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QUIRIN IM VATIKAN

171 emsigste pflog, um sie von ihrem für die Ruhe Italiens, ja des Abendlandes gleich gefährlichen Bündnisse abzubringen, welches sie soeben noch am 23. März 1513 zu Blois mit Ludwig XII. von Frankreich geschlossen hatten. Julian freilich, des Papstes Bruder, war seinerseits, durch glänzende Versprechungen gewonnen, für Frankreich, und da er sich eben deshalb mit den Vertrautesten Seiner Heiligkeit, den Kardinälen Bibiena" und Medici, nicht verständigen konnte, so schloß er sich nur um so inniger und vertrauensvoller an Quirin an und wetteiferte mit seinem Bruder in Gunstbezeigungen für den Einsiedler von Camaldoli, der der Welt und all ihren Händeln hatte entrinnen wollen und sich nun tiefer denn je in sie verstrickt sah. Um den gewiegten Politiker stets bei der Hand zu haben, wies ihm Leo X. seine Wohnung im Vatikan an, und um das Gewicht seiner Stimme zu verstärken, war er fest entschlossen, ihn bei nächster Gelegenheit mit dem Purpur zu schmücken, ein Vorhaben, welches den vollsten Beifall nicht bloß Julians, sondern auch der Venezianer" hatte. Nur einer war darüber höchst ungehalten, der ehrgeizige Peter Bembo, welcher fieberhaft nach dem roten Hute gierte und ihn, da der Papst zwei Venezianer auf einmal nicht wohl erheben werde und könne, zu verlieren fürchtete, wenn ihn Quirin gewann. Aus ganz anderen Gründen war Justinian gegen die Erhöhung des Freundes. Er sehnte sich nach ihm und wünschte ihn wieder bei sich in der Einsiedelei zu haben, um sich seines weisen Rates und Beistandes in Förderung ihrer hohen Ziele zu erfreuen, glaubte überhaupt nicht an den vollen Ernst der päpstlichen Absicht. Wenn Du", schrieb er an ihn,,,das Dir zugedachte Amt eines Visitators nicht übernehmen willst, so wirst Du auch nicht dazu gewählt werden, hab' keine Sorge. Im übrigen scheint es mir nicht Brauch des römischen Hofes zu sein, Einsiedler zu Kardinälen zu machen, noch scheint mir der gegenwärtige Papst der Mann zu sein, diese Sitte einzuführen, denn nach seiner bisherigen Gepflogenheit zu urteilen, wird er seine Verwandten mit dem roten Hute beschenken, vornehme Weltleute und nicht Menschen Eures Schlages. Die Venezianer aber werden Euch diese Würde nicht gönnen, sondern andere vorschlagen, besonders da Ihr den Frieden noch nicht geschlossen habt, der sich noch im letzten Augenblicke zerschlagen kann. Ich glaube also, Ihr ängstiget Euch, wo kein Grund zur Angst ist." Justinian

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mußte freilich zugleich gestehen, daß viele anderer Ansicht waren und ihn tadelten, weil er ihm vom Kardinalate abrate, in welchem der Freund so Ersprießliches für die Kirchenreform wirken könnte eine Auffassung, welche besonders von dem frommen Reklusen Michael geteilt wurde. Justinian wagte es daher nicht mehr, ihm so ohne weiteres vom roten Hute, mit welchem ihn schon ganz Camaldoli geschmückt sah, abzuraten; aber er machte ihm kein Hehl daraus, daß er in Angst und Furcht um ihn schwebe, weshalb er ihn bezeichnenderweise bat, doch ja sehr auf der Hut zu sein, daß ihm nicht durch Eisen oder Gift Unheil zustoße50. Dagegen konnte Quirin berichten, nicht nur der Papst, sondern auch die Venezianer seien auf seine Erhebung versessen. ,,Gott bediente sich meiner als Werkzeug, um beide Teile zu befriedigen und einander näher zu bringen, als sie selbst dachten, und deshalb denken sie an meine Ernennung zum Kardinale. Betet für mich und laßt für mich beten und besuchet Julian's und erwirkt mir bei ihm die Erlaubnis zur Rückkehr in die Einsiedelei, ich möchte dann Rekluse werden." Ergibt sich schon hieraus die Richtung, in welcher Quirin den Papst politisch beeinflußte, so erhellt aus weiteren Andeutungen, daß jedenfalls die Vereinigung aller Herrscher des Abendlandes zum gemeinsamen Kreuzzuge gegen die Ungläubigen in ihm einen warmen Fürsprecher hatte.,,In Ungarn", teilte er dem Freunde mit, ..hat sich das Volk gegen die Prälaten und Adeligen erhoben. Der Papst will mich in diesen Dingen hören, und so kann ich nicht von hier loskommen. Ich verlasse mich ganz auf Julian und Euch. Für Julian bin ich von solchem Nutzen, daß ich fürchte, er läßt sich durch seinen Vorteil bestimmen. Er hat niemanden in der Umgebung des Papstes, der seine Belange verträte und das Vertrauen des Papstes besäße, als den Bibiena und mich, und auch Bibiena ist auf der Hut, mit Rücksicht auf den Verdacht des Papstes. Dieser denkt mehr als je an den Krieg gegen die Ungläubigen und unterhält sich mit mir darüber. Bem bo ist so schlecht auf mich zu sprechen, daß ich nicht weiß, was ich sagen soll." Daß allerdings auf Julian am allerwenigsten zu rechnen war, wenn es galt, Quirin für die Einsiedelei zurückzugewinnen, davon konnte sich Justinian gelegentlich des Besuches überzeugen, welchen der Medici in Camaldoli machte, und über welchen er den Freund sofort unterrichtete. Julian", meldete

