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im Gegenteile ohne Durchgang durchs Kloster unmittelbar von der Welt her in die Einsiedelei aufnehmen, wandte sich Delfin mit der gehässigen, Männern wie Quirin und Justinian gegenüber kränkenden Bemerkung, wenn man diesem Vorschlage stattgäbe, so sänke die Einsiedelei gar bald zum lauen Konventualismus herab. Solange diese noch gering an Zahl gewesen sei, habe sie in schönster Blüte gestanden; seit dem Eintritte der Laien aber - Quirin, Justinian und Giorgi!-sei es sofort bergab gegangen13, eine Angabe, welche durch Delfins eigene begeisterte Zeugnisse, wie er sie seinen ja nur von ihm selbst zugelassenen und mit Jubel begrüßten Landsleuten ausgestellt hatte, widerlegt ward. Er wagte sogar zu behaupten, wenn er nicht gewesen wäre und sich den Einsiedlern wie eine Mauer entgegengestemmt hätte, so verdiente die Einsiedelei ihren Namen überhaupt nicht mehr, sondern hätte sich in eine Stätte der Uppigkeit und Prasserei verwandelt! Da der General auf dem Kapitel in der Minderheit blieb, so war er auf dieses begreiflicherweise sehr schlecht zu sprechen20; über eine Vergewaltigung konnte er sich gleichwohl nicht beschweren, da ihm Quirin nachher die notariellen Aufzeichnungen mit der Ermächtigung überließ, sie nach Belieben zu ändern oder zu verbessern, die Beschlüsse würden in Rom ja doch nur in der von ihnen, den Einsiedlern, vorgelegten Fassung bestätigt". Delfin ließ sich dies nicht zweimal gesagt sein und brachte ausgiebige Randbemerkungen an, wie er selbst hervorhob". So wurden die Beschlüsse von Leo X. am 4. Juli 1513 in einer feierlichen Bulle genehmigt, dem Privilegium Leonianum23, worin dem Orden auf Quirins Fürsprache eine Menge wichtiger Vorrechte und Gnaden eingeräumt war. Fortan bildete die heilige Einsiedelei und S. Michael auf Murano zusammen eine neue Kongregation mit siebzehn namentlich aufgeführten Observantenklöstern, welche nie mehr in Commende gegeben werden durften. Der General konnte nicht mehr auf Lebenszeit, sondern immer nur auf ein Jahr aus der Zahl der Einsiedler oder der Observanten, nicht aber der Konventualen gewählt werden und war gehalten, in der Einsiedelei selbst zu wohnen. Einsiedler wie Mönche durften nach dem Vorbilde des hl. Romuald Bärte tragen, kein Einsiedler auch nur den geringsten Geldbetrag besitzen".

Wer etwa gehofft hatte, die herrschenden Mißhelligkeiten würden durch das Kapitel beseitigt werden, täuschte sich sehr. Die

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DELFINS WIDERSTAND

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Hauptbeschwerde, die Lebenslänglichkeit des Generalats, war zwar grundsätzlich, leider aber nicht tatsächlich behoben und bestand nach wie vor, denn Delfin dachte gar nicht daran, aus den Kapitelsbeschlüssen die Folgerung zu ziehen. die nahe genug lag. Er verstand die Bestimmung, das Generalat dürfe künftig nur mehr einjährig sein, dahin, später einmal, nach seinem Tode, dürften die Wahlen nur mehr auf ein Jahr vorgenommen werden; daß sie schon ihn selbst anging, davon wollte er nichts wissen. So bedurfte es noch eines langen, erbitterten Kampfes, bis es gelang, ihr endlich Geltung zu verschaffen.

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Delfin wollte nicht hören so mußte er fühlen. Quirin war mit Justinian nach Rom geeilt und hatte hier einen päpstlichen Erlaß an den Forentiner Domherrn Anton Pucci erwirkt, welchem zufolge zwölf von den Leuten Delfins aus seiner Umgebung entfernt, auf einhunderttausend, fünfzigtausend bzw. zehntausend Schritte von der Einsiedelei verbannt und durch Häscher sofort ausgewiesen wurden25. Da sich unter ihnen selbstverständlich der Koch befand, so brach Delfin in Schreiben an den Papst wie an die Kardinäle de Monte und Soderini in neue Klagen über die schrecklichen Verfolgungen aus, deren Opfer er von seiten seiner Landsleute geworden sei. Diese hatten sich seiner Darstellung zufolge schon in Venedig miteinander verschworen, nur zu dem Zwecke in die Einsiedelei einzutreten, um ihn, den General, gewaltsam zu verdrängen, wenn er nicht gutwillig weiche". In ihrer Herzensbosheit seien sie darauf erpicht, ihm die Personen, welche ihm am allermeisten ans Herz gewachsen (supramodum cari) seien, zu entreißen, besonders den Koch, der ihm nicht nur sehr teuer, sondern wegen seiner treuen Dienste geradezu unentbehrlich sei und es in seiner zwölfjährigen Tätigkeit vorzüglich verstanden habe, ihm die rechten Speisen ganz nach seinem Geschmacke zu bereiten. Raube man ihm eine so geschickte und verlässige Stütze, so schaufle man ihm geflissentlich ein vorzeitiges Grab". Wohl möge dieser gefehlt haben, auch er sei ein Mensch und sich zu bessern erbötig; aber lieber immer noch das laue Leben der Zöllner von Fontebuona als das Fasten der Pharisäer mit ihrer unerträglichen Anmaßung. Der General flehte daher fußfällig, Papst und Kardinäle möchten es doch ja nicht zulassen, daß ihm der Koch genommen und ein solcher Schimpf von Leuten zugefügt werde, die nach seinem Leben und Blute dürsten". Wenn er es an der

