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schacher vorstreckte, gegen hohe Zinsen, versteht sich! Michiel aber hatte sich mit dem suburbikanischen Bistume Porto abfinden lassen. Natürlich mußte es den Venezianern bei dem allgemeinen Widerwillen gegen die Wahl Borjas und die damit verbundenen schandvollen simonistischen Umtriebe sehr peinlich sein, auch ihre eigenen Vertrauensleute, den Patriarchen und besonders den Sekretär Negri, so übel bloßgestellt zu sehen, und sie säumten nicht, die mißliche Angelegenheit zum Gegenstande ihrer Beratungen zu machen. Sehr fraglich erscheint aber die Angabe, Pazzi und Negri hätten im Konklave ihren Weisungen zuwider gehandelt, indem sie, statt für Julian einzutreten, zur Gruppe Ascanio-Borja übergingen. Allerdings stimmten Michiel und Zeno in den ersten Wahlgängen für Julian". Dies taten sie aber wohl aus eigenem Ermessen und nicht im Auftrage ihrer Regierung; denn diese hätte, wenn sie wirklich die Wahl Julians unterstützen wollte, durch Negri dann doch auch den Patriarchen in diesem Sinne beeinflussen lassen, welcher aber tatsächlich in den ersten drei Wahlgängen für Zeno eintrat". Wenn sich dann Negri im letzten Wahlgange, nachdem die Wahl Borjas nachgerade mit Einstimmigkeit sichergestellt war, dazu verstand, geschehen zu lassen, was doch nicht zu ändern war, mit den Wölfen zu heulen und als guter Geschäftsmann aus den gegebenen Verhältnissen auch für sich selbst einen Vorteil zu ziehen, indem er die ansehnliche Summe, welche der Vizekanzler wie den meisten anderen Konklavisten so auch ihm und Pazzi zusteckte, schmunzelnd einschob, so war ihm das nicht sehr zu verübeln. Am Ergebnisse der Wahl wurde hierdurch ja nichts mehr geändert, nachdem die Dinge doch schon soweit gediehen waren; und wenn sich die Kardinäle selbst, die großen Herren, bezahlen ließen, warum hätten es die kleinen Unterbeamten nicht auch tun sollen? Ohne Zweifel hüteten sich Pazzi und Negri wohlweislich, hierbei den Patriarchen ins Vertrauen zu ziehen, welcher daher von ihrem ganzen Handel nichts wußte, und, da er selbst nichts gefordert und nichts empfangen hatte, reiner dastand als irgendeiner seiner Kollegen, in seiner Hilflosigkeit und amtlichen Entmündigung wohl entschuldigt, wenn er in der düsteren Nacht des 10. August mit zitternden Händen den Wahlzettel für Borja in die Urne legte. Somit klingt es höchst unwahrscheinlich, daß der venezianische Gesandte dem Patriarchen den Tod angedroht

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TOD DES PATRIARCHEN

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habe", und gar von einer Vergiftung durch Pazzi und Negri kann gar keine Rede sein, da durch Delfins über jede Anfechtung erhabenen Berichte festgestellt ist, daß der Greis auf der Rückkehr nach Venedig infolge der Reisebeschwerden eines natürlichen Todes an der Ruhr erkrankte und starb". Auffällig bleibt allerdings, daß ihm der Sekretär des venezianischen Gesandten Cappello eigens aus Rom nachreiste und sich noch in der letzten Stunde vor seinem Tode unter vier Augen mit ihm unterhielt, — ohne Zweifel, um sich von ihm authentische Aufschlüsse über die Vorgänge bei der Wahl und über sein Verhalten wie über das seiner Konklavisten in Sachen der Bestechung zu erholen. Da der Sterbende auf die an ihn gerichteten Fragen zum Erstaunen des erfahrenen Beamten ganz klare und verständige Antworten gab, so kann es so trostlos, wie man es darzustellen beliebte, um seine Geistesverfassung keinesfalls bestellt gewesen sein. Ließ sich seine Abstimmung beim letzten Wahlgange nur als Ausfluß kindischen Geistes erklären, so handelten ebenso kindisch auch Julian, Carafa, Piccolomini und andere Kardinäle, bei welchen Anzeichen von Schwachsinn sonst nicht zu bemerken waren. Was Gerardi in seinem Leben auch gefehlt haben mochte - die Sünde der Simonie beschwerte ihn nicht, als er schon wenige Tage nach der Wahl vor Gottes Richterstuhl trat.

