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QUIRIN UND JUSTINIAN GEGEN DELFIN

richtig und notwendig erkanntes Werk mit unerschütterlicher Festigkeit zu Ende führte", hatte Quirin bei seinem Eintritte in Camaldoli nicht nur durch Freund Justinian, sondern auch durch den heiligmäßigen Eingeschlossenen Michael" die traurige Lage vernommen, in welcher Camaldoli durch Delfins Schuld schmachtete, und sofort den kräftigen Entschluß gefaßt, den Augiasstall endlich zu säubern. Justinian selbst hatte sich weder am Aufstande der Einsiedler im Juli 1511 noch an sonst einer Feindseligkeit gegen den General beteiligt, dessen Vertrauen er nach wie vor genoß". Er hielt sich zunächst noch zurück, bis Quirin eingetroffen sein und die Gelübde abgelegt haben würde; dann wollten sie gemeinsam und im Vereine mit allen übrigen Insassen der Einsiedelei als ihre Wortführer den Kampf eröffnen. Die Führung übernahm Quirin, ihm ordneten sich alle anderen, Justinian eingeschlossen, willig unter. Je heißer ihr Herz für Camaldoli schlug, desto rücksichtsloser traten sie für es ein, das unveräußerliche Erbe des hl. Romuald. Nur um die Sache war es ihnen zu tun, nicht um eine Person, oder um eine solche doch nur, soweit sie von jener nicht mehr zu trennen war, wie es bei Basilius oder bei dem Koche Johann Anton der Fall war. Gegen Delfin hegten sie weder Feindschaft noch Groll noch irgendwelche gehässige Gesinnung; sie sprachen vielmehr von ihm in Ausdrücken der Verehrung und Hochschätzung, welche sie, genau unterrichtet, mit gutem Gewissen niemals hätten gebrauchen dürfen", erwiesen ihm überhaupt eine Rücksicht, welche er gar nicht verdiente. Daran änderte zunächst auch die Meinungsverschiedenheit nichts, welche zwischen ihnen und dem Generale bezüglich der Frage obwaltete, ob Einsiedler im Falle schwerer Erkrankung Fleisch essen dürften. Delfin verneinte sie unter Berufung auf ein angebliches Wunder; die hl. Einsiedelei, schrieb er76, sei ein so heiliger Ort, daß sie durch Fleischgenuß unter keinen Umständen entweiht werden dürfe. Verfalle ein Einsiedler in schwere Krankheit, so sei ihm dieser nicht versagt, aber nur in Fontebuona, wohin er sich eben zur Pflege begeben müsse, jedoch niemals in Camaldoli selbst. Quirin dagegen legte das Hauptgewicht auf die unverbrüchliche Pflicht der Klausur, auf Grund deren der Einsiedler den hl. Ort unter keinen Umständen verlassen dürfe, am allerwenigsten im Falle tödlicher Krankheit, wenn er der stillen Sammlung am allermeisten bedürfe; sei ihm auf ärztliche An

11 Schnitzer, Peter Delfin

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ordnung Fleischgenuß nötig, so könne dieser mit päpstlicher Dispens sehr wohl auch in Camaldoli stattfinden. Der kleine Streit zog vorerst keine weiteren Kreise, war aber der Vorläufer des großen. Die beiden Männer verstanden sich nicht und konnten sich nicht verstehen, weil sie wesentlich verschiedene Grundsätze verkörperten: Quirin im Einklange mit Romuald den Vorrang der Einsiedelei, Delfin den Vorzug des Klosters und gar noch eines konventualistischen, lauen. So war ein Kampf unvermeidlich, welcher von beiden Seiten mit unnachgiebiger Zähigkeit geführt wurde und nur mit dem vollen Siege Quirins und mit der Niederlage, und das hieß mit der Absetzung Delfins enden konnte. Quirin verfügte, vom inneren Gewichte der guten Sache ganz abgesehen, über Streitkräfte, welchen der General, trotz seiner nahen Beziehung zu einflußreichen kirchlichen Würdenträgern sowie zum Dogen und vornehmen Patriziern, nichts Ebenbürtiges an die Seite zu stellen vermochte. Stand er doch in höchster Gunst bei der Herzogin Elisabeth Eleonore Gonzaga, der Gemahlin des Herzogs Franz Maria della Rovere von Urbino, welche bei Julius II. alles galt"; und als dieser schon bald Leo X. Platz machte, da besaß Quirin in Julian Medici, dem jüngeren Bruder des Papstes, einen treuen, hingebenden Freund, welcher ihn von seinem längeren Aufenthalte in Venedig her so hoch zu schätzen gelernt und so lieb gewonnen hatte, daß er ihm jeden Wunsch von den Augen ablas und keine Bitte versagte. Daß freilich Delfins Enttäuschung und Entrüstung über den Abfall seiner Landsleute, in welchen er den Trost und den Stab seines Alters gesehen hatte, keine Grenzen kannte, ist leicht begreiflich.

