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BRUNO UND BENEDIKT

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mehr sehen11." Und so geschah es. Schon am 23. Januar 1002 starb Otto III., noch nicht zweiundzwanzig Jahre alt, zu Paterno bei Rom, wie Bruno meinte, zur Strafe dafür, daß er Rom zu sehr geliebt und das anmutige Deutschland darüber vernachlässigt habe 12. Romuald hatte zum Abte des Adalbertklosters von Pereum den von ihm hochgeschätzten Benedikt ausersehen, der es jedoch beim Kaiser durch Brunos Vermittlung durchsetzte, daß von seiner Wahl Abstand genommen wurde. Hierüber aufgebracht, ließ Romuald die beiden Freunde auf die nackte Haut geiseln, die Abtei aber übertrug er einem anderen seiner Jünger, mit dem Gebote, die Woche über in der Einsiedelei dem Gebete und der Abtötung zu obliegen und nur an den Sonntagen die Brüder im Kloster heimzusuchen. Er hatte jedoch sein Vertrauen einem ganz Unwürdigen geschenkt, der es vorzog, statt sich in der Zelle zu kasteien, den Abt zu spielen und es sich wohl sein zu lassen". Bruno und Benedikt litten schwer unter dieser unverhofften Wendung der Dinge und nicht weniger unter der unerträglichen Fieberluft des Sumpfloches Pereum. Der Gedanke kam ihnen, daß zwar die Einsiedelei über dem Kloster stehe, daß aber die höchste Stufe der Vollkommenheit nicht sie, sondern das Martyrium darstelle; ihm beschlossen sie sich daher als Missionäre der Slawen zu weihen lieber den raschen Tod durchs Schwert der Heiden als das langsame Hinsiechen im Fieber der Hölle von Pereum, war ihre Losung“. Der Kaiser war mit diesem Vorhaben, welches seinem eigenen Herzenswunsche so sehr entgegenkam, durchaus einverstanden und erwirkte Romualds Einwilligung um so leichter, als auch dieser selbst schon den Plan gefaßt hatte, Pereum zu verlassen und eine neue Einsiedelei aufzusuchen.

Und diesen Entschluß führte Romuald auch sofort aus. Er selbst hatte den Kaiser zur Errichtung des Klosters in Pereum angespornt, auf welche dieser hundert Pfund verwendet hatte; nun ließ er Kloster und Brüder im Stiche und floh über das Meer an die istrische Küste (1002). In Parenzo verweilte er drei Jahre (1002-1005), von welchen er zwei als Eingeschlossener (inclusus) in einer Grotte verbrachte"; erst auf dringendes Bitten der Einsiedler von Bifurco in den florentinischen Apenninen kehrte er nach Italien zurück. Da sich jedoch diese weigerten, seinem Wunsche gemäß einen Abt zu bestellen und auf alles persönliche Eigentum zu verzichten, so brach er schon bald wieder auf, um

in Valdicastro, in einem vom Grafen von Camerino geschenkten Tale, eine neue Einsiedelei zu begründen, welche bald sein Lieblingssitz und der Mittelpunkt einer reichgesegneten Wirksamkeit wurde, zu welchem die Gläubigen von allen Seiten herbeiströmten. Zugleich richtete er hier ein Nonnenkloster ein". Auch an die Verbreitung des Glaubens unter den Ungläubigen dachte er, vom Beispiele seiner Schüler Bruno-Bonifaz und Benedikt angefeuert. Mit vierundzwanzig Jüngern machte er sich auf den Weg nach Ungarn, um das Martyrium zu erleiden, erkannte aber an einer Krankheit, welche sich, je weiter er vordrang, um so mehr verschlimmerte, daß er zum höchsten Grade der Vollkommenheit nicht berufen sei, und kehrte mit sieben Brüdern um, während die, welche die Missionsreise fortsetzten, schließlich elend zugrunde gingen. Seit seiner Rückkehr aus Istrien bevorzugte er nicht mehr wie früher verpestete Sumpflandschaften, sondern fruchtbare Felder und würzige Höhen und Wälder als Siedlungsstätten für seine Büßer9. Ruhelos durchstreifte er Berg und Tal, um einen für seinen Zweck geeigneten weihevollen Ort zu entdecken; es schien, als wolle er die ganze Welt in eine Einsiedelei verwandeln und alles Volk zum Eintritt ins Kloster bekehren50. Aber nirgends litt es ihn lange. Hatte er irgendwo einige Zellen und in der Nähe ein Kloster notdürftig eingerichtet, so griff er immer wieder zum Wanderstabe. So kam er auch ins Gebiet von Arezzo. In weltentlegener Bergwildnis, an einem Orte, welcher nach seinem Besitzer Maldulus Maldulusfeld, Campus Malduli, Camaldoli hieẞ50, und zu einer Einsiedelei wie geschaffen schien, errichtete er ein schlichtes Bethaus inmitten fünf luftiger Zellen für seine Begleiter, von welchen er einen, Peter Dagnin mit Namen, zu ihrem Oberen, Prior, einsetzte. In einer engen Schlucht aber, in welcher ein kühler Quell sprudelte, zimmerte er ein Haus, welches den Namen,,Fontebuona“, „Gesundquell" trug und die Bestimmung hatte, den Fremden Unterkunft, den Insassen der etwa eine Wegstunde entfernten Einsiedelei aber die tägliche Nahrung und im Falle ihrer Erkrankung die nötige Pflege zu gewähren, auf daß sie, allen irdischen Sorgen entrückt, ungehemmt nur mehr ihren himmlischen Betrachtungen oblägen. Aber auch in Camaldoli nahm Romuald nur kurze Rast; bald schied er auch von hier, um niemals wiederzukehren. Das Ziel seiner Wanderung war nunmehr der Berg Sitria bei Sassoferrato in Umbrien. Sieben Jahre