Delfin war natürlich über die dem alten Manne zuteil gewordene Behandlung aufs äußerste empört. Obschon durch diesen über den Gang der Dinge ohne Zweifel wohl unterrichtet, hütete er sich zwar sorgfältig, sich in seinen Briefen über Einzelheiten auszusprechen. Solch brenzliche Gegenstände dem Papiere anzuvertrauen, erschien allzu gefährlich; auch der florentinische Gesandte Philipp Valori wagte es nicht, sondern vertröstete seine Auftraggeber auf die mündlichen Berichte Michelozzis, des Konklavisten des Kardinals Medici". Aber die bitteren Klagen, in welchen der General sich erging, sowie manche Andeutungen darin, verrieten, daß er mehr wußte, als er schrieb; manche Wendungen klangen geradezu wie schlecht verhaltener Hohn.,,Es ging," das waren seine Worte an Freund Barozzi,,,wie es Gott gefiel. Flehen wir zu ihm, er möge uns den Hirten geschenkt haben, wie wir ihn schon lange ersehnten, dem es mehr um das Wohl als um die Wolle und Milch seiner Schafe zu tun ist, der auch über seinen Klerus nicht herrscht, sondern seiner Herde

als Muster voranleuchtet und keiner Ungerechtigkeit in sich Raum gibt." Noch mehr erschloß er sein bekümmertes Herz in einem Briefe an seinen Lieblingsschüler Bernhardin Gadolus. ,,Täglich erfahren wir es," bekannte er ihm,,,wie trügerisch unsere Hoffnungen und wie eitel unsere Gedanken sind. Und dies mit Recht. Denn ,meine Gedanken sind nicht eure Gedanken', spricht der Herr (Is. 55, 8). Wie so oft schon in meinem Leben erfuhr ich, daß frohen Anfängen traurige Ausgänge folgen; denn Freude und Schmerz grenzen aneinander (Sprüche 14, 13), den Festtagen gehen die Fasttage voraus. In der Fülle der Bitternis meiner Seele waren mir deine Trostworte Labsal. Vor kurzem noch schwammen wir in Seligkeit ob der unserem Orden zuteil gewordenen hohen Ehre. Welcher Umschwung nun eintrat, das möge Dir lieber ein anderer mitteilen; welche Gerüchte durch die ganze Stadt schwirren, mit welchen Vorwürfen wir auf Schritt und Tritt überhäuft werden, was geschehen ist, oder, wenn es nicht geschehen ist, doch von allen aufs gewisseste als geschehen angenommen wird, davon will ich nicht reden. In den Kot gezogen ist die Heiligkeit des Patriarchen um der Verdorbenheit des einen oder anderen willen, und in einer so wichtigen Sache wurde er Leuten beigesellt, die nicht nur der hiesigen Stadt (Rom), sondern der ganzen Christenheit Ärgernis gaben. Ich schreibe Dir nicht deutlicher, weil man solche Dinge keinem Brief anvertrauen darf. Jedenfalls bin ich so voller Betrübnis, daß ich mich kaum mehr zu fassen vermag. Wo wir uns sehen lassen, zeigt man mit Fingern auf uns, verhöhnt und verspottet uns; wenn ich könnte, zöge ich mich am liebsten sofort in meine Einsamkeit zurück. Wer hätte je geglaubt, daß unser ehrlicher Name so bald schon besudelt würde! Was einer oder zwei verschuldeten, wird allen aufgebürdet, und selbst der unschuldigste und lauterste Mensch vermag der Schmach und Schande, obschon schuldlos, nicht zu entrinnen, wenn er unter einem Dache mit Gottlosen weilt. Aber der Herr wird mit den Bösewichtern ein böses Gericht halten und die Urheber solchen Frevels mit der gebührenden Strafe ahnden, davon ist man allgemein überzeugt. Das genüge als Antwort auf Deinen Brief, welcher noch voll eitler Freude ist."

So sehr ihm die Schmach seines Ordens zu Herzen ging, so war Delfin doch nicht der Mann, sich über sie und das Leid der Kirche tief zu grämen. Wohl seufzte er über das bodenlose