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QUIRINS TODESSEHNSUCHT

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ers,,,kam am letzten Samstag vor der Messe hierher, blieb den ganzen Tag wie die folgende Nacht hier und ging erst am Sonntag nach der Messe. Er war an jenem Tage etwa sechs Stunden mit mir allein zusammen, schlief in der Nacht in Eurer Zelle und wollte, daß auch ich dort schlafe. Unsere Unterhaltung drehte sich hauptsächlich um Euch, ich bat ihn, Euch die Erlaubnis zur Rückkehr in die Einsiedelei zu verschaffen und vor dem Kardinalate zu bewahren. Er erwiderte, Ihr seied beim Papste so beliebt und habet ihm so große Dienste erwiesen, daß er Euch niemals ziehen lassen werde; er selbst aber hege keinen heißeren Wunsch als Eure Ausstattung mit dem roten Hute. Die Einsiedler richten ein gemeinsames Bittgesuch an den Papst, er möge Euch Urlaub gewähren." Je mehr sich jedoch die Schlingen, welche ihn für immer an die Kurie fesseln sollten, um ihn zusammenzogen, desto inbrünstiger wuchs Quirins Sehnsucht nach der seligen Ruhe Camaldolis oder des Himmels. „Die Venezianer", berichtete er58,,,beginnen mich zu bitten und haben mich für das Kardinalat in Aussicht genommen. Schon ist die ganze Stadt von meiner Erhebung voll, die einen loben, die anderen beneiden mich oder beklagen sich, ich hätte ihnen die Beute entrissen, wie Bembo. Der Papst will mir die erbetene Erlaubnis zur Abreise nicht geben. Ich bin darüber ganz bestürzt und weiß nicht, was ich sagen soll. Um wieviel besser wäre es, diese törichte und elende Welt ganz zu verlassen! Ich weiß, daß die Kardinals würde unendliche Mühen nicht nur für den Leib, sondern auch für die Seele mit sich bringt, man müßte mehr für andere als für sich selbst sorgen. Und dann halte ich es für sicher und gewiß, daß die Kirche zu leiden hat, und daß der gegenwärtige Papst noch bei Lebzeiten Gegenstand der Verfolgung sein wird, da er gut und bedächtig ist, und zuweilen treibt es mich, mit ihm zu leiden, dann wieder hält mich das Bewußtsein meiner Unfähigkeit zurück. So viele Schlingen sind da versteckt, daß ich nicht glaube, ihnen entrinnen zu können, wenn nicht unvermutete Hilfe kommt. Bembo beklagt sich bitter über mich, ich sei nur dazu aus der Einsiedelei hierhergegangen, um ihm den roten Hut zu entreißen. Betet für mich, daß mich viel lieber der Tod erlöse, als daß ich etwas unternehme, was Gott mißfällt, ich möchte lieber im Himmel sein. Wenn ich diesen Netzen entrinne, so lasse ich mich einschließen. Welcher Gegen

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satz: bald Kardinal, dann wieder Rekluse! Ich bin gesund und faste zweimal in der Woche bei Wasser und Brot."

