ließ, konnte man die Wege und Stege, die Fontebuona mit der Außenwelt verbanden, mit den Sendlingen bevölkert sehen, welche den Willen des Generals in die Ferne trugen. Außerordentlich beklagenswert ist es, daß die Masse der an den General von außen eingelaufenen Schriftstücke nicht mehr erhalten ist, nach ihrer Erledigung sorglos der Vernichtung anheimgegeben'. Wie der Einlauf, so ging auch der Auslauf verloren; die vom Generale in Beantwortung der an ihn gerichteten Schreiben hinausgegebenen Originalbescheide sind in alle Winde zerstreut, mögen auch zum Teile noch in entlegenen Kloster-, Gemeinde- oder Liebhaberarchiven und -büchereien ein verborgenes Dasein führen. Aber wenn uns der Auslauf auch nicht mehr in den für die Empfänger bestimmten Urschreiben überkommen ist, so liegt er uns doch in den Abschriften vor, welche vor der Absendung von diesen Briefen genommen wurden. Kam es doch nicht selten vor, daß letztere bei der allgemeinen Unsicherheit der Verkehrsverhältnisse schon in Friedens- und noch mehr in Kriegszeiten unterwegs verlorengingen und dann vom General neu ausgestellt werden mußten. Der schriftliche Verkehr wickelte sich also in der Weise ab, daß der General die Antwort auf die

DAS AUSLAUFBUCH

eingegangenen Schreiben abfaßte und dem Boten zur Übermittélung an den Empfänger aushändigte; zuvor aber trug er sie in zeitlicher Reihenfolge in das große Auslaufbuch ein, aus welchem etwa nötige Neuausfertigungen leicht hergestellt werden konnten. Für gewöhnlich schrieb Delfin die Briefe sowie die Einträge in das Auslaufbuch selbst; nur wenn er durch Gicht daran gehindert war, was in späteren Jahren öfter der Fall war, diktierte er sie seinen Schreibern, deren er beständig zwei bis drei um sich hatte, in die Feder3. Das von Delfin geführte Auslaufbuch, zum allergrößten Teile von seiner eigenen zierlichen, sehr gut lesbaren Hand, nur selten in fremden Zügen geschrieben, sauber gehalten und mit unverkennbarer Sorgfalt angelegt, ist uns nun in den vier dicken Foliobänden Manoscritti Conventi E 3, 405 der Nationalbibliothek zu Florenz überliefert, wohin es bei Aufhebung Fontebuonas mit den anderen kostbaren Schätzen dieses Klosters gewandert war. Bei näherer Prüfung ergibt sich jedoch, daß der erste Band aus zwei, irrtümlich zusammengebundenen Teilen (= la und Ib) besteht; das Gesamtwerk setzt sich also in Wirklichkeit aus fünf Teilen zusammen, welche die folgenden Zeiträume umspannen:

I. (= Ia) vom 15. Dezember 1480 bis 4. Februar 1492;
II. vom 4. Februar 1492 bis 30. Dezember 1498;
III. vom 2. November 1498 bis 25. Juni 1505;
IV. vom 25. Juni 1505 bis 13. Juni 1513;

V. (= Ib) vom 13. Juni 1513 bis 9. August 1517.

Wie ersichtlich, umfassen die ersten vier Teile die Zeit des Generalats von der Wahl (10. Dezember 1480) bis zur Absetzung (13. Juni 1513); die Briefe des fünften Teils sind meist nur mehr persönlichen Inhalts, obschon Delfin den Titel General über den ganzen Orden und die Amtsgewalt eines solchen wenigstens über die Konventualen beibehalten hatte, amtliche Schreiben also auch noch nach dem 13. Juni 1513 ausgeben konnte. Daran, daß die Bände der florentinischen Nationalbibliothek das eigenhändig geschriebene Auslaufbuch Delfins darstellen, kann kein Zweifel obwalten Bemerkungen am Rande, von der Hand des Textes geschrieben, Änderungen in diesem selbst, wie sie nur der Verfasser vornehmen konnte, beweisen es.

Delfin fertigte im Winter 1515/16 zu den damals abgeschlossenen vier Bänden seiner Generalatsbriefe der fünfte war damals

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noch im Werden begriffen ein alphabetisches Personenverzeichnis an, wobei er sich, wie er selbst bemerkte, gar manches wieder ins Gedächtnis zurückrief, was ihm im Laufe der Jahre entfallen war. Im Jahre 1520 erbot sich ihm der Einsiedler Justinian von Bergamo, seine Briefe in verbesserter Gestalt dem Drucke zu übergeben, ein Vorschlag, der jedoch nicht zur Ausführung kam. Mehr Erfolg hatte das Anerbieten des Priors von Oderzo bei Padua, die Kosten für den Druck eines Teiles der Briefe zu tragen. Jakob von Brescia, ein besonderer Verehrer des Generals, Schüler des früh verstorbenen Bernhardin Gadolo, war zum Mäzen allerdings wie geschaffen, da er als Inhaber einer der fettesten Ordenspfründen mit Geld reich gesegnet war. Noch vor kurzem war er mit Mühe einem mörderischen Anschlage entronnen, welchen habgierige Mönche von S. Michael auf ihn unternommen hatten; und als er 1539 starb, hinterließ er ein so großes Vermögen, daß Paul III. durch Breve vom 30. Januar 1539 verfügte, es dürfe nur zur Hälfte an einen Verwandten fallen, die andere Hälfte müsse für den Türkenkrieg verwendet werden. Ursprünglich hatte Delfin, obschon seine Briefe, seiner eigenen Erklärung gemäß, dazu dienten, der Nachwelt Kunde von den Ordensbegebenheiten zu hinterlassen, mit Rücksicht auf ihren meist unerfreulichen Inhalt, welcher Übelgesinnten leicht zum Anstoße gereichen konnte, von ihrer Sammlung und Veröffentlichung nichts wissen wollen, um nicht der Verleumdung zum Opfer zu fallend. Dieses Bedenken ward jedoch hinfällig, wenn er selbst eine vorsichtige Auslese traf, und da Prior Jakob hiermit einverstanden war, so nahm Delfin sein Angebot freudig an. Um den Drucker nicht feiern zu lassen, stellte er andere, weniger dringende schriftstellerische Arbeiten zurück und machte sich sofort mit Feuereifer an die Durchsicht seines gesamten massenhaften Briefverkehrs, eine beschwerliche und mühevolle Arbeit, wie er sie nannte1o. Der Maßstab, welchen er bei seiner Auswahl anlegte, ist schwer zu erkennen. Man möchte freilich vermuten, er habe sein Augenmerk vor allem auf die Briefe geworfen, welche den wichtigsten Inhalt hatten und das hellste Licht auf die Zeitereignisse in Kirche und Welt warfen11. Indes kann dieser Gesichtspunkt den Verfasser unmöglich geleitet haben, da die uns von ihm vorgelegten Schreiben zum guten Teile ohne allgemeine Bedeutung

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