H. DIE ABSETZUNG.

Mit der ganzen Einsiedelei und mit der venezianischen Kongregation teilte Quirin die Überzeugung, das einfachste und sicherste Mittel zur Unschädlichmachung des Generals und seines gefährlichen Anhangs sei die Angliederung Camaldolis an den Observantenverband von S. Michael. Da sich dies nun aber ohne Mitwirkung Delfins nicht bewerkstelligen ließ, welcher eben hiervon am wenigsten wissen wollte, so galt es, auf Mittel und Wege

DAS BREVE JULIUS' II.

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zu sinnen, um die Vereinigung auch ohne und gegen seinen Willen herbei- und durchzuführen, was nur der Papst selber vermochte. Um ihn dahin zu bringen, richteten Quirin und Justinian schon gleich nach ihrer Profeß ein Schreiben' an die Herzogin Elisabeth Eleonore mit der Bitte, den Heiligen Vater zu ersuchen, er möge auf nächstes Frühjahr ein Generalkapitel nach Florenz anberaumen, auf welchem der Orden im allgemeinen und die Einsiedelei im besonderen an Haupt und Gliedern erneuert werden sollte. Zu diesem Behufe sei Camaldoli samt Fontebuona an die Kongregation von Venedig anzuschließen, mit der Wirkung, daß der Prior bzw. General nur mehr ein Jahr im Amte sein könne und nach Ablauf dieser Zeit aufs neue gewählt werden müsse. Prior der Einsiedler dürfe fortan aber nur sein, wer auch selbst als Einsiedler inmitten der Brüder lebe. Endlich habe das Kapitel für Gleichmäßigkeit der Ordenszucht in den Observantenklöstern zu sorgen, und zwar nicht im Sinne einer Abschwächung, sondern eher einer Verschärfung der Regel. Der Heilige Vater möge ein Breve an den General richten mit dem Auftrage, alles weitere zur Erfüllung dieser Anordnungen zu veranlassen. Die Herzogin reichte das gewünschte Gesuch denn auch ein, und Julius II. erließ daraufhin ein Breve besagten Inhalts an den General, welchem daher, so schwer es ihm fiel, nichts anderes übrig blieb, als das Kapitel für die Osterwoche 1513 ins Engelkloster zu Florenz zu berufen. Doch verlor er den Mut nicht. Glaubte er doch auf die Medici bauen zu dürfen, welche im Herbste 1512 nach Florenz zurückgekehrt waren und ihn, als er ihnen seine Aufwartung machte, aufs liebenswürdigste aufgenommen hatten2. Aber die Verhältnisse in der Einsiedelei waren unhaltbar. Ihre Insassen erhoben sich neuerdings, entzogen dem Generale die Vermögensverwaltung und heischten unverzügliche Entlassung des Abtes Basilius und des neu aufgetauchten unglückseligen Koches3. Delfin war untröstlich. Er empfand die Forderung auf Entfernung des Koches geradezu als einen Anschlag auf sein Leben, so sehr hatte er sich an ihn und seine Küche gewöhnt! Wenn ihr, entgegnete er seinen Bedrängern, euer Mütchen an dem Laienbruder nicht schon das letztemal gekühlt habt, so schlagt ihn nur noch vollends ans Kreuz! Hat denn nicht auch Christus mit Sündern gespeist und nicht die Gesunden, sondern die Kranken berufen"? Er flehte den Schutz des Kardinals Medici gegen den Schimpf an, welchem er durch einen

Novizen ausgesetzt sei, der, kaum acht Monate in der Einsiedelei, schon darauf ausgehe, das Generalat an sich zu reißen. Hatte er früher auf ihn und Justinian nicht Lobsprüche genug ob ihrer außerordentlichen Gelehrsamkeit häufen können, so entdeckte er jetzt auf einmal, sie beide, aller göttlichen Wissenschaft und christlichen Demut bar, hätten die Weisheit der Welt in die Einsiedelei eingeschleppt. Dem Kardinale Soderini klagte er3, einer seiner Landsleute habe sich wider ihn empört und sei darauf erpicht, ihn zu verdrängen; er behauptete sogar, von ihm gezwungen worden zu sein, ihn schon nach sechs Monaten zur Gelübdefeier zuzulassen, was eine handgreifliche Unwahrheit war; denn von einem solchen Zwange konnte gar keine Rede sein, zumal da der General ebenso guten Grund gehabt hatte, das Gesuch seiner Landsleute um vorzeitige Profeßleistung zu bewilligen, wie diese, es zu stellen. Die Einsiedler ließen jedoch nicht nach; sie verklagten den Koch bei der florentinischen Signorie wegen gemeiner Verbrechen und verlangten seine Aburteilung und Bestrafung durch den weltlichen Arm. Sogar Delfin ward von der Signorie zur Verantwortung gezogen; er entschuldigte sich kleinlaut, in den dreißig Jahren seines Generalats habe er zwar nicht gerade ein erbauliches Beispiel gegeben, aber es an gutem Willen doch niemals fehlen lassen. Um dem Koch die Schmach einer Verurteilung durch das weltliche Gericht zu ersparen, beschwor Delfin den Kardinal Medici wie seinen Bruder Julian und Vetter Julius um Vermittlung.,,Was Du", schämte er sich nicht, an den älteren Bruder zu schreiben1o, ,,meinem Koche erweisest, das hast Du mir erwiesen."