ALEXANDERS VI. KRÖNUNG

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Verderben der Zeit, demzufolge immer nur der Mächtigste aufsteige; längst sei die Taube des Hl. Geistes, welche einst über dem Haupte der zu Wählenden zu schweben pflegte, in weite Fernen entflogen, nur mehr durch menschliche Fürsprache und Gunst, nicht mehr durch göttliche Erbarmung oder auf Grund eigener Verdienste gelange man in die Höhe. Aber die rauschenden Festlichkeiten, welche anläßlich der Krönung Borjas am Sonntage, 26. August, sattfanden, nahmen all seine Sinne gefangen; auf die unselige Wahl und die damit verbundenen traurigen Vorgänge kam er fortan nicht mehr zurück. Er, der über die wichtigsten Ereignisse mit einigen dunklen Worten hinwegglitt, wurde redselig, wenn er den glänzenden Zug schilderte52, in welchem sich der Papst mitten in einem endlosen Trosse hoher Herren und Prälaten von S. Peter nach dem Lateran bewegte, umdrängt von einer wogenden Menschenmenge, welche das farbenprächtige Schauspiel betrachtete, und den reichen Schmuck an kostbaren Tüchern und Teppichen, kunstfertigen Triumphbogen, bunten Wappen und mannigfachen Sinnsprüchen bewunderte, worin die von der Prozession berührten Straßen prangten. Delfin ritt im Gefolge des Patriarchen und betrachtete wohlgefällig das sinnverwirrende Schauspiel. Mißfällig ruhte sein Blick nur auf einem Verspaare, welches auch anderen ernsten Männern nicht sehr geschmackvoll erschien und lautete:

,,Rom hat groß ein Cäsar gemacht, nun hebt Alexander Kühn es zum Gipfel empor, Mensch der, dieser ein Gott"." Die leichte Ohnmacht, welche den Papst im Lateran befiela, gab dem Generale Gelegenheit zu billigen Äußerungen über die Unsicherheit irdischer Größe. Da der Patriarch nach der Krönungsfeier noch nicht sofort nach Venedig zurückkehrte, so mußte auch Delfin noch einige Zeit in der Ewigen Stadt verweilen. Über die Bosheit der Leute, welche seinem Kirchenfürsten so übel mitgespielt hatten, um so schmerzlicher entrüstet, je tiefer er von seiner vollkommenen Makellosigkeit überzeugt war, sehnte er sich wie noch niemals nach Camaldoli zurück. Noch niemals hatte er den Aufenthalt an der Kurie so satt gehabt wie eben jetzt, in der sengenden Sonnenglut, von morgens bis abends durch seinen Dienst beim Patriarchen in Anspruch genommen, welchem er nicht von der Seite wich, und mit welchem er zum Besuche der Kardinäle Tag für Tag durch die Straßen der Stadt ritt. Noch

niemals hatte er einen so starken Widerwillen gegen das Leben der Kurialen empfunden wie nun in den Tagen, da er sich gezwungen sah, es selbst mit ihnen zu teilen.,,Es läßt sich keine erbärmlichere Sklaverei denken, urteilte ers; leisteten sie auch nur einen Teil all der Mühe und Arbeit, welcher sie sich im Dienste der Welt unterziehen, zur Ehre Gottes und zu Nutz und Frommen der Kirche kein Mönch der strengsten Regel könnte sich mit ihnen messen und selbst Kartäuser und Camaldulenser müßten weit hinter ihnen zurückstehen.“ Endlich am 6. September schlug die heiß ersehnte Stunde der Erlösung. Aber auf dem Heimwege begannen die Sorgen und Aufregungen für ihn erst recht, da der Kardinal, durch die Last der Jahre noch mehr als durch die Augusthitze und die Beschwerlichkeit der Reise aufgerieben, unterwegs schwer erkrankte und am 14. September zu Terni in seinen Armen verschied57. Nun oblag ihm das Geleite der Leiche, die von Pesaro zu Schiff nach Venedig befördert wurde. So durfte er sein geliebtes S. Michael wiedersehen, auch nach Padua eilte er zur Begrüßung Barozzis. Von da kehrte er über Ferrara und Faenza nach Camaldoli zurück, wo er nach einer abermaligen mehrmonatlichen Abwesenheit in der ersten Novemberwoche 1492 wieder eintraf.

E. DAS COMMENDENWESEN. DELFIN IM KIRCHENBANNE.

Eine der schwersten Wunden, an welchen der Orden des hl. Romuald dahinsiechte, wurde ihm, wie wir schon sahen, durch das Commenden wesen geschlagen, die beklagenswerte Unsitte der Zeit, klösterliche Pfründen ihren rechtmäßigen Inhabern zu entziehen und Laien oder Weltgeistlichen zur Aufbesserung ihrer Einkünfte zu übertragen. Niemand wußte über die furchtbaren Verwüstungen, welche das Commendenwesen im Ordensleben anrichtete, ein ergreifenderes Lied zu singen als Delfin; er fürchtete sogar, wenn dem Übel nicht bald gründlich gesteuert werde, so sei der Untergang des Ordens besiegelt. Blutenden Herzens war er Zeuge der schweren Schäden, wie sie durch die Commenden so häufig verursacht wurden. So war die Abtei St. Illaro bei Civitella, nachdem sie sechzig Jahre lang in der Gewalt von

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