KAISER HEINRICH II.

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verweilte er hier (1013-1020) als Eingeschlossener in seiner Zelle, mit dem Beispiele seiner schier übermenschlichen Bußübungen die ganze Umgebung entzündend, so daß die heiligen Zeiten von Sitria, wo sogar Schafhirten mönchisches Fasten und Stillschweigen beobachteten und sich den Einsiedlern gleich den Rücken mit Geißeln zerfetzten, noch lange als das goldene Zeitalter romualdinischen Eifers und als ein zweites ägyptisches Nitria in der Erinnerung der Brüder fortlebten52. So verbreitete sich der Ruhm seiner Heiligkeit durch ganz Italien und drang auch dem Kaiser Heinrich II. zu Ohren, als er 1022 nach dem Süden gezogen war. Er entbot ihn zu sich und brach beim Anblicke des abgemergelten Greises mit den flammenden Augen in den verhärmten Zügen in die Worte aus:,,O daß doch meine Seele in deinem Leibe wohnte!" Aber die ihm vom Kaiser übertragene Reform des Klosters Amiate im Sienesischen verursachte ihm mannigfache Widerwärtigkeit und verbitterte seine letzten Lebensjahre. Als er sein Ende herannahen fühlte, zog er sich nach Valdicastro zurück; hier ließ er sich eine Zelle mit einem Betraume errichten, in welcher er als Eingeschlossener, gleichsam lebendig Begrabener in unverbrüchlichem Stillschweigen dem Tode entgegenharrte, welcher ihn am 19. Juni 1027 in sanfter Umarmung erlöste. Schon nach fünf Jahren erhielten seine Jünger die Erlaubnis, einen Altar über seinem Grabe zu errichten, zu welchem die Gläubigen an den Festtagen von weit und breit herbeiströmten, um sich an seinen Wundertaten und Tugenden zu erbauen56.

Romualds Leben lehrt aufs deutlichste, was er erstrebte und wollte: eine Erneuerung des verfallenen Ordenswesens durch Verschmelzung des Klosters mit der Einsiedelei. Unverhofft und halb wider Willen nach St. Apollinare unter die Söhne des hl. Benedikt geraten, überzeugte er sich vom Verhängnisse einer Ordensregel ohne Abtötung und Buße; an der Seite Marins erfuhr er die Unzulänglichkeit bloßer Abtötung und Buße ohne Regel. In Classe lernte er das Kloster, bei Marin die Einsiedelei im Zustande der Entartung kennen und spürte so am eigenen Leib die Notwendigkeit einer Neugeburt. Auf der hohen Schule in Cusan reifte er sodann im Verkehr mit Guarin und mit den Schriften Gregors des Großen und des bewährten Altmeisters Cassian zur Einsicht heran, das Heil liege in der rechten Mischung der beiden Lebensweisen, der klösterlichen mit der einsiedlerischen und der