Indessen nahmen die Geschicke ihren ehernen Lauf. In der Nacht vom 20./21. Februar 1513 war Julius II. gestorben, am 11. März der Sohn Lorenzos de' Medici als Leo X. auf ihn gefolgt. So sehr sich Delfin über die Erhebung seines alten Gönners auch freute, ganz froh konnte er der überraschenden Wendung der Dinge nicht werden. Mußte er sich doch immer sagen, daß er sich in die Gunst des Papstes mit Quirin und Justinian teilen müsse und nicht mehr so sicher wie früher auf Erhörung rechnen dürfe, ja, daß er von seinen Landsleuten in der päpstlichen Gunst weit überstrahlt werde, da ihnen der grenzenlose Einfluß Julians auf seinen Bruder zur unbeschränkten Verfügung stand. Zu seinem Leidwesen sollte er sich hiervon bald genug überzeugen. Schon am 31. März 1513 erschien nämlich ein päpstliches Breve, welches

DAS GENERALKAPITEL

den Vorsitz auf dem noch von Julius II. anberaumten Generalkapitel dem Abte Baptist de' Sacchetti aus der Kongregation von Montecasino übertrug, überdies aber, was den General ganz besonders schmerzlich berührte, Quirin und Justinian als von den Einsiedlern erwählte Definitoren mit vollem Sitz- und Stimmrechte anerkannte". Schon im Februar hatten sich diese zur Vorbereitung auf das Kapitel ins Engelkloster begeben und vereinbart12, während der Zeit ihres Aufenthaltes daselbst ihre einsiedlerische Lebensweise womöglich beizubehalten, einmal wöchentlich zu beichten und jeden Sonntag die hl. Kommunion zu empfangen.

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Das Kapitel fand Ende April 1513 im Engelkloster statt und nahm zuweilen einen sehr stürmischen Verlauf, da Delfin mit seinen Landsleuten wiederholt heftig zusammenprallte13. Schon zu Anfang beging Delfin mit dem Vorsitzenden den großen Fehler, den Einsiedlern den ihnen gebührenden Ehrenplatz unter den Definitoren vorzuenthalten; Quirin setzte sich daher so lange auf den Boden, bis ihm der Platz am Vorstandstische zugestanden war1. Da das Kapitel wie von Julius II., so vom neuen Papste den Auftrag hatte, eine Reform des ganzen Ordens, besonders aber der infolge schlechter Verwaltung in ihren Einkünften geschmälerten Einsiedelei herbeizuführen, so war den Verhandlungen ihr Weg von vornherein gewiesen; und Quirin und Justinian wachten darüber, daß er auch eingehalten wurde. Man kannte ihre nahen Beziehungen zu den Medici und wagte, von Delfins gelegentlichen Einsprüchen abgesehen, keinen Widerstand; insoferne konnten die Venezianer mit Recht versichern, alles sei in größter Einmütigkeit vor sich gegangen. Delfin behauptete allerdings, seine beiden Landsleute hätten die Versammlung wie zwei kleine Tyrannen beherrscht, widersprach hiermit aber seiner eigenen Mitteilung1, sie hätten den Mund nicht zu öffnen gewagt, stumme Hunde, die nicht zu bellen wagten. Von selbst richtet sich die Meldung des Generals1, die Einsiedler hätten den Fleischgenuß in die Einsiedelei einführen wollen, und das gleiche gilt von seinem Antrage1, niemand dürfe als Einsiedler aufgenommen werden, der nicht zuvor drei Jahre im Orden zugebracht und die Priesterweihe empfangen habe; denn er selbst war es ja gewesen, der sich über diese alten Ordenssatzungen hinweggesetzt hatte. Gegen den von den Einsiedlern gemachten Vorschlag, man solle die Bewerber

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