erforderlichen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit in der Verwaltung des Vermögens habe fehlen lassen, so habe er dies absichtlich getan, dem Rate des hl. Bernhard und der Apostel gemäß, die Besorgung des Tisches lieber andern zu überlassen, als das Wort Gottes zu vernachlässigen, wie er sich auch um den Koch nur im Hinblick auf den Erlöser so annehme, welcher mit Zöllnern und Sündern zu Tische saß, und im Gedenken an den gütigen Vater, welcher dem verlorenen Sohne verzieh, und an den Apostel, welcher dem Philemon seinen diebischen Sklaven empfahl3o. Um die Ränke der Einsiedler an der Kurie zu durchkreuzen, begab sich Delfin auf den Rat des Kardinales de Monte im Oktober 1513 auch selbst nach Rom, erlangte hier zwei gnädige Audienzen beim Papste und die Zurücknahme der Verbannung seiner Getreuen, den Koch mit eingeschlossen, dessen sich de Monte zuvor schon ganz besonders angenommen hatte31. Seines vermeintlichen Sieges froh, verließ er im Januar 1514 in Begleitung des Koches die Ewige Stadt und begab sich nach Florenz, wo er, wie gewöhnlich, im Camaldoli Wohnung nahm. Schon am folgenden Tage erschienen jedoch Häscher, verhafteten den Koch und führten ihn gefesselt ins erzbischöfliche Gebäude, um ihn hier in den Kerker zu werfen. Delfin beschwerte sich empört über Quirin, den Urheber dieses neuen Schimpfes, welcher, mehr zum Tyrannen als zum Mönche geboren, mit dem Übermute eines Nero oder Decius gegen ihn wüte32.

Es kam aber noch schlimmer. Auf Betreiben Quirins wurde der General vom erzbischöflichen Generalvikare Andreas nun auch selbst einem dreistündigen Verhöre unterzogen, welches sich auf dreißig Punkte seiner Amtsführung erstreckte. Umsonst flehte er die Kardinäle de Monte, Medici, Soderini, Fiesco und S. Georg um Hilfe und Beistand an. Er konnte seinem Lieblinge das traurige Los nicht ersparen, daß er auf Grund seiner eigenen Geständnisse vom Generalvikare zu zehn Jahren schweren Kerkers (stinche) verurteilt wurde eine Strafe, welche, wie Delfin bitter bemerkte, härter nicht hätte ausfallen können, wenn der Unglückliche ganz Camaldoli angezündet hätte. Er selbst mußte sich noch mehrere Male vom kirchlichen Richter vernehmen lassen, welcher ihm zu seiner Beschämung vorhielt, es genüge keineswegs, daß ein Oberer selbst nicht sündige, er sei auch schon straffällig, wenn er als blinder