Rascher, als er es dachte, sollte Quirins Himmelssehnsucht gestillt sein. Ein Brustleiden warf ihn aufs Krankenlager, häufiges Blutbrechen ließ an der Gefährlichkeit seines Zustandes keinen Zweifel. Man brachte ihn aus dem Vatikan nach S. Silvester, nahe dem Quirinale, wo die Dominikaner von S. Marco aus Florenz seit kurzem eine Niederlassung gegründet hatten. Zenob Acciaiuoli, der berühmte Humanist und Bibliothekar Leos X., stand dem Hause vor und setzte Delfin von dem hoffnungslosen Befinden seines Ordensgenossen in Kenntnis. Der General dankte ihm für die liebevolle Aufnahme, welche er dem Kranken habe angedeihen lassen, der bei seinen Eltern, wenn sie noch am Leben wären, keine sorgsamere Pflege hätte finden können. Auch Quirin selbst richtete ein Schreiben,,voll Demut und Reue" an seinen Oberen, wie dieser versichertes, und bat um Verzeihung ob der vergangenen Unbilden. Delfin wünschte ihm gute Besserung, es sei ihm längst alles vergeben. In den Armen seines eiligst herbeigerufenen Freundes Justinian und unter den Gebeten der geistigen Söhne Savonarolas hauchte Quirin am 23. September 1514 seine Seele aus. Delfin mahnte zum Gebete für die Ruhe dessen, der sie im Leben anderen geraubt habe, Alexander Pazzi aber, der Bruder des vor kurzem verstorbenen Erzbischofs Cosimo Pazzi von Florenz, beweinte mit warmen Worten den Heimgang des frommen Einsiedlers, der den schmerzlichsten Verlust für die ganze Kirche bedeute®. Justinian hatte im Sinne, sein, sowie Paul Canales Leben zu schreiben, unterließ es aber leider, da ihm die Aufgabe zu schwer schien.

J. DIE LETZTEN LEBENSJAHRE.

Mit schwerem Herzen schied Delfin aus Fontebuona und mit noch schwererem aus,,seiner" Musolea. Zunächst schien es, als wolle er sein Zelt fortan in S. Benedikt bei Florenz aufschlagen, welches ihm um seiner gesunden und reizenden Lage willen stets ganz besonders gefallen hatte.,,Dies wird meine Ruhestätte sein, solange es dem Herrn roch gefällt," rief er aus1,,,hier will ich

DELFIN IN VENEDIG

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wohnen; denn sie erkor ich mir" (Ps. 131, 14). Die Brüder von S. Benedikt ließen es ihm an Aufmerksamkeit nicht fehlen; sie richteten für ihn und seine aus drei bis vier Köpfen bestehende Dienerschaft eigene Räume her, er gestand selbst, daß er eine bequemere Wohnung als hier nicht begehre. Gleichwohl hielt er es nicht lange hier aus. Noch im Herbste 1514 begab er sich nach Venedig, um sich in S. Michael eine Art Austragsstübchen zu besorgen, welches er jedoch zu seiner Betrübnis erst im Sommer 1515 beziehen konnte2. Kaum hatte er sich hier mit seinem Gefolge behaglich eingerichtet, als er, von dem ihm treu ergebenen deutschen Ordensgenossen Matthias zur Rückkehr nach Toskana aufgefordert, trotz der Warnung seines Vetters Zacharias Morosini im Herbste 1516 aufs neue zum Wanderstabe griff. Den ganzen folgenden Winter 1516/17 brachte er in S. Benedikt zu, erst im Frühjahre 1517 suchte er sein venezianisches Heim wieder auf".

Da ihm der Aufenthalt oder auch nur der Besuch in Fontebuona und Musolea verboten war, so hatte er sich während seiner Anwesenheit zu Florenz im Winter 1516/17 die Freude eines Ausfluges nach den Orten, an welchen trotz mancher schmerzlichen Erinnerungen doch immer ein Teil seines Herzens und Lebens hing, versagen müssen. Um so häufiger legten seine Gedanken den Weg dahin zurück. Paul Justinian, der führende Mann der Einsiedelei, hatte ihm die Hand zur Versöhnung gereicht. Gelegentlich des Generalkapitels von Ravenna 1516 traf er wiederholt mit ihm in S. Michael auf Murano zu erbaulichen Unterredungen zusammen, von welchen er nur bedauerte, daß sie immer wieder durch den Besuch seiner Verwandten unterbrochen wurden. Aufs dringendste lud er den Greis in Briefen voll warmer Lobeserhebungen in die Einsiedelei ein', die in edeln Venezianern, Männern wie Nikolaus und Dominikus Trevisan und Augustin von Bassano, neuen kostbaren Zuwachs erfahren hatte. Daß dieser Ruf keine leere Förmlichkeit war, lehrte das Breve, welches er ihm ungebeten und aus freien Stücken erwirkte, und welches die Erlaubnis enthielt, so oft er nur wolle, in Fontebuona und Musolea einzukehren; und zur Erhöhung der Freude war ein vollkommener Ablaß für die Einsiedler, Mönche und alle Begleiter des Generals gewährt, welche am Tage seiner Rückkehr ihr Gebet in der Kirche der Einsiedelei

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