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einsiedlerischen mit der klösterlichen. Als Einsiedler hatte einst ja schon der hl. Benedikt, der Patriarch des abendländischen Mönchtums, in der Höhle von Subiaco sein frommes Leben begonnen, aber in der Regel, welche er seinen geistigen Söhnen hinterließ, hatte er ausdrücklich festgesetzt, nicht schon gleich im ersten heiligen Eifer, sondern erst nach längerer Probezeit im Kloster dürften sie sich in die Einsamkeit zurückziehen". Nach Cassian stellt die Wirksamkeit in der klösterlichen Gemeinschaft, die vita communis, mit ihren mannigfachen Dienstleistungen und Obliegenheiten die vita actualis der evangelischen Martha, die Zelle aber mit ihrer beschaulichen Einsamkeit das betrachtende Leben, die vita contemplativa jener Maria dar, welche nach dem Zeugnisse des Erlösers den besten Teil erwählt hatte (Luk. 10, 38 ff.). Obschon Martha einem heiligen Werke oblag, der Bewirtung Jesu und der Apostel, so ward doch ihrer Schwester, welche zu Füßen Jesu seinen Worten lauschte, der Vorzug zuerkannt. Nicht im tätigen Leben und Wirken also, so löblich und ersprießlich es sein mag, liegt das höchste Gut, sondern einzig und allein in der Anschauung Gottes, in der theoria. Alles äußerliche Gebaren, wie Fasten, Nachtwachen, Einsamkeit und Schriftlesung, sind nicht Selbstzweck, sondern lediglich Mittel und Weg, um zu jener Reinheit des Herzens, zu jener Liebe zu gelangen, welche mit Gott vereint und über alles entscheidet; wo sie ist, ist alles; wo sie fehlt, helfen auch jene äußeren Übungen nichts. Der sicherste Weg zu ihr ist aber der Gehorsams, welchen man nur in der klösterlichen Unterwerfung unter den Oberen lernt. Wer der Welt entsagt, der muß darum zuerst ins Kloster gehen; im freudigen Gehorsame gegen andere, auch Jüngere, muß er zum Kinde werden, denn dem Kinde ist das Himmelreich verheißen. Mag der Mensch alles verlassen haben, so bringt er doch noch immer seinen Willen ins Kloster mit; auch diesen muß er im Gehorsam überwinden und vollends zum Opfer bringen, so daß er kein eigenes Verlangen mehr hegt und ohne Erlaubnis des Obern nicht einmal seine natürlichen Bedürfnisse befriedigt. Erst wer im Kloster seine sinnlichen Begierden ertötet hat, ist reif zur Betrachtung Gottes in der Einsamkeit. Darum kann die Losung nicht sein: Kloster oder Einsiedelei, sondern immer nur: Kloster und Einsiedelei; das eine ist die Vorstufe, Vorbereitung und

KLOSTER UND EINSIEDELEI

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Voraussetzung der andern. Grundsätze solcher Art waren übrigens schon vor Gregor und Cassian Gemeingut kirchlicher Erziehungsweisheit auch im Abendlande. Schon die vorbenediktinischen und iroschottischen Klöster standen in engster Fühlung mit Einsiedeleien, welche sich namentlich auch in England großer Beliebtheit erfreuten. Seit der merowingischen Zeit wimmelte es auch in deutschen, gallischen und spanischen Landen von Klausnern und Klausnerinnen, welche freilich ihr Leben meist ohne Anschluß an einen Orden oder ein Kloster nach eigenem Ermessen einrichteten und in ihrer häufig recht sonderbaren Art, nach ihrer Fasson selig zu werden, nicht selten mehr zum Anstoße und Ärgernisse als zur Erbauung gereichten. So ungern solche ungebundenen Klausner von der Kirche gesehen wurden, sie waren niemals ganz auszurotten. Schon früh schritten Konzilien mit der Verordnung ein, niemand dürfe Einsiedler werden, der nicht zuvor in mindestens dreijährigem klösterlichen Aufenthalte die notwendigsten Pflichten der asketischen Lebensweise praktisch geübt habe, worüber jedoch nicht er selbst, sondern nur ein Oberer befinden dürfe. Kirchlicher Vorschrift gemäß war daher zum Übertritte in die Einsiedelei die Erlaubnis des Bischofs erforderlich, dessen Aufsicht auch der Einsiedler noch unterlag, um des Verdienstes und Segens eines demütigen Gehorsams nicht zu ermangeln und den schweren Gefahren der persönlichen Willkür nicht zum Opfer zu fallen.

Diese Grundsätze wirkten auf Romuald wie eine Erlösung aus den Zweifeln und Unruhen, welche ihn in Classe und bei Marin bedrängt hatten, veranlaßten ihn aber zugleich zu einer durchgreifenden Neuordnung des asketischen Lebens. Er vervollständigte und ergänzte das Kloster durch Angliederung einer Einsiedelei, und er versah diese mit einem Halte und Rückgrate durch Verbindung mit einem Kloster. Die Einsiedelei selbst nahm unter seinen Händen eine neue Gestalt an. Wie in anderen Ländern, so bildeten die Einsiedler auch in Italien oft eine wahre Landplageo1, da sie unstet herumstreunten und, wie sie nicht selten aus den dunkelsten Verhältnissen stammten, so im Dunkel der Wildnis auch wieder spurlos verschwanden. Romuald nun sammelte sie zu kleinen Gemeinden, welche nach dem Vorbilde der griechischen Lauren den einzelnen Büßern zwar ihre eigenen Zellen einräumten, aber diese enge aneinanderrückten, so daß eine an die an

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