DAS SCHIEDSGERICHT

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Heli gegen sündhafte Untergebene nicht einschreite; er möge sich lieber mit Quirin verständigen und freiwillig abdanken, als sich der Gefahr auszusetzen, mit Schimpf und Schande abgesetzt zu werden, wie er es um seiner schlechten weltlichen und geistlichen Amtsführung willen verdiente". Wohl legte de Monte für ihn warme Fürsprache beim Papste ein; wenn er, hoffte der General, ein neues Breve zu seinen Gunsten erwirken könnte, dann müßten die Einsiedler, diese Hunde, verstummen und ihr Gekläffe einstellen. Aber der Kardinal vermochte es nicht zu verhindern, daß ihm durch Spruch des erzbischöflichen Generalvikars all seine Einkünfte aberkannt und bald darauf auch durch päpstliches Breve seine Amtsgewalt als General entzogen und der fernere Aufenthalt in Fontebuona und Musolea untersagt wurde,,,in der Erkenntnis," wie es im Breve hieß3, „daß sich besagter General und alle seine Gehilfen während der dreißig Jahre ihrer Wirksamkeit einer liederlichen Verwaltung schuldig machten, zum größten geistigen wie zeitlichen Schaden der Einsiedelei“. Sofort legte er wider eine so schimpfliche Behandlung Verwahrung beim Papste wie beim Kardinale de Monte ein, welcher ihm besonders gewogen blieb. ,,Nicht über den Verlust meiner Amtsgewalt oder meiner Häuser", schrieb er,,,führe ich Klage, wohl aber über den schmachvollen Verrat durch Quirin, diesen Judas im Barte", denn sein Werk ist es, wenn dem Papst im Breve die Überzeugung von meiner schlechten Verwaltung zugeschrieben wird!" „Ich bin bereit, Rechenschaft über meine Amtsführung abzulegen, nur darf man von mir nicht verlangen, daß mein Haus besser sei als das Noes, das unter acht Rechtschaffenen einen Verworfenen barg38." Um ihm die bittere Pille des letzten Breves etwas zu versüßen und den Entschluß freiwilliger Abdankung zu erleichtern, wurde ihm die Stellung eines Weihbischofs von Florenz mit der Würde eines Erzbischofs angetragen; er schlug sie mit Rücksicht auf sein hohes Alter aus, legte aber Berufung vom florentinischen Generalvikare an den Heiligen Stuhl ein. Zu Schiedsrichtern wurden auf sein Ansuchen vom Papste die ihm durchaus wohlgesinnten Kardinäle de Monte und Pucci bestellt, und so zweifelte er nicht an einem günstigen Ausgange seiner Sache. Schon glaubte er den Kardinälen Winke geben zu dürfen, wie er sich ihre Entscheidung denke: volle Wiederherstellung seiner Amtsgewalt und Zurückgabe der ihm entzogenen Wohnungen in Fontebuona und Musolea,

welche er mit Vorliebe als ,,seine" Häuser zu bezeichnen liebte, als hätte er sie aus eigenen und nicht aus Mitteln der Einsiedelei erbaut und eingerichtet, die er mit schweren Schulden belastete. „Es muß“, erklärte er zugleich bündig", „ein Ende haben mit den ewigen Ausweisungen und Verbannungen meiner Leute, es muß ein Ende haben mit der den Einsiedlern eingeräumten gottlosen, törichten und teuflischen Befugnis, Mißliebige nach Herzenslust zu vertreiben." Je rosiger die Träume waren, in welchen er sich bis zuletzt wiegte, um so grausamer war das Erwachen, als die ihm befreundeten Kardinäle am 13. Juni 1514 das Urteil über ihn sprachen. Er wurde aller geistlichen wie zeitlichen Gewalt über die Einsiedelei und die Kongregation von S. Michael entsetzt sowie der Befugnis, sich in Fontebuona und, was ihm am schwersten fiel, in der Musolea aufzuhalten, entkleidet, erhielt jedoch eine jährliche Pension von 300 Dukaten nebst 50 Dukaten Wohnungsentschädigung zugebilligt. Nur über die Konventualen dauerte seine Amtsvollmacht fort, ebenso blieb ihm das Recht gewahrt, Nonnen den Schleier zu reichen und Frauenklöster zu visitieren, und auch sein Koch wurde seinem Verlangen gemäß aus dem Kerker entlassen. Das war das klägliche Ende einer vierunddreißigjährigen Wirksamkeit als Ordensgeneral, welche immer so gut gemeint und so schlecht ausgeübt war! So schimpflich mußte ein Mann von seinem hohen Amte scheiden, welcher immer fromme Bibelsprüche und hohe Phrasen von Reform und religiöser Erneuerung im Munde führte und doch keine Hand zu wirklicher Besserung rührte! Das Urteil war hart, aber redlich verdient. Der von ihm Betroffene machte gute Miene zum bösen Spiele und tröstete sich mit der ihm nun auf einmal so willkommenen Muse, wie sie ihm im Alter zuteil werde13.

Im Namen der Einsiedler hatte Quirin den vollen Sieg davon. getragen. Aber er ward seines Erfolges nicht froh. Er, der mit seinem gelehrten Landsmanne, dem berühmten Humanisten Peter Bembo, beim Papste im Vatikan wohnte, daher von Delfin als Saloneremit und Palasteinsiedler verhöhnt", verzehrte sich in heißem Heimweh nach dem würzigen Waldfrieden der heiligen Einsiedelei, welche er niemals mehr sehen sollte. Er stand in höchsten Gnaden beim Papste, welcher sich seiner ungewöhnlichen Geschicklichkeit und Erfahrung bei den schwierigen Verhandlungen bediente, welche er mit den mit den Venezianern aufs

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